Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Flix' Comic „Held“: Der ganz lange Bogen
> Felix Görmann alias Flix erzählt in „Held“ aus dem Leben seines Alter
> Ego. Zum zwanzigjährigen Jubiläum erscheint eine Gesamtausgabe des
> Comics.
Bild: Felix Görmann alis Flix – mit seinen Comic-Strips immer pünktlich, of…
Etwas weiter draußen in Pankow, dort, wo man die hippen Kneipen vom
nahegelegenen Prenzlauer Berg nur noch erahnen kann, hat [1][der
Comicautor Felix Görmann, besser bekannt als Flix], sein Atelier. Es ist
direkt an einer Straße gelegen und sieht von außen aus wie ein kleiner
Comicladen, der sich aus Versehen in diese unbelebte Ecke verirrt hat. In
einer Art Schaufenster liegen allerlei Comics aus, viele von Flix, und im
von außen gut einsehbaren Atelier ist alles vollgestellt mit Graphic
Novels.
Dabei ist das, so stellt sich bald heraus, noch nicht einmal das Atelier
von Flix selbst, sondern das des Comicautora Marvin Clifford, mit dem er
befreundet ist. Das Atelier von Flix befindet sich gleich nebenan. An der
Wand hängt dort ein Druck von Picassos „Guernica“, daneben eine von einem
Mitglied der Band die Ärzte unterschriebene Gitarre, außerdem ein
gezeichnetes Flix-Porträt in einem überdimensionierten Bilderrahmen. Wirkt
unaufgeräumter, chaotischer als nebenan. Vielleicht auch deswegen lädt Flix
zum Gespräch in das Atelier seines Nachbarn.
## Am Anfang zeichnete er Cartoons
Flix ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten Comicautoren
Deutschlands. Nur [2][Ralf König, der zeichnende Chronist des schwulen
Milieus], ist wahrscheinlich ein noch geläufigerer Name. Seit etwa 20
Jahren zeichnet Flix wöchentlich erscheinende Comicstrips für Publikationen
wie den Tagesspiegel, die FAZ oder für den Spiegel. Sein Strip „Glückskind�…
erscheint seit acht Jahren ununterbrochen jeden Montag in der FAZ.
Am Anfang seiner Karriere, vor etwas über zwanzig Jahren, hat er auch noch
Cartoons gezeichnet, also Bilderwitze. Ein paar davon, gedruckt auf
Postkarten, liegen im Atelier von Marvin Clifford herum. „So schwer kann es
ja nicht sein, ein Bild zu zeichnen, das lustig ist“, habe er sich damals
gedacht. Irgendwann wurde ihm das aber zu kurz. Flix wollte in längeren
Bögen erzählen.
## Ein echter Ziegelstein von einem Buch
So entstand der Comic „Held“, der nun zum zwanzigjährigen Jubiläum in ein…
neuen Gesamtausgabe erscheint und ein echter Ziegelstein von einem Buch
ist. Da war der Künstler gerade mal Mitte 20 und erzählte nun in einem
wirklich langen Bogen. Der stark autobiographisch gefärbte Comic berichtet
von der Geburt des Helden Felix, von dessen Beziehung mit Sophie und sogar
vom Tod der Hauptfigur, was dann eindeutig nicht mehr autobiographisch ist.
„Held“ erschien, ungewöhnlich genug für einen damals noch relativ
unbekannten Comicautoren, gleich bei dem Branchenriesen Carlsen. Er bekam
den renommierten Max-und-Moritz-Preis verliehen und wurde in mehrere
Sprachen übersetzt, darunter ins Koreanische.
Allein die deutschsprachige Ausgabe habe sich bis heute 50.000 Mal
verkauft, sagt Flix. Was für eine [3][Graphic Novel, immer noch ein
Nischenprodukt im Buchhandel], ziemlich ordentlich ist.
