# taz.de -- Neues Projekt von Stefan Niggemeier: Kritik für Kritische | |
> Das Onlinemagazin Übermedien.de sucht zum Start am Mittwoch zahlende | |
> AbonnentInnen. Die Inhalte stehen hinter einem „Payfence“. | |
Bild: Zwei Vollbärte vor Betonfototapete: Rosenkranz und Niggemeier an der Tas… | |
Berlin taz | Zwei Träume hat Stefan Niggemeier. Na gut, drei. Aber die | |
Fototapete mit Betonoptik hat er ja schon. Sie hängt im zum TV-Studio | |
umgebauten Hinterzimmer seines Büros in Prenzlauer Berg. Von hier sollen | |
die anderen beiden Träume gemeinsam mit seinem Kollegen Boris Rosenkranz | |
Wirklichkeit werden: Sie wollen erstens von ihrer Arbeit an Übermedien | |
leben können. Und zweitens weitere Mitarbeiter beschäftigen können. | |
[1][Übermedien.de] ist das neue Medienkritik-Portal, das der | |
Bildblog-Gründer, ehemalige SZ-/taz-/Spiegel- und Immer-noch-FAZ-Schreiber | |
Niggemeier gemeinsam mit dem „Zapp“-Autor Rosenkranz, der auch mal für die | |
taz gearbeitet hat, hochgezogen hat. Medienkritik im Netz soll es bieten – | |
als Text und Karikatur, in Fotostrecken und moderierten Videos (dafür das | |
Studio mit Betontapete). Start ist an diesem Mittwoch. Dann sollen nicht | |
nur LeserInnen gewonnen werden, sondern auch AbonnentInnen. Denn nur durch | |
sie können die Träume Realität werden. | |
Dafür ziehen Rosenkranz und Niggemeier eine Paywall hoch, allerdings eine | |
durchlässige, also eher einen Payfence: Einige Beiträge sollen zunächst nur | |
den AbonnentInnen zur Verfügung stehen und erst eine Woche später allen | |
zugänglich sein. Technisch umgesetzt wird das Ganze mithilfe [2][des | |
Onlinekiosks Blendle], der die Verwaltung der AbonnentInnen übernehmen | |
wird. 3,99 Euro soll der exklusive Zugang pro Monat kosten, abzüglich | |
Steuern und Ausgaben blieben davon weniger als 3 Euro bei ihnen, sagen die | |
Macher. Deshalb müssten es schon „ein paar Tausend“ Abonnenten sein, damit | |
sich das rechnet, sagt Rosenkranz. | |
Den beiden fiel und fällt es ebenso schwer wie fast allen Medienmenschen, | |
das richtige Maß zu finden: Wie viel Exklusivität soll es für die | |
Abonnenten geben? Wie viel Geld kann man verlangen? Wie viel Reichweite | |
geht dadurch verloren? Solange all diese Fragen unbeantwortet sind, werden | |
Rosenkranz und Niggemeier deshalb auch weiter ihren bisherigen Jobs beim | |
NDR und der FAZ nachgehen. | |
## Unabhängigkeit dank Leserfinanzierung | |
Arbeitgeber, die sie bei Übermedien potenziell auch mal kritisieren wollen | |
und müssen. Niggemeier ist sich dieser „Schizophrenie“ bewusst. Übermedien | |
könnte sie auflösen, wenn es durch die Leserfinanzierung unabhängig von | |
einem Verlag oder Sponsor ist. „In Zeiten von Pegida und ‚Lügenpresse‘ | |
braucht es Medienkritik, die sich zwischen den Stühlen bewegt“, sagt | |
Rosenkranz. | |
Bei Übermedien soll die Exklusivität größer sein als bei Niggemeiers | |
letztem großen Onlineportal-Versuch: den [3][Krautreportern]. Stefan | |
Niggemeier und andere schrieben damals sowohl für das AutorInnenportal als | |
auch in ihren persönlichen Blogs. Diesmal sagt er: „Wer Niggemeier will, | |
muss Übermedien lesen.“ | |
Überhaupt, die Krautreporter: Warum sollte mit Übermedien klappen, was dort | |
schiefging? Schließlich hat Niggemeier die Krautreporter vor einem halben | |
Jahr verlassen. „Es braucht eine publizistische Idee, die hatte | |
Krautreporter nicht.“ | |
## Videocollage mit Xavier | |
Übermedien hat sie. Das erste Lebenszeichen des Projekts erschien Ende | |
November im Netz, rund um die Aufregung um Xavier Naidoo und seine | |
Teilnahme am Eurovision Song Contest. Es ist [4][ein Video], das mit der | |
Frage beginnt: Warum bist du die beste Besetzung für Deutschland? Es folgt | |
ein Zusammenschnitt aus Naidoos „Ähms“ – „Ich weiß nicht“ – „Bi… | |
Richtige?“ Eine simple Collage, die die Hysterie um Naidoo nüchtern, aber | |
pointiert zusammenfasst – eine Vorschau auf das, was Übermedien leisten | |
will: „unterhalten, aber auch wehtun“, so Rosenkranz. „Und wir wollen uns | |
zwingen, auch Beispiele für gelungene Berichterstattung zu zeigen.“ | |
Niggemeier und Rosenkranz finden, dass es in Deutschland an guter | |
Medienkritik fehlt – im Moment mehr denn je. „Die politischen Diskussionen | |
werden in Zukunft auch immer stärker zu Medienkritik werden. Das sieht man | |
jetzt in Köln, aber auch am Beispiel der Flüchtlingsberichterstattung“, | |
sagt Stefan Niggemeier. Er sieht seine Aufgabe daher darin, aufzudröseln, | |
wo Medien falschliegen und warum. | |
Nur, ist das nicht auch gefährlich? Gibt man damit nicht denen Futter, die | |
überall Verschwörung und „Lügenpresse“ wittern? | |
„Nein“, sagt Niggemeier, „wir dürfen die Medienkritik nicht denen | |
überlassen, die am lautesten sind.“ Dass sie die Lauten nicht erreichen, | |
darauf stellen sich Rosenkranz und Niggemeier ein. „Aber es gibt eine Menge | |
kritischer Medienkonsumenten, die das Vertrauen in die Presse noch nicht | |
ganz verloren haben“, sagt Rosenkranz. In deren Mischung aus berechtigter | |
und unberechtigter Kritik soll Übermedien Ordnung bringen – und hoffentlich | |
dafür sorgen, dass Journalisten gezwungen werden, Fehler zuzugeben und zu | |
berichtigen. | |
13 Jan 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://uebermedien.de/ | |
[2] /Journalismus-im-Netz/!5232053/ | |
[3] /Ein-Jahr-%E2%80%9EKrautreporter%E2%80%9C/!5203580/ | |
[4] https://www.facebook.com/uebermedien/videos/852931854805458/ | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
Jürn Kruse | |
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