# taz.de -- Nachruf auf Saemus Heaney: Der „Koloss der Literatur“ ist tot | |
> Der irische Nobelpreisträger schrieb über Politik und seine | |
> kleinbäuerliche Herkunft. Er ist nun im Alter von 74 Jahren gestorben. | |
Bild: Seamus Heaney erhielt zahlreiche Auszeichnungen (hier in Frankreich, 1996… | |
DUBLIN taz | „Gelehrte aus der ganzen Welt haben vom Tiefgang seiner | |
kritischen Essays profitiert, und sehr viele Menschenrechtsorganisationen | |
sind ihm für die Solidarität mit den Kämpfen in der Republik des Gewissens | |
dankbar.“ Das sagte Irlands Staatspräsident Michael D. Higgins, selbst ein | |
Dichter, über den Literaturnobelpreisträger Seamus Heaney, der am Freitag | |
nach kurzer Krankheit im Alter von 74 Jahren gestorben ist. | |
Heaney wurde 1939 in der nordirischen Grafschaft Derry als ältestes von | |
neun Kindern geboren. Seine Eltern waren Bauern. Nach dem Besuch einer | |
katholischen Internatsschule studierte er dank eines Stipendiums Anglistik | |
an der Queen’s University Belfast. | |
Danach arbeitete er als Lehrer und Dozent in Belfast, im kalifornischen | |
Berkeley, an der Harvard University und in Oxford. Seine ersten Gedichte | |
erschienen 1961 in englischen und nordirischen Zeitschriften. Die ersten | |
Bücher, „Death of a Naturalist“, (1966) und „Door into the Dark“ (1969… | |
machten ihn einem breiteren Publikum bekannt. | |
1972 zog Heaney in ein altes irisches Cottage in der Grafschaft Wicklow | |
südlich von Dublin, weil er, so sagte er, die Ruhe brauche, um zu arbeiten. | |
Heaney beschäftigte sich in seinem Werk immer wieder mit seiner | |
kleinbäuerlichen Herkunft und der Natur, aber auch mit der irischen | |
Mythologie und dem Nordirlandkonflikt. Er war zwar kein politischer | |
Dichter, setzte sich aber für politische Kampagnen ein. Unter anderem für | |
die „Birmingham Six“, die wegen eines angeblichen IRA-Bombenattentats 16 | |
Jahre unschuldig im Gefängnis saßen. | |
Heaney, dessen Werk auch ins Deutsche und in viele andere Sprachen | |
übersetzt wurde, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, die bedeutendste war | |
der Nobelpreis für Literatur im Jahr 1995, die letzte der „Lifetime | |
Achievement Award“ 2011, Irlands höchste Auszeichnung für Schriftsteller. | |
Seit dem Nobelpreis wurde Heaney oft mit Irlands erstem Nobelpreisträger, | |
William Butler Yeats, verglichen, der in Heaneys Geburtsjahr 1939 gestorben | |
war. Dieser stammte zwar aus der protestantischen Oberschicht, doch in | |
seinem Werk widmete er sich mit ebenso kraftvollen Metaphern auch Themen | |
aus der irischen Geschichte und Mythologie. | |
Der frühere US-Präsident Bill Clinton verwandte in seinen Reden des Öfteren | |
Heaney-Zitate, vor allem aus dem Theaterstück „Cure at Troy“, in dem Heaney | |
den Moment beschwört, wenn sich „Hoffnung und Geschichte reimen“. | |
Nordirlands Vizepremier, der frühere IRA-Chef Martin McGuinness, | |
bezeichnete Heaney als „Koloss der Literatur“. | |
Und der nordirische Dichterkollege Michael Longley sagte über Heaney: „So | |
wie seine Anwesenheit einen Raum füllte, so füllten seine wundervollen | |
Gedichte die Herzen von Generationen von Lesern.“ | |
30 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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