| # taz.de -- Neue Tierart in Norddeutschland: Scheu und nachtaktiv | |
| > Der Goldschakal, eine Tierart aus Asien breitet sich in Norddeutschland | |
| > aus. Welche Folgen das hat, ist noch unklar. | |
| Bild: Meidet Menschen: Goldschakal, von einer Wildkamera fotografiert in Bayern… | |
| Göttingen taz | Er ist nicht der erste tierische Neubürger in | |
| Norddeutschland, wohl aber einer der zuletzt Eingetroffenen: Nach | |
| Rückkehrern wie den lange Zeit ausgerotteten Wölfen, Luchsen und Bibern | |
| sowie eingewanderten oder eingeschleppten Arten wie Waschbär und | |
| Marderhund, breitet sich jetzt auch der Goldschakal hierzulande aus. In | |
| Niedersachsen gab es bereits mehrere Nachweise. | |
| Das Raubtier mit dem lateinischen Namen Canis aureus ist vom Aussehen und | |
| von der Größe her ein Mittelding zwischen Fuchs und Wolf und wird häufig | |
| mit diesen Arten verwechselt. Goldschakale sind sehr scheu und vor allem in | |
| der Dämmerung und in der Nacht unterwegs beziehungsweise auf der Jagd. Ihr | |
| Fell glänzt zwar nicht, wie der Name suggeriert, richtig golden, es | |
| changiert aber zwischen gelb-grau bis rötlich-braun. | |
| Nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes erreichen Goldschakale ein Gewicht | |
| von 15 Kilogramm, eine Schulterhöhe von bis zu 50 und eine Körperlänge von | |
| bis zu 90 Zentimetern, dazu kommen nach 20 bis 30 Zentimeter für die Lunte, | |
| also den Schwanz. | |
| Das Verbreitungsgebiet des Goldschakals erstreckt sich traditionell von | |
| Südasien über den Nahen Osten bis zur Balkanhalbinsel, allein in Europa | |
| sollen bis zu 120.000 dieser Tiere leben – rund fünfmal mehr als es Wölfe | |
| gibt. Seit einigen Jahren tauchen Goldschakale immer häufiger auch in | |
| mittel- und nordeuropäischen Ländern auf, so in Österreich, der Schweiz, | |
| Deutschland, den Niederlanden, Dänemark und sogar in Finnland. | |
| ## Genügsamer Allesfresser | |
| In all diesen Ländern hat es nie zuvor Goldschakale gegeben. „Er ist kein | |
| Rückkehrer, sondern eine völlig neue Tierart“, sagt der deutschlandweit | |
| wohl renommierteste Schakalexperte Felix Böcker von der forstlichen | |
| Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg. | |
| Die Gründe für die Ausbreitung sind nicht wirklich bekannt. Die | |
| Wildbiologin Jennifer Hatlauf, die an einer Wiener Hochschule das Leben der | |
| Goldschakale erforscht, spricht von einem „Phänomen“. Möglicherweise | |
| spielten die Klimakrise und speziell die damit einhergehenden wärmeren | |
| Winter eine Rolle. Auch waren früher die Flächen meist bewaldet und | |
| flächendeckend durch Wölfe – den einzigen natürlichen Feind der | |
| Goldschakale – besiedelt. Und bis Mitte des 1950er-Jahre verfolgten | |
| Menschen viele Raubtiere durch Giftköder, was den Schakal in Griechenland | |
| nahezu ausrottete. | |
| Der erste von bislang drei Nachweisen in Niedersachsen ist datiert aus dem | |
| Jahr 2015, damals war im Landkreis Cuxhaven Kot gefunden worden, der | |
| zweifelsfrei einem Goldschakal zugeordnet werden konnte. 2017 wurde bei | |
| Osnabrück ein Schakal überfahren. Und Anfang Juni dieses Jahres erwischte | |
| es einen weiteren Goldschakal bei einem Verkehrsunfall an der | |
| vielbefahrenen Autobahn A7 nahe des Dreiecks Hannover-Kirchhorst. Der | |
| Wolfsexperte der Landesjägerschaft Niedersachsen, Raoul Reding, geht davon | |
| aus, dass inzwischen eine weit größere Anzahl in dem Bundesland in freier | |
| Wildbahn lebt. | |
| Im Jahr 2016 tappte ein Goldschakal in einem Forst bei Greifswald in | |
| Mecklenburg-Vorpommern in eine Fotofalle. In Schleswig-Holstein gab es im | |
| März 2017 einen Goldschakal-Nachweis. Damals war dem Wolfsmanagement des | |
| Bundeslandes ein möglicher Wolfsriss im Kreis Dithmarschen gemeldet worden. | |
| Genetische Untersuchungen ergaben aber, dass ein – vermutlich | |
| durchziehender – Goldschakal der Übeltäter war. Er hatte drei Schafe | |
| angegriffen und leicht verletzt, jedoch nicht getötet, eines starb | |
| allerdings später an seinen Verletzungen. | |
| Als Allesfresser und Opportunisten sind die Tiere nicht wählerisch. Auf | |
| ihrem Speisezettel stehen neben Beeren und Mais, Aas und Schlachtabfällen | |
| etwa Insekten, Amphibien, Fische sowie auch kleine Säugetiere wie Mäuse. | |
| Wenn es sein muss, wagen sich Goldschakale auch mal an größere Beutetiere | |
| heran. Sie können, vor allem wenn sie als Paar oder im Rudel jagen, | |
| durchaus auch Rehe, Frischlinge und Schafe erlegen. Menschen brauchen keine | |
| Angst vor Angriffen zu haben, und überhaupt werden nur die wenigsten jemals | |
| einen der versteckt lebenden Goldschakale zu Gesicht bekommen. | |
| In der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie der Europäischen Union wird der | |
| Goldschakal als Tierart von gemeinschaftlichem Interesse geführt. Das | |
| heißt, die EU-Mitgliedsstaaten müssen einen günstigen Erhaltungszustand der | |
| Art gewährleisten, bevor sie Tiere bejagen dürfen. Beim Goldschakal ist | |
| dieser Zustand für Deutschland allerdings noch nicht definiert. Und – | |
| obwohl niemand weiß, wie viele Exemplare sich in den Wäldern verstecken – | |
| schon gar nicht erreicht. | |
| 11 Sep 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Reimar Paul | |
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