## Der Comic hat eine naive Kraft
Der Erfolg ist verdient. Diese Graphic Novel ist so facettenreich, so
voller Witz und dabei so lebensklug, dass man kaum glauben mag, dass sie
von einem jungen Mensch stammt, der gerade erst seine Teenagerjahre hinter
sich gebracht hat. Schonungslos auch gegenüber sich selbst berichtet Flix
von Felix’ Depressionen, seinen Selbstzweifeln, seiner
Beziehungsunfähigkeit, seinen ungerechtfertigten Vorurteilen gegenüber
anderen Menschen.
„Ich habe damals ja nicht damit gerechnet, dass man sich den Comic 20 Jahre
später noch anguckt oder dass sich den noch meine Kinder angucken würden“,
sagt Flix. Vor kurzem habe er sich sein Frühwerk selbst noch einmal
durchgelesen und gedacht: „Ja, geht, geht immer noch. Der Comic hat eine
naive Kraft. Er ist wie eine junge Band, die Vollgas spielt, mit 240 Beats
per Minute. Keine Ahnung, ob sie das die ganze Tour durchhält oder eine
ganze Karriere. Aber jetzt wirft sie einfach alles rein in ihre Musik.“
## Reinhard Mey und Georg Kreisler
Musik ist übrigens auch ein großes Thema für den Comichelden Felix. Er hört
ausschließlich deutschsprachige Musik. Wir sind Helden, Element of Crime,
solche Sachen. Der echte Flix sagt, diesen Hang zum deutschsprachigen Pop
habe er immer noch. Xavier Naidoo höre er heute nicht mehr, der sei nicht
mehr erträglich. Aber er sei immer noch der weltgrößte Fan von den Ärzten.
„Ich mag einfach gut erzählte Geschichten“, sagt er, „und der Zugang zu
diesen fällt mir bei deutschsprachigen Texten leichter als bei
englischsprachigen.“
Deswegen sei er inzwischen sogar bei Liedermachern wie Reinhard Mey und
Georg Kreisler angekommen. Auch ihm würde es bei seinen Comics zuallererst
um die Geschichte gehen. Und die möchte er „so niedrigschwellig wie möglich
erzählen. Die Leser sollen sich in meinen Geschichten leicht zurechtfinden
können.“
## Der Profi setzt sich hin und arbeitet
Der Felix in „Held“ war auf der Suche nach der großen Liebe. Flix lebt
inzwischen in einer Wohnung gleich neben seinem Atelier und hat eine
Familie mit vier Kindern. Der Felix im Comic plagt sich mit der Frage
herum, wie er das bloß hinkriegen soll, vom Comiczeichnen leben zu können.
Flix sagt: „Selbstdisziplin habe ich inzwischen gelernt. Ohne die kann man
das Zeichnen von Comics nicht als Beruf ausüben.“
Als Vater von vier Kindern müsse er sich die Lücken zum Arbeiten suchen und
dann auch wirklich nutzen. „Der Amateur sitzt da und wartet darauf, dass
ihn die Muse küsst. Der Profi setzt sich hin und arbeitet. An dieser
Weisheit ist schon was dran“, sagt er. „Dadurch bist Du vielleicht nicht
immer brillant. Aber für Zeitungen ist der pünktlich liefernde Zeichner
besser als der brillante.“
## Mit Stift, Schere und Klebstift
Am Arbeitsplatz seines Atelier-Nachbarn sind drei Computerbildschirme
nebeneinander aufgestellt. „Weil Marvin auf einem zeichnet, auf dem anderen
chattet und auf dem dritten einen Film guckt.“ Marvin Clifford arbeitet
voll digital, Flix halb analog, halb digital. Und auf einem einzigen
Bildschirm. Zuerst fertigt er Vorzeichnungen auf Papier an, diese werden
dann eingescannt. Grautöne und Farben werden am Rechner erstellt und die
Zeichnungen mit einer Art digitalem Stift zu Ende gebracht. Dass er den
analogen Arbeitsschritt beibehalten habe, habe folgenden Grund: „Weil man
auf Papier Fehler macht und die lassen die Comics lebendiger wirken.“
„Held“ freilich ist damals noch komplett analog entstanden. Flix holt einen
Schuber mit Originalzeichnungen aus einem Regal. Man sieht und spürt, dass
hier noch richtig mit Stift, Schere und Klebstift gearbeitet wurde.
