# taz.de -- Naturschutz auf den Galapagosinseln: Leben in der Ökodiktatur | |
> Die Galapagosinseln wurden wegen ihres Ökosystems zum Unesco-Welterbe. | |
> Heute praktiziert Ecuadors Regierung dort Umweltschutz mit harter Hand. | |
Bild: Eigentlich wollen sie nur ihre Ruhe habe: Riesenschildkröten auf Galapag… | |
Riesenschildkröten, Urzeitechsen und einzigartige Vogelarten haben die | |
Galapagosinseln berühmt gemacht. 40 Prozent der Tierarten dort sind | |
nirgendwo sonst auf der Erde zu finden. Für Besucher ist die Begegnung mit | |
dieser Tierwelt faszinierend: Ob Pelikane oder Seelöwen – sie fürchten sich | |
nicht einmal vor Menschen, denn im biologischen Gleichgewicht von Galapagos | |
gibt es weder Jäger noch Gejagte. | |
In diesem Paradies zu leben erscheint verlockend. Doch begeisterte | |
Touristen, die sich die teure Anreise leisten, übersehen leicht die | |
Beschwerlichkeiten, unter denen die 30.000 Bewohner des Naturparadieses | |
leben. | |
Unbequemlichkeit und Verbote prägen den Alltag auf dem Archipel. Das Leben | |
auf den Galapagos gleicht einer Ökodiktatur. Der Arm staatlicher Stellen | |
reicht in alle Lebensbereiche: Sie entscheiden anhand strenger Einreise- | |
und Aufenthaltsbestimmungen, wer das Archipel überhaupt betreten und hier | |
verweilen darf; wer ein Auto oder ein Motorrad nutzt; wer die Erlaubnis | |
bekommt, sein Haus zu renovieren. Auch das wirtschaftliche Auskommen der | |
Einwohner wird vom Staat so gelenkt, dass der Schaden für die Umwelt | |
möglichst gering ausfällt: Für praktisch jede wirtschaftliche Tätigkeit | |
vergeben die Behörden in ihrer Anzahl begrenzte und zeitlich befristete | |
Lizenzen. | |
Fischer etwa dürfen nur in kleinen Booten ohne Sonnenschutz, ohne Netze | |
oder motorbetriebene Winden angeln. Die Position ihrer Boote wird mithilfe | |
von GPS-Technik permanent überwacht. Wer unerlaubt durch das 80 Meilen | |
weite Meeresreservat schippert, dem drohen empfindliche Geldstrafen. | |
Wichtigste Einnahmequelle bleibt der Tourismus. Jährlich besuchen etwa | |
170.000 Reisende das Unesco-Welterbe. 2007 stand dieser Titel auf der | |
Kippe. Die Unesco drohte die Ehrung zu entziehen, weil Tourismus, Fischerei | |
und Ansiedlungen zu starke Spuren in Flora und Fauna hinterließen. Seitdem | |
versuchen Ecuadors staatliche Stellen mehr denn je den Fremdenverkehr durch | |
strenge Auflagen umweltverträglich zu gestalten. Doch die Unesco ist | |
weiterhin besorgt: „Die hohen Besucherzahlen überfordern die Insel.“ | |
## Staatlich geprüfter Naturführer | |
Jaime Navas lebt von den Touristen. Er wurde auf Galapagos geboren und | |
besitzt eine der etwa tausend begehrten Zulassungen als staatlich geprüfter | |
Naturführer. „Wenn man es ernst nimmt mit dem Naturschutz, dann braucht man | |
strenge Regeln“, sagt Navas. Er hat auf dem Festland Biologe studiert. | |
Seine Kindheit prägte naturverbundene Beschaulichkeit: „Wir hatten nicht | |
einmal Strom. Auf unserer Farm trockneten wir das Fleisch nur mit Salz und | |
Luft. Es gab auch keinen Reis, weil wir genügend Bananen und Yuccawurzeln | |
hatten“, erinnert sich der 53-Jährige. | |
In Puerto Ayora ist davon nichts mehr zu spüren. Mit 15.000 Einwohnern ist | |
die Stadt auf der Insel Santa Cruz ein gut erschlossenes Touristenzentrum. | |
Elektrizität wird dort überwiegend mit Dieselmotoren erzeugt. | |
Verkehrsprobleme gibt es in Puerto Ayora nicht. Der Grund ist simpel: Autos | |
