Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Olympische Spiele 1936: Sportfest in der Provinz
> 100 jüdische Leichtathleten trafen sich im Sommer 1936 im bayerischen
> Fürth. Einige davon hätten zu Olympia in Berlin zugelassen werden sollen.
Bild: Erich Klaber als Sportrichter (auf dem Stuhl)
Im Jahr 1931 erhielt Deutschland, als es noch ein demokratisches Land war,
den Zuschlag zur Ausrichtung der [1][XI. Olympischen Sommerspiele], die vom
1. bis zum 16. August 1936 in Berlin stattfanden. Nachdem die
Nationalsozialisten 1933 an die Macht gekommen waren und unverzüglich
staatliche Maßnahmen zur Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung
erließen, erwogen einige Länder anfänglich den Boykott der Olympiade –
allen voran die USA. Um die Kritiker zu befrieden, stellte das NS-Regime
daher die Teilnahme jüdischer Sportler in Aussicht.
Ein wichtiger Teil dieses Täuschungsprogramms waren Olympia-Lehrgänge für
jüdische Sportler, die 1934 und 1935 in der Sportschule Wilhelmshöhe im
badischen Ettlingen stattfanden; 27 Mitglieder des Sportklubs Schild, eine
Gründung des Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten (RJF), nahmen daran teil.
„Die Atmosphäre auf dem Sportplatz war unerträglich“, erinnerte sich ein
Teilnehmer. Es wimmelte von Nazis in Uniform, gegen massive Beleidigungen
und Störung wurde nicht vorgegangen. „Es war unter diesen Umständen nicht
verwunderlich, dass unsere Athleten nicht an ihre beste Leistungen
anknüpften und ausschieden.“
Statt nach Berlin zu fahren, trafen sich die Teilnehmer der
Pseudo-Olympiavorbereitung, darunter [2][Gretel Bergmann] und andere
RJF-Leichtathleten wie etwa Erich Klaber oder Julius Bendorf, daher bei
einem Sportfest im fränkischen Fürth. Dorthin hatten die RJF-Landesverbände
Berlin, Baden-Südwest und Württemberg-Bayern je eine Kampfmannschaft
entsandt“, berichtete Die Kraft, Organ des Sportbunds Schild in der Ausgabe
vom 28. August 1936.
## Etwas kühl und außerordentlich spannend
Am 23. August fiel, bei „schönem, für die Sportler allerdings etwas kühlem
Wetter“, der Startschuss zu den Wettkämpfen, wie die Zeitung schrieb. Die
genannten Verbände hatten ihre „stärkste Vertretung zur Stelle, sodass die
Kämpfe sich außerordentlich spannend gestalten“, meldete das Blatt.
Darunter Sportler, die sich von ihren Leistungen her eigentlich für die
Olympischen Spielen in Berlin hätten qualifizieren können – wie etwa die
legendäre Bergmann.
Die jüdische Ausnahmeathletin hatte mit Rekordleistungen in ihrer
Lieblingsdisziplin, dem Hochsprung, geglänzt. Bei den allgemeinen
württembergischen Meisterschaften errang sie im Juni 1936 den Meistertitel
und erreichte mit 1,60 Metern Höhe deutschen Rekord. Trotz dieser Leistung
wurde sie nicht für die Olympiade nominiert: „Sie werden aufgrund der in
letzter Zeit gezeigten Leistungen wohl selbst nicht mit einer Aufstellung
gerechnet haben“, lautet es zynisch und wahrheitswidrig in einem Schreiben
des „Deutschen Reichsbunds für Leibesübungen“. Das zuständige Fachamt
Leichtathletik bot Bergmann jedoch wegen „Ihres Fleißes und Ihrer
Einsatzbereitschaft“ gratis Stehplatzkarten für die Wettkämpfe an.
Das jüdische Sportfest fand auf dem Hinterhof einer Fürther Spedition
statt. Denn die städtischen Plätze und Anlagen blieben Juden verwehrt. Rund
1.000 Zuschauer verfolgten gespannt die Wettkämpfe der etwa 100 Aktiven.
Insbesondere die verhinderten „Olympioniken“ setzten sich in vielen
Disziplinen durch: Erich Klaber gewann den Hochsprung, das Kugelstoßen und
Diskuswerfen sowie den Sechskampf; Gretel Bergmann siegte in den
Wettbewerben 100-Meter-Lauf, Weitsprung, Speerwurf und Hochsprung. Wobei
sie mit 1,45 Metern Höhe ihren Rekord weit verfehlte.
Julius Bendorf gewann den 100-Meter-Lauf in 12,2 Sekunden und belegte den
dritten Platz beim Hochsprung. Die Zuschauer und auch die jüdische Presse
waren mit den Leistungen mehr als zufrieden, da „höchst erfreuliche
Resultate, ja teilweise Ergebnisse von Meisterschaftshöhe erzielt wurden“,
wie das Nürnberger-Fürther Israelitische Gemeindeblatt schrieb.
## Zwangsauflösung des Clubs wenig später
Der Wettkampf der RJF-Klubs war vermutlich eines der letzten große
überregionalen jüdische Sportereignisse in Fürth, obwohl mit dem
Jüdischen Sport-Club Fürth noch bis zur Zwangsauflösung 1939 ein
bedeutender und erfolgreicher Verein in der Stadt tätig war. Die Athleten
wurden 1937/38 von Erich Klaber, „Deutschlands bestem und vielseitigsten
jüdischen Sportler“ trainiert, so das jüdische Gemeindeblatt.
Gretel Bergmann konnte sich im Frühjahr 1937 in die USA retten. Im Alter
von 103 Jahren verstarb sie 2017 in New York City. Erich Klaber, der im
November 1938 nach Buchenwald verschleppt wurde, gelang im Herbst 1939
ebenfalls die Flucht in die USA. Er verstarb 80-jährig 1994 in Phoenix
(Arizona). Julius Bendorf überlebte mehrere Zwangsarbeiterlager und das KZ
Auschwitz. Nach der Befreiung arbeitete er für die US-amerikanischen
Besatzungsbehörden und emigrierte 1948 in die USA, wo er 2016 in Los
Angeles im Alter von 101 Jahren verstarb.
24 Jul 2024
## LINKS
[1] /Oympiastadion-mit-NS-Vergangenheit/!5972450
[2] /Sportjubilarin-Gretel-Bergmann/!5044413
## AUTOREN
Jim Tobias
## TAGS
Olympia 1936
Drittes Reich
Juden
Leichtathletik
Social-Auswahl
Museum
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Leichtathletik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wassersportmuseum Grünau: Rückkehr einer Sammlung
Lange sah es schlecht aus für das Wassersportmuseum Grünau. Nun ist das
Haus wiedereröffnet worden. Zu sehen gibt es vor allem Technik.
Arte-Dokudrama zu Olympia 1936: Was für ein Albtraum
Das Dokudrama „Der Traum von Olympia – Die Nazi-Spiele von 1936“ nervt
leider mit schlimmen Dialogen und spröder Erzählweise.
Berliner Olympia-Bewerbung: Opa erzählt vom Spirit
Prominente unterstützen fortan Berlins Olympia-Bewerbung. Auch Spitzenkoch
Tim Raue: Er schwärmt vom Spirit von 1936.
Sportjubilarin Gretel Bergmann: Die Alibi-Jüdin
Als Feigenblatt wurde die deutsche Hochspringerin Gretel Bergmann 1936 für
die Olympischen Spiele nominiert. Antreten ließ man sie nicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.