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# taz.de -- Hommage an Lucky Luke: Ein Cowboy auf dem Drahtesel
> Comic-Autor Mawil lässt Lucky Luke umsatteln. Der reist jetzt auf dem
> Fahrrad durch den Wilden Westen statt auf Jolly Jumper.
Bild: Mit Drahtesel durch den Wilden Westen: aus dem besprochenen Band „Lucky…
Ein lonesome Cowboy ist eigentlich gar nicht so schlecht dran. Auch wenn er
sich in der weiten Prärie aufhält, allein mit sich und einer sturen
Büffelherde, so steht ihm doch stets ein treuer Gefährte bei: sein Pferd.
Auch unser Comicheld Lucky Luke kann seit Beginn seiner Karriere auf einen
Gaul als besten Freund zählen. Jolly Jumper, der Hengst mit der blonden
Mähne, erledigt zuverlässig seinen Job, denkt mit und befindet sich stets
zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle, sollte Lucky Luke den Saloon
einmal durchs Fenster verlassen müssen.
Seit 1960, dem Album „Den Daltons auf der Spur“, ließ der belgische
Lucky-Luke-Schöpfer Morris die Leser auch an den Gedanken des smarten Jolly
Jumper teilhaben. Dessen Position stand also nie in Frage. Auch nicht, als
Morris 2001 starb und die Serie von dem Zeichner Achdé fortgesetzt wurde.
Doch nun hat ausgerechnet der erste deutsche Lucky-Luke-Zeichner, der
Berliner Comicautor Mawil, Jolly Jumper „in Rente“ geschickt. Mawil,
bürgerlich: Markus Witzel, Jahrgang 1976, hat das treue Tier durch ein
simples Zweirad ersetzt. Titel des Albums: „Lucky Luke sattelt um“.
Ein ähnlicher dekonstruktiver Coup war zuvor bereits seinem Comic-Kollegen
Flix mit einem anderen Klassiker gelungen. Er versetzte mit „Spirou in
Berlin“ die belgische Comicfigur auf die Ostseite der Berliner Mauer in die
Zeit vor 1989. Ergebnis: ein Bestseller!
## Hommage zum 70sten Geburtstag
Doch Spaß beiseite: Natürlich ist das neue Abenteuer kein gewöhnlicher
Lucky-Luke-Band. Es ist Teil einer Reihe von Hommagen, die 2016 durch den
70. Geburtstag der Comicfigur eingeleitet wurde. Sie umfasste bisher die
Bände von Matthieu Bonhomme, „Der Mann, der Lucky Luke erschoss“, und
Guillaume Bouzard, „Jolly Jumper antwortet nicht“.
Im Gegensatz zum etwas bemüht wirkenden Humor des Letzteren hat Mawil
beschlossen, nun nicht erneut die Parodie einer Parodie zu zeichnen, der
nach wenigen Seiten die Puste ausgeht. Nein, er hat es schlauer gemacht und
eine runde Geschichte mit einem wahren Kern erzählt. Auch die meisten der
klassischen Lucky-Luke-Geschichten – die bis 2001 vom Belgier „Morris“
gezeichnet und von 1955 bis 1977 von dem Szenaristen René Goscinny geprägt
wurden – griffen ein Phänomen oder historische Figuren des Wilden Westens
auf, um daraus eine intelligente, selbstironische Erzählung über diese
Epoche zu gestalten.
Mawil hatte bereits in seinen im Tagesspiegel veröffentlichten One-Pagern
(als Buch „The Singles Collection“ im Reprodukt Verlag) einige kurze
Western-Comics mit Lucky-Luke-Anspielungen versehen. Für den jetzigen
Hommage-Band hat Mawil bei seinen Recherche entdeckt, dass Ende des 19.
Jahrhunderts die ersten Fahrräder in den Staaten auftauchten. So
entwickelte er die historisch angelehnte Story um einen Wettkampf zwischen
zwei Konkurrenten: dem mit Hochrädern bereits erfolgreichen Industriellen
Albert Augustus Pope und dem „Independent-Erfinder“ Albert H. Overman, der
das erste moderne Rad jenseits des Atlantiks produzierte.
## Auf dem Weg zum Rennen in San Francisco
Da dem kleinen, schwächlichen Overman (eine typische Mawil-Figur mit
Nickelbrille) das brutale Gangster-Pärchen „Smith & Wesson“ im Nacken sitzt
(hier hat Smith, die Frau, eindeutig die Hosen an), muss Lucky Luke mit
vollem Einsatz den gefährdeten Prototyp beschützen, damit Overman an einem
prestigeträchtigen Rennen in San Francisco teilnehmen kann.
Auf der langen Strecke von der Ost- an die Westküste kommt Luke Jolly
Jumper abhanden. Luke muss „umsatteln“ und per Pedal, über Stock und Stein,
Canyons durchqueren, Bisonherden ausweichen und Indianerangriffe
überstehen. Auch die – ein wenig an DDR-Western erinnernden – Indianer
erkennen das Potenzial des neuen „Esels aus Draht“. Und ein gewiefter
Zeitungs-„Agent“ wittert seine große Story. Während der abgehängte Jolly
Jumper ins Grübeln kommt, was Lucky Luke geritten hat, dass er ihn durch
ein Metallgestell ersetzt hat.
Mawils turbulente Road-Comic ist spannend erzählt und mit zahlreichen
Anspielungen versehen. So etwa auf die Kunstgeschichte (Overman als
genialer Konstrukteur à la Leonardo; Fata-Morgana-Visionen nach Salvador
Dalí) oder auf heutige Erfahrungen mit bürokratischen Vorschriften beim
Bahnfahren (Räder dürfen nicht mit). Grafisch hat Mawil einfach seinen
(unter anderem aus „Kinderland“ bekannten) typischen, sehr lockeren Strich
beibehalten und dem „Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten“, eine
etwas dickere Nase verpasst.
## Schwitzen beim Radeln und Reifenflicken
Auch ist er bei ihm nicht ganz so cool wie sonst und gerät deutlich öfter
ins Schwitzen – vor allem beim Radeln und Reifenflicken. Originell sind
Mawils Seitenlayouts, die oft leicht verschobene Panels haben und vor allem
in Actionsequenzen überzeugen, etwa wenn eine Schlucht einzustürzen droht
und die Panels der Seite ein großes, sich nach unten zuspitzendes V
ergeben.
Ob Lucky Luke dauerhaft aufs Rad umsteigen wird oder es doch noch zum Happy
End mit Jolly Jumper kommt, soll hier nicht verraten werden.
3 Jun 2019
## AUTOREN
Ralph Trommer
## TAGS
Lucky Luke
Mawil
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