und Motorräder gibt es kaum. Drei von vier Autos auf den Inseln sind weiße | |
SUV, die als Taxis ihre Runden ziehen. Nur wer beruflich auf ein Fahrzeug | |
angewiesen ist, darf sich um eine Lizenz bewerben. Aber selbst Landwirte | |
oder Bauunternehmer bekommen höchstens eine Lizenz für die ganze Familie. | |
Den allermeisten bleibt nur das Taxi oder das Fahrrad übrig. | |
„Das ist manchmal etwas beschwerlich, aber man gewöhnt sich daran“, sagt | |
Navas ohne jedes Bedauern. Die Kontrollwut der Behörden ist aber nicht nur | |
unbequem: Jaime Navas hat sie die berufliche Existenz gekostet. Als | |
Profitaucher arbeitete er 15 Jahre in den USA. Zurück auf Galapagos | |
investierte er seine gesamten Ersparnisse in ein Ausflugsboot. Er bekam | |
eine Betriebserlaubnis für sieben Jahre. Doch schon zwei Jahren später kam | |
der Schock: Die Inselverwaltung widerrief elf Lizenzen, darunter seine. | |
## Strohmänner eingesetzt | |
„Von heute auf morgen wurden die Regeln geändert“, erinnert sich Navas. | |
„Wir haben das akzeptiert und legten unsere Boote ins Trockendock“, | |
erinnert sich der Vater von vier Kindern. Nur was dann kam, „das war nicht | |
in Ordnung“, schiebt er ohne hörbaren Groll nach: Das Geschäft übernahmen | |
ausländische Boote, die auf den Namen Einheimischer registriert sind. | |
Seit fünf Jahren gammeln Navas Lebensersparnisse von 400.000 Dollar in | |
einem Trockendock vor sich hin. Die Auflagen der Behörden machen es ihm und | |
seiner Familie weiterhin schwer, selbst banale Einkommensquellen zu | |
erschließen. „Ich würde gern zwei Zimmer an mein Haus anbauen, um sie an | |
Touristen zu vermieten“, sagt Navas. Doch das ist wohl illusorisch. „Ich | |
bekomme keine Baugenehmigung.“ | |
Die Regierung hat die Banken des Landes angewiesen, so gut wie keine | |
Immobilienkredite nach Galapagos zu vergeben. Auf der Insel Santa Cruz kann | |
man Häuser bewundern, die auch nach 30 Jahren Bauzeit nicht fertiggestellt | |
wurden. Für Hotelneubauten gilt seit Frühjahr gar ein achtjähriger | |
Baustopp. | |
## Ein Musterbeispiel für Naturschutz | |
Rückschläge und Beschwerlichkeiten haben nicht an Navas’ Überzeugung | |
gerüttelt, dass die strenge Linie für das Naturparadies im Prinzip der | |
richtige Weg ist: „Die Galapagosinseln sind ein Musterbeispiel für | |
Naturschutz. Sie können ein Modell für andere Regionen der Welt sein, die | |
Nachhaltigkeit anstreben.“ | |
Für Jaime Navas verläuft die eigentliche Konfliktlinie nicht zwischen Natur | |
und Wirtschaft, sondern zwischen Festlandinvestoren und der | |
Inselbevölkerung. Tatsächlich profitieren die Bewohner bislang kaum von der | |
ökonomischen Entwicklung. Nur etwa 35 Prozent der Firmen auf Galapagos | |
befinden sich im Besitz von Einheimischen. 83 Prozent des Geldes, das auf | |
den Inseln verdient wird, verlässt den Archipel in Richtung Festland. | |
Navas sieht die Zukunft der wirtschaftlichen Entwicklung in Unternehmen, | |
die im Besitz der Insulaner sind. Auf der Insel Floreana Island gibt es | |
bereits ein Modellprojekt. Dort wird ein Hotel gebaut, das 120 | |
Inselfamilien finanzieren. Zu dem Fonds gehören auch sechs Touristenboote. | |
Deren Konzession zu streichen hat sich noch niemand getraut. | |
Der Autor bereiste die Galapagosinseln auf Einladung des ecuadorianischen | |
Tourismusministeriums. | |
23 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Tarik Ahmia | |
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