| # taz.de -- Neues Album von International Music: Kernobst mit sehr viel Hall | |
| > Das Essener Trio International Music veröffentlicht mit „Ententraum“ ein | |
| > merkwürdig sattes Indierockalbum. Ihr größter Einfluss ist indes: Der | |
| > Peter! | |
| Bild: Wahrscheinlich zu viel Stechapfel: International Music am Boden | |
| Am Anfang rauscht Wasser. Monotone Gitarren, dumpfe Trommeln. Synthies, die | |
| wie Dudelsack-Fanfaren klingen. Dann dreht Peter Rubel den Verstärker auf – | |
| zwei glorreiche Akkorde. Dadadamm! „Fürst von Metternich“, Auftaktsong des | |
| neuen Albums von International Music, klingt grandios. International Music | |
| ist ein Trio aus Essen, das mit seinem Sound tief in die Vergangenheit | |
| getaucht ist. | |
| Referenzen und Genres wirbeln nur so durcheinander, wenn von der Songkunst | |
| von Gitarrist Peter Rubel, Bassist Pedro Goncalves Crescenti und Drummer | |
| Joel Roters die Rede ist. Manche hören [1][Psychedelic und Shoegaze] aus | |
| ihrem eigenwilligen Amalgam, andere Indie und Country. | |
| „Als hätten sich The Jesus and Mary Chain 1984 in Wattenscheid gegründet | |
| und das Ende des Bergbaus vertont“, schrieb ein Kritiker, eine andere | |
| erkannte Wiedergänger von The Velvet Underground und [2][Can.] | |
| Man darf davon ausgehen, dass International Music ein paar dieser Bands | |
| kennen. Vielleicht haben sie aber auch nur kurze Sequenzen in einer | |
| Streaming-Playlist gehört, wie das nun mal so ist, wenn man in den zehner | |
| Jahren studiert hat. Pedro Crescenti und Peter Rubel, die sich noch aus | |
| Schulzeiten in Mainz kennen und dann gemeinsam zum Studium nach Essen | |
| gezogen sind, haben ihre eigene Prägung. | |
| ## Größter Einfluss: Der Peter! | |
| „Immer wenn ich nach Bands gefragt werde, die mir wichtig sind, sage ich: | |
| Der Peter!“, versichert Crescenti, Jahrgang 1992, glaubwürdig, während er | |
| tiefenentspannt im Zoomcall sitzt. „Kennengelernt haben wir uns als | |
| 14-Jährige, um zusammen eine Rockband zu gründen. Wir haben uns damals kaum | |
| etwas vorgespielt, sondern immer alles selbst gemacht. Wir selbst sind | |
| unser größter musikalischer Einfluss!“ Es ist eine Herausforderung, über | |
| diese Band zu schreiben. | |
| Jeder einzelne ihrer neuen 17 Songs auf dem Doppelalbum „Ententraum“ | |
| enthält so viele charmante Merkwürdigkeiten und akustische Details, | |
| liebevoll und mit großem Gespür für Melodien montiert, dass einem der Kopf | |
| schwirrt. Als habe man vom glänzenden Stechapfel genascht, der wurmstichig | |
| das Cover ziert. Wo sonst ein Blatt wäre, erwächst dem Kernobst eine | |
| Vogelfeder. Die Entrücktheit der Musik – sie deutet sich schon hier an. | |
| „Wassermann“ ist [3][Neue-Deutsche-Welle-Sound] auf Pilzen, in „Kopf der | |
| Band“ klingen sanft verträumte Tropicalia-Einflüsse an. Überwältigend auch | |
| „Spiel Bass“: Der Song beginnt als unbarmherziger Postpunk im Stile von | |
| Gang of Four und mündet in trippigen Dub, garniert mit Congas. Und immer | |
| ganz viel Hall drauf. „Das macht das Gefühl eines Liedes aus“, kommentiert | |
| Crescenti. „Wir mögen viel Hall, es haben sich schon Leute beschwert, dass | |
| man unsere Texte nicht versteht. Aber Hauptsache, es klingt schön.“ | |
| ## Interessantes Puzzle | |
| International Music haben interessante Puzzleteile von früher aufgelesen | |
| und anarchisch und doch vollkommen logisch zu neuen Mosaiken | |
| zusammengesetzt. „Ententraum“, das gleich in den Top 15 der Charts landete, | |
| ist mit Lust am mehrstimmigem Gesang im ersten Pandemiejahr entstanden – | |
| aufgenommen im Essener Proberaum des Trios. Natürlich ist das auch: | |
| verzerrter, rougher Rock ’n’ Roll, wie er noch immer zur Genüge von | |
| Künstlern in engen Jeans praktiziert wird, die bereits am Knöchel enden. | |
| Doch International Music haben so gar nichts von dem Machogestus der | |
| [4][Wiener Denimträger Wanda] und auch nichts von der selbstverliebten | |
| Säuferschwermut von Isolation Berlin. | |
| Sie pflegen zwar ein gewisses Hipstertum, scheinen aber keine Sekunde | |
| darauf verschwendet zu haben, ob ihre Texte als „cool“ gelesen werden | |
| könnten. Auf dem neuen Album klingt eine Aussage wie „Mein Herz schlägt | |
| immer für dich“ tatsächlich vollkommen lakonisch. Wie alle | |
| Künstler:Innen mag Pedro Crescenti seine Kunst nur ungern selbst | |
| analysieren. Texte und Titel von International Music entstehen in einem | |
| lautmalerischen Spiel, oftmals im Proberaum: „Die Sprache ist eklektisch“, | |
| reimen die Musiker in dem Song „Truth is not objective“. | |
| „Die Erosion meiner Lust ist die Korrosion unserer Liebe“. Wie kommt man | |
| auf solche Gedanken? „Sprache geht durch Mark und Bein, Gesang muss sofort | |
| aufgenommen werden!“, erklärt Pedro Crescenti, verrät aber nicht zu viel. | |
| „Textzeilen entstehen aus dem, was sich einprägt und hängen bleibt. Was man | |
| auch noch parat hat, wenn man sich erst nach Wochen wieder trifft.“ | |
| Peter und Pedro, die so produktiv sind, dass sie nebenbei noch die nicht | |
| minder famose Band Düsseldorf Düsterboys anführen, sind die Köpfe der Band. | |
| Oder etwa nicht? Das grüblerische Lied „Kopf der Band“ ist so etwas wie der | |
| Signatursong des Trios, mittlerweile hat jedes Bandmitglied seine eigene | |
| Version. Fast ist man geneigt, zu behaupten: Dies ist die frechste | |
| deutschsingende Gitarrenband seit Tocotronic. Wo die Hanseaten beim zweiten | |
| Album noch in ihrer Schrammelphase steckten, sind International Music | |
| musikalisch schon weiter. „Ententraum“ ist das bisher rätselhafteste Album | |
| des Jahres. | |
| 13 May 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Paersch | |
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