# taz.de -- Nordkorea-USA-Gipfel: Trumps Ablenkung | |
> Vor seinem Treffen mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un wirbt | |
> US-Präsident Donald Trump mit der Aussicht auf gelockerte | |
> Wirtschaftssanktionen. | |
Bild: Zwei, die sich mögen? Nein, Doubles bei der Arbeit | |
NEW YORK taz | Die größten Vorschusslorbeeren bekommt Kim Jong Un auch vor | |
dem zweiten Gipfel wieder vom US-Präsidenten. Donald Trump hat seine | |
Beziehung zu dem Nordkoreaner auf öffentliche Schmeicheleien umgestellt. | |
Noch vor zwei Jahren drohte er dem „kleinen Raketenmann“ mit „Feuer und | |
Wut“, wie die Welt sie noch nie gesehen habe. Jetzt spricht Trump von | |
seinem Vertrauen in den „Vorsitzenden Kim“, sagt: „wir haben uns ineinand… | |
verliebt“, und äußert sogar Neid, weil die Nordkoreaner so diszipliniert | |
vor Kim kuschen. O-Ton des US-Präsidenten: „Das hätte ich auch gern.“ | |
Trump bildet sich ein, dass er Kim, dessen Land eine neue Hungersnot droht, | |
mit der Aussicht auf Lockerung der Sanktionen auf seine Seite ziehen kann. | |
Aber ein klares Gipfelziel für Hanoi definierte Trump nicht. Stattdessen | |
ließ er Kim viel Spielraum bei der Ausgestaltung der „Denuklearisierung“, | |
um die es offiziell geht. „Solange sie keine weiteren Atombombentests | |
machen, gibt es keinen Grund zur Eile“, sagte Trump in Washington. Bevor er | |
am Montag nach Vietnam reiste, hatte er nicht einmal seine eigene | |
Definition vorgelegt, was er unter „Denuklearisierung“ versteht – | |
geschweige denn existiert eine gemeinsame nordkoreanisch-US-amerikanische | |
Definition von „Denuklearisierung“. | |
Für den US-Präsidenten ist auch das zweite Treffen mit Kim ein willkommenes | |
neues Ablenkungsmanöver. Mit dem ersten Kim-Gipfel in Singapur schaffte | |
Trump es, von seinem Ausstieg aus dem internationalen Iran-Atomabkommen | |
abzulenken und mehrere Tage lang die Schlagzeilen mit einer scheinbar | |
positiven Nachricht zu beherrschen. Dieses Mal will Trump sowohl von seinen | |
politischen Niederlagen zu Hause als auch weltweit ablenken: Der Shutdown, | |
mit dem Trump mehr als 800.000 BeamtInnen 35 Tage lang den Lohn gesperrt | |
hat, führte zu einer Niederlage. Seine „Notstandserklärung“ an der | |
Südgrenze ist denkbar unpopulär, und auch die Russland-Ermittlungen von | |
US-Sonderermittler Robert Mueller sollen kurz vor dem Abschluss stehen. | |
Außenpolitische Erfolge hat er zudem nicht vorzuweisen. | |
## Trump schäumte vor Wut | |
Der US-Präsident preist die Bereitschaft Kims zu Abrüstung und Frieden – | |
und sagt nichts mehr über die Folter, die politischen Morde und die anderen | |
Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea, die das US-Außenministerium noch | |
im Dezember detailliert in einem Bericht beschrieben hatte. Doch | |
MitarbeiterInnen des US-Präsidenten signalisierten Zweckpessimismus vor dem | |
Gipfel. Am deutlichsten ist der Republikaner Daniel Coats. Bei einer | |
Anhörung vor dem Senat erklärte der Direktor der „National Intelligence“ | |
Ende Januar, dass die US-Geheimdienste nicht erwarten, dass Kim seine | |
Atomwaffen bzw. deren Produktion komplett aufgeben werde. Coats’ | |
Begründung: Der Nordkoreaner betrachte diese Waffen als „wesentlich für das | |
Überleben seines Regimes“. | |
Trump, der Coats im Jahr 2017 in das Geheimdienstspitzenamt befördert hat, | |
soll im Weißen Haus vor Wut über dessen Auftritt bei der Anhörung geschäumt | |
haben. Dabei war der Geheimdienstchef keineswegs allein mit seiner | |
Einschätzung. Auch Trumps Außenminister Mike Pompeo warnt vor allzu viel | |
Optimismus. „Die Denuklearisierung wird eine lange und schwere Aufgabe“, | |
sagte er in einem Interview mit dem TV-Sender NBC kurz vor dem Gipfel. Und | |
Stephen Biegun, der Sonderbeauftragte der US-Regierung für Nordkorea, | |
stimmt seine Landsleute auf lange, schwierige Verhandlungen ein. In Sachen | |
der Massenvernichtungswaffen „liegt mehr Arbeit vor uns als hinter uns“, | |
sagte Biegun Ende Januar an der kalifornischen Stanford-Universität. Biegun | |
ist erst seit sechs Monaten im Amt. Er war mehrfach in Pjöngjang und hat | |
auch die Kontakte der US-Regierung zu den anderen Akteuren in der Region – | |
von Russland über China bis hin zu Südkorea und Japan – intensiviert. Ihm | |
stehen nordkoreanische DiplomatInnen gegenüber, die seit Jahren in das | |
Thema eingearbeitet sind, Nordkorea zurück auf die internationale Bühne zu | |
bringen. Nordkoreas ehemaliger Botschafter in London, der in die USA | |
geflohen ist, Thae Yong Ho, geht noch einen Schritt weiter. Er erklärte im | |
Januar, dass die Gefahr der Weiterverbreitung von Atomwaffen steige, falls | |
Trump in Hanoi keinen „Deal“ hinkriegt. | |
## Ein symbolischer Erfolg | |
Dennoch könnte der Gipfel auch dann zu einem symbolischen Erfolg für Trump | |
werden, wenn er keine substanziellen Fortschritte bei der nuklearen | |
Abrüstung macht. Er ist der erste US-Präsident seit fast 60 Jahren, der | |
einen Kontakt an der Spitze mit Nordkorea hergestellt hat. Und nachdem | |
seine Amtsvorgänger trotz wiederholter Versuche überhaupt keine Annäherung | |
mit Nordkorea hingekriegt haben, kann er schon jetzt auf mehrere | |
Fortschritte verweisen. So hat Pjöngjang die sterblichen Reste von mehreren | |
tausend im Koreakrieg gefallenen US-Soldaten nach Washington geschickt und | |
hält zum ersten Mal seit langer Zeit keine politischen Gefangenen aus den | |
USA hinter Gittern. | |
Weiße-Haus-MitarbeiterInnen hoffen, dass Kim in Hanoi zumindest eine kleine | |
Reduzierung seiner Atomwaffen sowie die Zerstörung von möglicherweise einer | |
Atomwaffenfabrik anbieten wird. Zur Belohnung hat Trump seinem neuen Freund | |
bereits eine teilweise Aufhebung der Wirtschaftssanktionen angeboten. Darin | |
stecken, so das Weiße Haus, völlig neue ökonomische Entwicklungsmöglichkeit | |
für Nordkorea. | |
27 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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