# taz.de -- Nominierungsrede von Joe Biden: „Ich werde Amerika beschützen“ | |
> Zum Ende des Parteitags der US-Demokraten hält Präsidentschaftskandidat | |
> Biden seine bislang stärkste Rede. Parteilinke kamen kaum zu Wort. | |
Bild: Coronavirus eindämmen, Klimawandel bekämpfen, Sozialsystem verbessern: … | |
NEW YORK taz | 33 Jahre nach seinem ersten Anlauf auf das Weiße Haus hat | |
Joe Biden die Nominierung zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten | |
geschafft: Am Donnerstag hielt er seine bislang präsidentiellste Rede. | |
Zum Abschluss des [1][viertägigen virtuellen Parteitags] wechselte der | |
77-Jährige in einer langen Rede zwischen Privatem und Politischem, sprach | |
über Familientragödien, Trauer und den Sinn des Lebens. Und [2][attackierte | |
den gegenwärtigen Präsidenten frontal]: von dessen Versagen bei der | |
Bekämpfung der Pandemie über das Fehlen von Antworten auf die | |
Massenarbeitslosigkeit und die Abkehr von jeder Klimapolitik bis hin zu | |
seinem Mangel an Einfühlungsvermögen. Außenpolitik kam fast ausschließlich | |
in Form von Muskelspielen gegenüber Moskau vor. | |
Biden sagte seinen Landsleuten, dass er sie „schützen“ werde. An seinem | |
ersten Tag im Weißen Haus will er etwas vorstellen, das Donald Trump in dem | |
halben Jahr seit dem Beginn der Pandemie nicht hinbekommen habe: einen Plan | |
für den Umgang mit der Pandemie. Unter anderem will er eine allgemeine | |
Maskenpflicht einführen. Trump habe immer noch nicht verstanden, dass sich | |
die Wirtschaft ohne die Eindämmung des Virus nicht erholen könne, | |
kritisierte er. | |
Außerdem versprach Biden Millionen neuer Jobs – unter anderem bei der | |
Entwicklung neuer Technologien gegen den Klimawandel. Im Gegensatz zu Trump | |
[3][sprach Biden das Thema Klimawandel nicht nur an], sondern nannte es | |
„zugleich eine Krise und eine Chance“, in der die USA „die Welt führen“ | |
könnten. Zur Finanzierung seiner Vorhaben kündigte Biden eine | |
Steuerreformen an, die Trumps massive Steuergeschenke an Spitzenverdiener | |
rückgängig machen würde. | |
## Ein Parteitag wie nie zuvor | |
Darüber hinaus sagte Biden zu, das er das Sozialversicherungssystem, an | |
dessen Aushöhlung Trump arbeitet, verteidigen und mehr Menschen Zugang zu | |
Krankenversicherungen verschaffen werde. Biden erwähnte auch George Floyd | |
und andere AfroamerikanerInnen und sagte, dass er glaube, sein Land sei | |
reif für die Überwindung des „systemischen Rassismus“. | |
Bevor Biden mit der Rede an seinem Wohnort Wilmington in Delaware den | |
virtuellen Parteitag beendete, hat die Demokratische Partei vier Abende | |
lang eine perfekt inszenierte Schau vorgelegt. Dabei kamen mehr als 300 | |
RednerInnen vor. Weil die meisten von ihnen aus Wohnzimmern und Büros | |
sprachen und weil es weder Zwischenrufe noch Live-Applaus gab, kamen sehr | |
viel mehr Leute auf eine sehr viel stärker von der Partei kontrollierte | |
Weise zu Wort als bei früheren Parteitagen. Die meisten Beiträge waren | |
vorproduziert und mussten vorab eingereicht werden. | |
Unter den RednerInnen waren ehemalige Präsidenten (Jimmy Carter, Bill | |
Clinton und Barack Obama), die meisten der zwei Dutzend DemokratInnen, die | |
