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# taz.de -- Berlin zunehmend biberisiert: Sie passen sehr gut in diese Stadt
> Biber sehen freakig aus und leben spießig. Und es werden immer mehr in
> der Stadt. Vor allem in Friedrichshain-Kreuzberg. Doch wo ist das
> Problem?
Bild: Dieser Biber hat einen guten Appetit
Berlin taz | Die Biberisierung Berlins schreitet unaufhaltsam voran. Selbst
im dicht besiedelten Friedrichshain-Kreuzberg machen sich die Riesennager –
immerhin die größten Nagetiere der Holarktis, wie sich der Zoologe freut –
zunehmend breit. Fünf Baue zählen die Stadtnatur-Ranger*innen des Bezirks
inzwischen, ein Biberpaar hat sich in der Rummelsburger Bucht auf der
Liebesinsel niedergelassen, wo sie wohl den ganzen Tag herumbibern, was das
Zeug hält. Nachts ziehen sie dann um die Häuser und nieten reihenweise
Uferbäume um. Putzig!
Und warum sollte dieses Ratten-Upgrade auch nicht in Berlins Szene- und
Multikulti-Bezirk Nummer eins passen? Zwischen all den Bohemians, Ökos,
Islamerern, Schwaben und Agenturgestalten fallen die über einen Meter lang
werdenden, dicht bepelzten Kreaturen auch nicht weiter auf. Freakig
aussehen, aber mit ihrem unerschöpflichen Arbeitseifer und ihrer streng
monogamen Lebensweise ganz schön spießig leben – auch das passt
hervorragend in den Zeitgeist des Bezirks.
Allerdings bewahren Biber sich stets ein anarchisches Moment. Sie belassen
es nicht dabei, hin und wieder bei einem Glas Chianti Classico und laut
aufgedrehten Scherben auf dem Sofa rebellisch die Faust in die Höhe zu
recken, sie bauen noch richtige Barrikaden.
Wenn ihnen ihr Wohnumfeld nicht passt, machen sie kurzen Prozess mit der
Uferbepflanzung wie der Landschaftsplanung und legen bei Bedarf ganze
Gewässersysteme um. Im Tiergarten fielen schon Kanäle trocken, weil die
Biber mit kleinen Umgestaltungen dafür gesorgt haben, dass es bei Dürre um
ihre Burgen schön feucht bleibt.
## Strenge Schutzmaßnahmen
Dabei ist das Biber-Comeback eine kleine Öko-Sensation. Die Art war in
Europa praktisch ausgerottet, in Deutschland fast gänzlich verschwunden.
Erst [1][durch strenge Schutzmaßnahmen] gelang die Wiederansiedlung. Mit
beachtlichem Erfolg: In Berlin und Brandenburg sind alle nutzbaren
Lebensräume inzwischen wieder ausreichend bebibert.
Was zu wütender Biberkritik führt. Landwirt*innen beklagen Mais-Klau und
überflutete Felder, Förster*innen und Landschaftsplaner*innen
ärgern sich über gefällte Bäume. Denn der Biber lebt ressourcenintensiv:
Ganze 4.000 Kilogramm Holz werden pro Jahr und Biber zerlegt und
zerraspelt, wo immer er sich niederlässt. Schon wird die Bejagung der Tiere
gefordert.
Dabei ist sein Wirken wertvoll: Der Biber schert sich nicht lange um
Planfeststellungsverfahren, er sorgt ratzfatz für Gewässer-Renaturierung –
und damit für verbesserten Hochwasserschutz. Viele andere Arten profitieren
von seinen Maßnahmen. In der Stadt kann man sein ausuferndes Wirken mit
Schutzzäunen und Estrichmatten effektiv steuern.
Was noch fehlt, sind ordentliche Pop-up-Biberwege durch die City. Kein
Scherz: Um die Populationen zwischen Spree und Havel zu verbinden, müssten
die Nager die Berliner Kanäle nutzen – noch aber mangelt es an ausreichend
Ausstiegshilfen und Biberschleusen. Denn zwischendurch legen die Biber sich
gerne wie alle anderen Berliner zum Chillen ans Ufer. Wie gesagt:
Eigentlich passen sie wirklich sehr gut in die Stadt.
21 Jan 2021
## LINKS
[1] /Sommerserie-Grossstadtrevier-4/!5219192
## AUTOREN
Heiko Werning
## TAGS
Biber
Naturschutz
Hochwasserschutz
Zukunft
Tier des Jahres
Niedersachsen
Natur
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