# taz.de -- Vor der Präsidentschaftswahl in Guinea: Westafrika zittert um die … | |
> Ein General aus Mali übernimmt die Wahlkommission Guineas, um die | |
> Stichwahl am Sonntag zu retten. Die ganze Region hofft, dass die | |
> Überwindung der Militärdiktatur gelingt. | |
Bild: Sehnen sich nach einem demokratisch gewählten Präsidenten: Anhänger de… | |
BERLIN taz | Guinea mag eines der ärmsten Länder der Welt sein, aber seine | |
Politik ist reichhaltig. Bei der Stichwahl um die Präsidentschaft am | |
Sonntag stehen sich nicht nur die beiden größten Ethnien des | |
westafrikanischen Landes gegenüber, sondern auch die beiden großen | |
politischen Lager. | |
Cellou Dallein Diallo vom Volk der Peul, Minister unter dem 2008 | |
verstorbenen Langzeitdiktator Lansana Conté, tritt gegen Alpha Condé vom | |
Volk der Malinke an, unter Conté politischer Gefangener und Exilant. Um | |
Cellou haben sich das alte Establishment und die Geschäftselite geschart, | |
Condé versucht die frühere demokratische Opposition auf die Seite seiner | |
"Regenbogenallianz" zu ziehen. | |
Dieser Richtungswahlkampf setzt viele Emotionen frei, und wenige Tage vor | |
der Stichwahl wird immer noch gezittert, als ob die Guineer es gar nicht | |
glauben wollen, dass sie jetzt wirklich zum ersten Mal in der Geschichte | |
einen demokratisch gewählten Staatschef bekommen. | |
Nach Guineas Unabhängigkeit 1958 führte Diktator Sékou Touré das Land in | |
die Isolation und den Ruin. Nach Tourés Tod 1984 steuerte General Lansana | |
Conté Guinea noch tiefer in die Krise. Nach Contés Tod 2008 entpuppte sich | |
Nachfolger Kapitän Dadis Camara als Willkürherrscher und ließ im September | |
2009 eine Oppositionsdemonstration zusammenschießen, wobei mindestens 158 | |
Menschen starben. | |
Wenige Wochen später fiel Dadis Camara selbst beinahe einem Attentat zum | |
Opfer. Auf Vermittlung Burkina Fasos ersetzte ihn Sékouba Konaté, ein | |
stiller Oberst, der den Rückzug des Militärs aus der Politik versprach und | |
eine zivile Übergangsregierung bildete. | |
Die erste Runde der Präsidentschaftswahl fand schon am 18. Juni statt. Dass | |
die Stichwahl sich so hinzieht, liegt vor allem daran, dass keiner einen | |
Fehler machen und die historische Chance auf Systemwechsel verspielen will. | |
Eigentlich müsste Cellous Sieg eine Formsache sein - er erzielte in der | |
ersten Runde 43 Prozent, der Zweitplatzierte Condé nur 18. Doch Condé | |
karikiert Cellou erfolgreich als Vertreter der diskreditierten alten Garde | |
und sich selbst als unbefleckte Figur. Cellou kontert, Condé gehöre der | |
gleichen Malinke-Ethnie an wie der frühere Diktator Sékou Touré und Guineas | |
größte Volksgruppe der Peul müsse endlich auch einmal einen Präsidenten | |
stelle. | |
Das Spiel mit dem ethnischen Feuer, das jugendliche Anhänger beider Lager | |
treiben, nährt in Westafrika Angst vor einem neuen Bürgerkrieg, zumal es in | |
Guinea zehntausende unzufriedene Soldaten und arbeitslose Veteranen der | |
früheren Kriege in den Nachbarländern Liberia und Sierra Leone gibt. | |
Als im September der Chef der Wahlkommission unerwartet starb, entzündete | |
sich ein weiterer Streit. Die Kommission wählte den Condé nahestehenden | |
Gewerkschaftler Louncény Camara zu ihrem neuen Chef, woraufhin Cellou mit | |
Wahlboykott drohte. | |
Anfang dieser Woche lieferten sich Soldaten und Cellou-Anhänger | |
Straßenschlachten. Die Regierung ersetzte daraufhin Wahlkommissionschef | |
Camara durch einen General aus Mali, Westafrikas demokratisches Musterland. | |
General Siaka Toumany Sangaré versucht nun, Guineas Stichwahl zu retten. | |
Beide politischen Lager Guineas haben seine Nominierung begrüßt - vor allem | |
die Anhänger Cellous. | |
Aber auch der Generalsekretär von Condés Partei RPG (Versammlung des | |
guineischen Volkes), Mohamed Gané, sagt der taz: "Wir wurden nicht | |
konsultiert, aber wir respektieren die Entscheidung. Es sind nicht alle | |
Probleme geklärt, aber am wichtigsten ist, dass die Wahlen stattfinden." | |
Die RPG moniert, dass 600.000 der 4 Millionen Wähler noch keine Wahlkarten | |
haben. | |
22 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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