im vergangenen Jahr mit Biden im Rennen waren, sowie jede Menge | |
RepublikanerInnen – ehemalige GouverneurInnen, ehemalige MitarbeiterInnen | |
von Trump und reumütige WählerInnen des gegenwärtigen Präsidenten. | |
Alle forderten zu einer Wahl von Biden auf. Obama sprach von dem | |
andernfalls drohenden Ende der US-Demokratie. Die 2016 gescheiterte | |
Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton warnte davor, dass eine | |
Präsidentschaftskandidatur selbst mit drei Millionen mehr Stimmen scheitern | |
könne – wie ihr Beispiel gezeigt habe. Die Botschaft aller Redner lautete: | |
Geht wählen. Und wählt Biden. | |
## Sanders appelliert an widerstrebende AnhängerInnen | |
Bidens Kandidatin für die Vizepräsidentschaft hatte schon am Mittwochabend | |
gesprochen. [4][Kamala Harris, die eine scharfe politische Rednerin ist], | |
konzentrierte sich auf dem Parteitag auf ihre persönliche Geschichte. Sie | |
sprach über ihre aus Jamaika und Indien eingewanderten Eltern – und | |
beschrieb sich selbst wie eine Re-Inkarnation der alten US-amerikanischen | |
Erfolgsgeschichte. | |
Die Parteilinken, die eine zentrale Rolle bei den Protesten gegen Trump und | |
im demokratischen Vorwahlkampf gespielt haben, gingen bei dem perfekt | |
inszenierten Parteitag weitgehend unter. Bloß Bernie Sanders, der stärkste | |
Widersacher von Biden, kam mehrfach zu Wort. | |
Sanders appellierte an seine widerstrebenden AnhängerInnen, im November | |
Biden zu wählen: „Wir haben keine Wahl.“ Er sagte ihnen aber auch, dass | |
anschließend eine massive Mobilisierung notwendig sei, um Biden, der dem | |
rechten Flügel der Partei angehört, zu der richtigen Politik zu bringen. | |
Der aufsteigende [5][junge Star der Parteilinken, Alexandria | |
Ocasio-Cortez], bekam von den OrganisatorInnen nur 60 Sekunden Redezeit. | |
Andere Parteilinke, darunter Senator Sherrod Brown aus Ohio, wo Trump 2016 | |
viele Stimmen von ArbeiterInnen bekommen hatte, und New Yorks Bürgermeister | |
Bill de Blasio, der ebenfalls im Vorwahlkampf angetreten war, kamen | |
überhaupt nicht zu Wort. | |
Statt ihrer durften zahlreiche VertreterInnen aus der Zivilgesellschaft in | |
kurzen Videos auftreten. Unter ihnen waren mehr Leute mit dunklen | |
Hautfarben als je zuvor bei einem Parteitag in den USA und zugleich mehr | |
Frauen. Es ging darum, [6][Einheit und Diversität zu demonstrieren]. Zu | |
zeigen, dass die DemokratInnen das echte Land spiegeln. Nicht das | |
rückwärtsgewandte Milieu von wütenden, weißen Männern, die rote „Make | |
Amerika Great Again“-Mützchen tragen und Trump zujubeln. | |
Wenige Stunden vor Bidens Rede versuchte Trump ein weiteres | |
Ablenkungsmanöver. Er machte eine Wahlkampfvisite in Bidens Geburtsort | |
Scranton in Pennsylvania. Der Bundesstaat ist einer jener, die Trump 2016 | |
zum Wahlsieg verholfen hatten und die Biden im November gewinnen müsste, um | |
zu siegen. | |
Am Montag beginnt Trumps eigener Parteitag. Dass Trump dabei eine ähnlich | |
breit gefächerte Unterstützung bekommt wie Biden, ist ausgeschlossen. Auch | |
für den – ebenfalls mehrheitlich virtuellen – Ablauf haben die | |
DemokratInnen einen hohen Maßstab gesetzt. | |
21 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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