Sprechblasen wurden teilweise überklebt, die Arbeit an „Held“ war
offensichtlich eine richtige Flickschusterei.
Sein Verlag bewirbt die Neuausgabe als den Comic, der den kleinen Boom der
Graphic Novels erst ausgelöst habe, den es seit einer Weile auch in
Deutschland gibt. An dieser Behauptung sei schon etwas dran, sagt Flix.
„Ich hatte das Glück, dass 'Held’ zu einer Zeit herauskam, in der der
Begriff Graphic Novel gerade erst aufkam und damit ein neues Bewusstsein,
dass Comics kein Genre sind, sondern ein Medium, mit dem man alles mögliche
erzählen kann.“ Der Erfolg von „Held“ und von der im selben Jahr
erschienenen Graphic Novel „[4][Wir können ja Freunde bleiben“ des Berliner
Zeichners Mawil habe dann die Tür für weitere deutsche Zeichner geöffnet].
## Ein Stift, ein Stapel Papier und Ideen
„Held“, „Wir können ja Freunde bleiben“, auch „Blankets“ von [5][C…
Thompson], einer von Flix Lieblingscomics, erzählen allesamt
Coming-Of-Age-Geschichten. Warum sind diese so beliebt im Medium Graphic
Novel? „Weil du mit einem Comic als junger Mensch einfach Geschichten
erzählen kannst“, glaubt Flix. „Einen Coming-of-Age-Film als junger Mensch
zu verwirklichen, ist teuer. Du brauchst eine Kamera, Leute, Equipment,
einen riesigen Apparat, der Geld kostet, das du nicht hast. Beim Comic
brauchst du bloß einen Stift, einen Stapel Papier von McPaper für 5,99 Euro
und deine Ideen. Das kostet dich eigentlich nichts.“
„Held“ blieb lange Zeit der größte Erfolg für Flix. Inzwischen wurde der
aber weit übetroffen von „Spirou in Berlin“, der vor fünf Jahren erschien…
ist. Flix lässt in diesem Werk [6][die berühmte Comicfigur Spirou, ein
Nationalheld in Belgien], ein Abenteuer in Berlin erleben. Der Band wurde
in beinahe sämtliche europäische Sprachen übersetzt und kam auch in Belgien
gut an. Sogar zum Empfang des belgischen Königspaars Anfang Dezember in
Berlin war Flix deswegen geladen. „Wie Campino neulich beim englischen
König.“ Den für einen solchen Anlass obligatorischen Smoking, klar, den
musste er sich leihen.
23 Dec 2023
## LINKS
[1] /Alte-Comics-leben-laenger/!5879124
[2] /Interview-mit-Comiczeichner-Ralf-Koenig/!5703202
[3] /Graphic-Novel-ueber-Geschichte-Finnlands/!5975620
[4] /Werkschau-des-Comiczeichners-Mawil/!5814486
[5] /Comic-Zeichner-uebers-Erwachsenwerden/!5288817
[6] /Musee-des-Beaux-Arts-in-Charleroi/!5915495
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Deutscher Comic
Graphic Novel
Kultur in Berlin
taz Plan
Marcel Proust
Deutscher Comic
Lucky Luke
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kinotipp der Woche: Schneller zur Sache
Body Horror mit Speckanteil, Lachse wie Menschen und verirrte
Papageientaucher: Das British Shorts Filmfestival zeigt Kurzfilme mit Biss.
Comic über Proust und sein Dienstmädchen: Im Dienst bei Marcel Proust
Céleste Albaret war Assistentin und Inspiration des Autors Marcel Proust.
Chloé Cruchaudet widmet der Beziehung zwischen den beiden einen Comic.
Alte Comics leben länger: Humboldts Erbe
Der Zeichner Flix lässt das Marsupilami durch die deutsche Hauptstadt der
1930er Jahre streunen. Sein schöner Schwanz verstört auch Braunhemden.
Hommage an Lucky Luke: Ein Cowboy auf dem Drahtesel
Comic-Autor Mawil lässt Lucky Luke umsatteln. Der reist jetzt auf dem
Fahrrad durch den Wilden Westen statt auf Jolly Jumper.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.