| # taz.de -- Online-Diskussion zu Strafverfolgung: Recht gegen Staatsterror | |
| > Claudia Roth spricht mit Experten über den Prozess gegen syrische | |
| > Folterer. Gibt es Gerechtigkeit vor deutschen Gerichten? | |
| Bild: Khubaib-Ali Mohammed, Feras Fayyad und Mohammad Alshaar, Nebenkläger im … | |
| Zu Beginn der Veranstaltung lässt die Moderatorin ein Bild hochladen. Fünf | |
| rotbräunliche Stoffstreifen sind darauf, die auf den ersten Blick | |
| schmuddelig wirken. Schaut man genauer hin, ist arabische Schrift zu | |
| erkennen, geschrieben in einer Mischung aus Blut und Rost. Es sind die | |
| Namen von über 80 Häftlingen, die in einem Gefängnis des syrischen | |
| Geheimdienstes gemeinsam in einer Zelle saßen. | |
| Mansour Omari, einer der Gefangenen, hat sie herausgeschmuggelt und die | |
| Angehörigen der Inhaftierten über deren Verbleib informiert. Viele | |
| Menschen, die in Syrien verschwinden, sitzen an geheimen Orten im | |
| Gefängnis. Die Angehörigen wissen oft nicht, wo sie geblieben sind, ob sie | |
| noch leben. | |
| Die Heinrich-Böll-Stiftung lud gemeinsam mit dem European Center for | |
| Constitutional and Human Rights (ECCHR) jetzt zu einer Onlinediskussion mit | |
| dem Titel „Strafverfolgung ohne Grenzen – Gerechtigkeit für | |
| Völkerrechtsverbrechen vor deutschen Gerichten“. Anlass ist der | |
| „Al-Khatib-Prozess“, der seit April vor dem Koblenzer Oberlandesgericht | |
| läuft. Erstmals weltweit müssen sich zwei Geheimdienstmitarbeiter des | |
| syrischen Assad-Regimes wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit | |
| verantworten. | |
| [1][Der Hauptangeklagte, Anwar R., war verantwortlich für das berüchtigte | |
| Gefängnis al-Khatib] in Damaskus. Er ist wegen 58-fachem Mord, Folter in | |
| mindestens 4.000 Fällen, Vergewaltigung und sexueller Nötigung angeklagt. | |
| Mit dem Al-Khatib-Prozess werde „Justizgeschichte geschrieben“, sagt die | |
| grüne Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth. | |
| ## Russland und China verhindern Stafverfolgung im ICC | |
| Eigentlich sollten solche Verbrechen „international aufgearbeitet und | |
| geahndet“ werden, [2][dafür sei der Internationale Strafgerichtshof (ICC) | |
| in Den Haag gegründet worden]. Doch weil Russland und China eine Befassung | |
| des ICC mit den Verbrechen des syrischen Regimes im UN-Sicherheitsrat | |
| verhindern, wurde die deutsche Justiz aktiv. | |
| Im hiesigen Völkerstrafrecht ist das sogenannte Weltrechtsprinzip | |
| verankert. Deshalb können hier Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch | |
| dann verfolgt werden, wenn Täter und Opfer keine Deutschen sind. Der | |
| Al-Khatib-Prozess, so Roth, sei ein Signal an die Syrerinnen und Syrer: | |
| „Wir haben euch nicht vergessen.“ | |
| Patrick Kroker vom ECCHR, der im Al-Khatib-Verfahren Folterüberlebende als | |
| Nebenkläger vertritt, hob positiv hervor, dass die deutschen Behörden aktiv | |
| wurden. Auch gegen den ehemaligen Leiter des syrischen | |
| Luftwaffengeheimdienstes Jamil Hassan wurde 2018 ein internationaler | |
| Haftbefehl verhängt. Insgesamt, so Kroker, führe der Generalbundesanwalt | |
| 110 Ermittlungsverfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. | |
| Allerdings würde „die Folter durch US-Militärangehörige seit 9/11 bisher | |
| nicht angefasst“. | |
| ## Unter den Beweisen sind auch die Caesar-Fotos | |
| Am Al-Khatib-Verfahren sei aber vieles richtig. Wichtige Beweise seien | |
| gesichert worden. Manche der etwa 20 Überlebenden, die als Nebenkläger | |
| auftreten, hätten schon ausgesagt. Auch [3][die sogenannten Caesar-Fotos | |
| von gestorbenen Häftlingen], die ein syrischer Militärfotograf aus dem Land | |
| schmuggeln konnte, sind als Beweise bereits eingebracht. Doch, so | |
| kritisierte Kroker, sei sexualisierte Gewalt bislang lediglich als | |
| spezifische Einzeltat eingestuft, nicht aber als Verbrechen gegen die | |
| Menschlichkeit. | |
| Dies bemängelte auch die syrische Anwältin und Frauenrechtlerin Joumana | |
| Seif. So sei sexualisierte Gewalt nicht Bestandteil des Haftbefehls gegen | |
| Hassan. Auch nicht bei den anderen Strafanzeigen, die das ECCHR 2017 gegen | |
| Mitglieder des Assad-Regimes stellte. Diese Opfer hätten „keinen Zugang zu | |
| Gerechtigkeit“. Auch vor dem ICC nicht, wie Leonie Steinl von der | |
| Humboldt-Universität ergänzte. Es habe dort noch keine rechtskräftige | |
| Verurteilung wegen sexualisierter und geschlechtspezifischer Gewalt | |
| gegeben. | |
| [4][Wassim Mukdad, Folterüberlebender und einer der Nebenkläger in | |
| Koblenz], betonte, wie wichtig der Koblenzer Prozess sei. Er erreiche aber | |
| die syrische Öffentlichkeit nur schwer. „Es ist komisch, dass alles auf | |
| Deutsch stattfindet, obwohl der Angeklagte und die Opfer Syrer sind“, sagte | |
| Mukdad. Im Gerichtssaal seien die deutschen Medien. Die arabischen | |
| versuchten draußen, Informationen über das Verfahren zu bekommen. „Die | |
| Zugangsschwelle für die arabische Öffentlichkeit ist zu hoch“, sagt auch | |
| Rechtsanwalt Kroker. | |
| 16 Nov 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
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