| # taz.de -- Neues Polizeigesetz im Kieler Landtag: „Auf Kinder schießt man n… | |
| > Am Freitag beschließt der Kieler Landtag ein Polizeigesetz, das den | |
| > Beamt*innen mehr Befugnisse im Einsatz einräumt. | |
| Bild: Kein Spaß: Die Befugnis zum finalen Rettungsschuss auf Kinder wird im Po… | |
| Hamburg taz | Der Auftakt der schleswig-holsteinischen Haushaltsberatungen | |
| sorgte am Mittwoch für Protest: drei Demonstrationen auf einmal erschwerten | |
| das Abstandhalten vor dem Kieler Landtag. Die Protestierenden plädierten | |
| für eine bessere Finanzierung der schleswig-holsteinischen Frauenhäuser, | |
| ein Atomwaffenverbot und gegen die geplante und umstrittene Änderung des | |
| Polizeigesetzes, die der Landtag am Freitag mit den Stimmen der | |
| Jamaika-Koalition beschließen will. Unter dem Motto „Gegen Repression und | |
| Überwachung“ hatte das „Bündnis gegen das Polizeigesetz“ zum | |
| „coronagerechten Protest“ aufgerufen, was in der Praxis hieß: Maskengebot | |
| statt Vermmumungsgebot! | |
| Das Bündnis formuliert [1][auf seiner Homepage eine fundamentale Kritik] | |
| gegen die Novelle. Plakativ unterstellt es den Urheber*innen des | |
| Entwurfes, den „unerklärlichen Wunsch, auf Kinder schießen zu dürfen.“ Es | |
| spielt damit auf einen Passus des Gesetzes an, nachdem Polizist*innen | |
| gezielt auch auf Jugendliche unter 14 Jahre schießen dürfen um Extremlagen | |
| aufzulösen. | |
| Der grüne Sicherheitspolitiker [2][Burkhard Peters,] der an dem Gesetz | |
| mitgestrickt hat, nennt als möglichen Anlass für einen solchen finalen | |
| Rettungsschuß auf Kinder einen Amoklauf an einer Schule, bei dem das Leben | |
| anderer Kinder bedroht ist. Bislang gab es ein solches Szenario in | |
| Deutschland noch nicht. | |
| Neben dem Bündnis und der Linken hat auch die oppositionelle SPD massive | |
| Bedenken gegen diese Befugniserweiterung. „Auf Kinder schießt man nicht“, | |
| sagt die innenpolitische Sprecherin der SPD, Kathrin Bockey. Diese | |
| „politische Verschiebung von ethischer Verantwortung“ sei „ein Dammbruch�… | |
| den die SPD nicht mitmache. Peters hält dagegen, das Strafgesetzbuch | |
| schreibe heute schon vor, dass ein Polizist unter sehr eingegrenzten | |
| Umständen auch auf ein Kind schießen müsse. Der Schusswaffengebrauch | |
| gegenüber Kindern werde seit Jahren in den Länder-Polizeigesetzen geregelt | |
| – auch in Bundesländern, die von der SPD regiert werden. | |
| Der umstrittene [3][Gesetzentwurf] erlaubt den Polizeibeamt*innen | |
| ausdrücklich den „finalen Rettungsschuss“. Dabei schießen die Beamten | |
| gezielt auf lebenswichtige Organe, um eine*n Geiselnehmer*in oder | |
| terroristische*n Gewalttäter*in zu töten, sofern dies das einzige | |
| mögliche Mittel der Gefahrenabwehr ist. Explizit einbezogen sind hier auch | |
| Täter*innen, die noch nicht 14 Jahre alt sind. | |
| ## Der „finale Rettungsschuß“ wird offiziell erlaubt | |
| Neben dem „Kindstötungs-Paragraphen“ ist vor allem die Einschränkung von | |
| Freiheitsrechten, die das Gesetz schon im Verdachtsfall vorsieht, | |
| umstritten. Zur Vermeidung von terroristischen Anschlägen darf die Polizei | |
| in Zukunft ihr verdächtig vorkommende Personen dazu zwingen, sich nicht nur | |
| regelmäßig in einer Dienststelle zu melden, sondern – wenn ein*e | |
| Richter*in dem zustimmt – bei Terrorverdächtigen auch eine elektronische | |
| Fußfessel anlegen, um den Aufenthaltsort permanent zu überwachen. „Damit | |
| wird Menschen, die gegen kein Gesetz verstoßen haben, die Bewegungs- und | |
| Handlungsfreiheit weitgehend entzogen“, kritisiert das Bündnis. | |
| Auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) warnt davor, „dass die | |
| Polizei bereits dann tief in Grundrechte eingreifen kann, wenn sie nur den | |
| vagen Verdacht hat, dass von einer Person in Zukunft eine Gefahr ausgehen | |
| könnte.“ Damit setze Schleswig-Holstein die Schwelle für schwerwiegende | |
| Eingriffe massiv herab – mit klar verfassungswidrigen Vorschriften, sagt | |
| Bijan Moini, Jurist der GFF. Er klagt: „Meldeauflagen und Fußfesseln sind | |
| extrem stigmatisierend und schränken die Betroffenen massiv ein.“ Die | |
| Novelle gehe damit weit über entsprechende Befugnisse in anderen | |
| Polizeigesetzen hinaus. | |
| ## Lässt Racial Profiling sich einfach verbieten? | |
| Das stimmt nur zum Teil: So können etwa auch in Niedersachsen und Hamburg | |
| nach den im vergangenen Jahr verabschiedeten Polizeigesetzen | |
| Terrorverdächtige durch elektronische Fußfesseln überwacht werden. In | |
| Niedersachsen tragen derzeit vier Personen eine solche Fußfessel, | |
| Innenministerin Barbara Havliza (CDU) will den Einsatz der Detektoren | |
| jedoch in den kommenden Jahren massiv ausweiten. Und bundesweit ist nur in | |
| Bremen der finale Rettungsschuss gegen unter 14-jährige nicht zulässig. | |
| Das neue Polizeigesetz rüstet die schleswig-holsteinischen Einsatztruppen | |
| zudem mit Elektroschockern und Bodycams sowie mit erweiterten | |
| Festnahmebefugnissen aus. Die Ausweitung der polizeilichen Instrumentarien | |
| ist für die Grünen schwer mitzutragen. „Natürlich konnten wir uns nicht mit | |
| allem durchsetzen.“, räumt Peters ein. Ihm sei vor allem wichtig, dass in | |
| dem Polizeigesetz Racial Profiling untersagt werde. „Da sind wir uns mit | |
| der Polizei einig und haben mit der Formulierung im Gesetz ein deutliches | |
| Zeichen gegen Diskriminierung gesetzt“, freut sich der Grüne. | |
| Das Bündnis gegen das Gesetz sieht das ganz anders: Dass in der Praxis von | |
| der Polizei überdurchschnittlich häufig People of Color kontrolliert und | |
| durchsucht werden, liege nicht an den Gesetzesgrundlagen, sondern an den | |
| rassistischen Stereotypen in den Köpfen der Polizist*innen. | |
| 24 Feb 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.polizeigesetz-sh.de/ | |
| [2] https://sh-gruene-fraktion.de/pressemitteilung/wir-reformieren-das-polizeir… | |
| [3] http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/02100/drucksache-19-02118… | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Carini | |
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