| # taz.de -- Neues Kabinett in Tunesien: Parteien-Ragout regiert in Tunis | |
| > Vier Monate nach der Wahl in Tunesien billigt das Parlament eine neue | |
| > Regierung. Es ist eine bunte Koalition mit fast allen Kräften. | |
| Bild: Tunesiens neuer Premier Fakhfakh (links) bei der Vereidigungszeremonie mi… | |
| Tunis taz | Nach vier Monaten Wartezeit hat Tunesien endlich eine neue | |
| Regierung. Am Mittwochnachmittag stimmten 129 Abgeordneten für und 77 gegen | |
| die Regierung von Ministerpräsident Elyes Fakhfakh und seine 32 Minister, | |
| die bereits in dieser Woche ihre Amtsgeschäfte aufnehmen werden. | |
| Fakhfakh hatte dem Parlament nach Kritik an seiner Ministerliste eine | |
| zweite Version vorgelegt, der schließlich auch die moderaten Islamisten der | |
| Ennahda-Partei zustimmten, da ihnen sechs Minister zugestanden wurden. | |
| Damit ist der Regierungswechsel nach den [1][Wahlen vom Oktober 2019] | |
| komplett. Der damals gewählte neue Präsident [2][Kais Saied] beauftragte | |
| nach seinem Sieg ursprünglich [3][Ennahda als größte Partei] im Parlament | |
| mit der Regierungsbildung. | |
| Die moderaten Islamisten scheiterten jedoch an dem Widerstand der | |
| restlichen Parteien – an erster Stelle die PDL von Abir Moussi mit 17 | |
| Sitzen und die Partei Qalb Tunis, des Geschäftsmanns Nabil Karoui, | |
| wichtigster Konkurrent Saieds bei den Präsidentschaftswahlen, der über | |
| Monate wegen angeblicher Geldwäsche in Untersuchungshaft saß. | |
| Die anschließende zähe Regierungsbildung hatte Präsident Saied dazu | |
| veranlasst, mit der Ausrufung von Neuwahlen zu drohen, sollte der | |
| designierte Premierminister Fakhfakh scheitern. Die zukünftige Regierung | |
| besteht nun aus einer ungewöhnlichen Koalition, auf sozialen Medien als | |
| „Schakschuka-Regierung“ verhöhnt, angelehnt an ein ragoutähnliches | |
| tunesisches Nationalgericht. | |
| Der als liberal geltende Fakhfakh konnte mit der Berufung von 17 | |
| parteiunabhängigen Kandidaten die politische Pattsituation aufbrechen, die | |
| auch Tunesiens Wirtschaft lähmt. Mit der panarabistischen Chaab, linken | |
| Splitterparteien, neoliberalen parteiunabhängigen Ministern und den | |
| moderaten Islamisten der Ennahda ist bis auf die ehemaligen | |
| Ben-Ali-Regimeanhänger das gesamte politische Spektrum vertreten. Auch | |
| die Partei des bisherigen Premierministers Youssef Chahed ist mit zwei | |
| Ministern dabei. | |
| ## Dringend IWF-Gelder benötigt | |
| Der zukünftige Finanzminister Nizar Yaiche wird wohl schon bald unpopuläre | |
| Entscheidungen treffen müssen, um den nach der Revolution von 2011 | |
| aufgehäuften Schuldenberg in Höhe von 3 Milliarden Dollar abzubauen. Eine | |
| vom IWF versprochene Kreditauszahlung wird schon benötigt, um die Gehälter | |
| der öffentlichen Angestellten im April zu zahlen. | |
| Doch der IWF verknüpft wie auch die EU weitere Tunesien-Hilfen an | |
| zahlreiche Reformen und Antikorruptionsmaßnahmen. Die Finanzämter treiben | |
| aufgrund der grassierenden Korruption immer weniger Steuern ein, während | |
| die Zahl der Staatsbediensteten stetig stieg. | |
| Doch selbst die Maßnahmen wie eine nötige Anhebung der Wasser- oder | |
| Stromgebühren fürchten die Parteien umzusetzen. Bei einer Arbeitslosigkeit | |
| von 15 Prozent rund um Tunis und weit über 30 Prozent in den küstenfernen | |
| Regionen könnten schnell wieder soziale Proteste ausbrechen. | |
| 27 Feb 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mirco Keilberth | |
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