# taz.de -- Neuer Lucky-Luke-Comic: Gefilte Fisch im Wilden Westen | |
> Lucky Luke, der „poor lonesome cowboy“, ist zurück. „Das gelobte Land�… | |
> widmet sich den Abenteuern jüdischer Auswanderer. | |
Bild: Hava Nagila im Mondschein. Lucky Luke auf dem Weg ins gelobte Land | |
Setzt sich hier ein Cowboy zur Ruhe? Er macht es sich unter einem Baum | |
gemütlich, während eine Herde Kühe grast und im gepflegten Dialog | |
untereinander Zufriedenheit bekundet über die leckere Wiese, zu der sie | |
geführt wurden. Lucky Luke, der sonst ein aufregenderes Leben führt, geht | |
hier eher untypisch seiner eigentlichen Profession nach. Natürlich dauert | |
diese Idylle nicht lange an. Luke muss für einen alten Kollegen – Jack | |
Loser, der eigentlich Jakob Stern heißt –, seine aus Europa ausgewanderten | |
Verwandten in St. Louis abholen und sicher zu Angehörigen nach Chelm (!) | |
City in Montana geleiten. | |
Das kürzlich erschienene neue „Lucky Luke“-Album ist, nach den einseitigen | |
Strips um „Lucky Kid“, wieder ein längeres Abenteuer, von Zeichner Achdé | |
(Hervé Darmenton), dem Nachfolger des 2001 verstorbenen Serienschöpfers | |
Morris, gewohnt stilgetreu entworfen und illustriert. Nach wechselnden | |
Szenaristen hat sich diesmal erstmals der 42-jährige Franzose Jul (Julien | |
Berjeaut) daran gewagt, in die Fußstapfen von René Goscinny zu treten, dem | |
Comic-Autor, der die Westernserie zusammen mit Morris zur Blüte führte. | |
Jul hat als Comic-Autor und Karikaturist bislang etwa die witzige | |
Steinzeitserie „Silex and the City“ kreiert, die als Animation beim | |
TV-Sender Arte läuft. Nun hat der Zeichner Achdé die Abenteuer einer | |
Minderheit bei der Auswanderung zum Thema in einer Erzählung entworfen. Und | |
so führt Lucky Luke in Band 95 eine jüdische Familie durch den Westen. In | |
Zeiten, wo wieder Kampffronten zwischen Kulturen und Religionen gezogen | |
werden, ein Thema von durchaus aktueller Brisanz. | |
Goscinny und Morris nahmen in früheren Abenteuern bereits in pointierter | |
Weise die Besonderheiten von Indianerstämmen, Militärs, versnobbten | |
Engländern oder chinesischen Wäschereibesitzern ganz selbstverständlich auf | |
die Schippe. Und auch Jul und Achdé scheuen sich nicht, die pittoresken | |
Alleinstellungsmerkmale aschkenasischer Juden aus Osteuropa satirisch | |
überspitzt hervorzuheben. Ihr „Geschaukel“ beim Gebet etwa macht die zwei | |
Gauner, die die Familie belauern, ganz schwindlig. | |
## Auch Superman und Batman haben jüdische Wurzeln | |
Aus der Außensicht „normaler Cowboys“ wie Lucky Luke und anderer | |
Archetypen des Westens wie des Saloon-Schlägers erscheint deren Kleidung | |
und Verhalten zunächst äußerst kurios. Und so werden sie auch immer wieder | |
irrtümlich mit den Amischen verwechselt. Sie schleppen eine Unmenge von | |
Büchern mit sich, sind sie doch Angehörige des „Volks des Buches“. Und we… | |
der bärtige „Pape“ der Familie, Moishe, sich – stets Jiddisch sprechend … | |
daran erinnert, dass seine Mischpoke früher schon einmal auf ähnliche Weise | |
„kampiert“ habe, erinnert ihn die „Mame“ daran, dass das vor 3.500 Jahr… | |
in Ägypten gewesen war. | |
Beiläufig erwähnt besagte Mame später, dass ihre beiden Mündel, der kleine | |
Jankel und die junge Hanna, Waisen sind. Ihre Eltern wurden in der Heimat | |
von Kosaken ermordet. Und die Leser werden daran erinnert, dass viele | |
berühmte Amerikaner jüdische Vorfahren haben: Albert Einstein, die Marx | |
Brothers – und nicht zuletzt die Schöpfer solch uramerikanischer Mythen wie | |
Superman und Batman. | |
Lucky Luke muss sich auf dieser Reise an manch Sitte dieser sehr | |
friedlichen Sippe gewöhnen, um sie dennoch sicher vor zahlreichen Gefahren | |
zu beschützen. Nicht mal jagen darf er, da die so erlegte Beute nicht | |
koscher ist. Dafür probiert er das erste Mal gefilte Fisch. | |
Als dann noch ein Indianerstamm auf dem Kriegspfad auftaucht, muss Lucky | |
Luke mangels der Waffentauglichkeit seiner Schützlinge (abgesehen vom | |
kleinen Jankel, der wie einst David perfekt einen störenden „Goliath“ mit | |
der Schleuder außer Gefecht setzt) geschickt verhandeln. Doch die | |
vermeintlichen Feinde entdecken bald erstaunliche Gemeinsamkeiten, tja, so | |
ist das hier mit den verfolgten Minderheiten. | |
Jul und Achdé gelingt hier die Erzählung eines abwechslungsreichen | |
Abenteuers, mit ernsten Untertönen und frechen Anspielungen. Ihre | |
Bildgeschichte greift das aktuelle Migrationsthema anhand eines | |
historischen, heute weitgehend vergessenen Kapitels Amerikas auf – ein | |
leichtfüßiges Spiel mit „dem“ jüdischen Humor. | |
16 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Ralph Trommer | |
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