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# taz.de -- Nach russischen Angriffen auf Stromnetz: Angst vor dem ukrainischen…
> Viele Ukrainer*innen wissen nicht, wie sie die kalten Monate überleben
> sollen. Sie brauchen Solarzellen, Windräder – und offene Arme.
Bild: Fällt für die Stromproduktion erst mal aus: Zerstörter Transformator i…
Nastja ist verzweifelt. Die 26-jährige Zahnarzthelferin hat Angst. Angst
vor dem Winter, Angst vor dem Alleinsein, Angst vor den Luftangriffen,
Angst vor schlechten Nachrichten, Angst vor einer kalten Wohnung. Vor fünf
Wochen wurde ihr Freund auf der Straße in einen Bus gezerrt. [1][Er muss
zum Militär], genauer gesagt, in den Krieg, oder wie man in der Ukraine
sagt, an „die Null“, wie die Front genannt wird.
„Er ist praktisch mit den Sachen, die er am Leib hatte, zum Militär“, sagt
sie. Nicht einmal verabschieden habe sie sich noch von ihm können. Und nun
ist auch ein Verdiener weniger in der Wohnung. Sein Zimmer wird sie wohl
untervermieten müssen, alleine kann sie die Miete nicht stemmen.
Oles will umziehen. Er wohnt mit seiner Familie in einem Vorort von Kyjiw.
„Meine Wohnung liegt genau in der Flugschneise der Drohnen, die von
Russland Richtung Schitomir fliegen. Ich will das meinen Kindern nicht mehr
zumuten“, sagt er. Nun werde er sich eine andere Wohnung suchen: In Kyjiw
hat sich inzwischen herumgesprochen, wo es ruhiger ist und wo die Gefahr am
höchsten ist.
In den früher so beliebten Penthouse-Wohnungen will niemand mehr leben. Am
beliebtesten sind Wohnungen im Erdgeschoss. Denn dort fliegen seltener
Raketen oder Drohnen rein. Noch besser sind Häuser mit eigener Tiefgarage.
[2][Das sind gute Schutzbunker]. Manch einer zieht aufs Land, wo er einen
Garten für Gemüse hat und eine Fläche für eine Solaranlage.
## Strominfrastruktur im Visier
Jeder versucht, auf seine Weise zu überleben. Oder zumindest gut über den
Winter zu kommen. Und weil Russland viele Kraftwerke durch Luftangriffe
bereits zerstört und auch weitere Teile der Strominfrastruktur im Visier
hat, wird das nicht einfach sein.
Die Ukraine braucht deshalb jetzt Hilfe bei ihrer Energieversorgung. Und
die kann nur mit dezentraler und umweltfreundlicher Energie, mit
Solaranlagen und Windkrafträdern produziert werden. Es ist deshalb nicht
verständlich, warum die ukrainische Regierung, aber auch die der westlichen
Bündnispartner nicht darauf setzen, in der Ukraine verstärkt Wind- und
Solarenergie zu fördern und einzusetzen. Ansonsten drohen weitere und
längere Stromausfälle, die auch andere Gefahren mit sich bringen.
Dieses Thema treibt zurzeit viele im Land um: „Wenn wir nur vier Tage in
Kyjiw gar keinen Strom haben, also einen vollkommenen Blackout, kommt es zu
Plünderungen“, ist sich Sergiy sicher. „Ich verstehe unsere Regierung
nicht. Warum müssen die ausgerechnet jetzt neue AKWs bauen“, sagt er
weiter.
Abgesehen von den Gefahren, die jeder Ukrainer noch von Tschernobyl her
kennt, [3][sind AKWs zentrale Ziele], die die russischen Drohnen und
Raketen ohne Schwierigkeiten zerstören könnten. „Und außerdem dauert der
Bau eines AKWs mindestens fünf Jahre“, kritisiert Sergiy. „Wir brauchen die
Energie aber jetzt. Und ich hoffe sehr, dass dieser Krieg in fünf Jahren
Vergangenheit ist.“
## Atomkraftwerke als Ziel
„Wir werden alle ein richtiges Problem haben, wenn die Russen unsere
Atomkraftwerke angreifen“, sagt Iryna. Letztendlich braucht man gar nicht
den Reaktor zu treffen. Es reicht, wenn die Russen die Leitungen, die ein
AKW mit dem Stromnetz verbinden, zerstören. Denn dann muss das AKW eine
Schnellabschaltung machen, und solche Schnellabschaltungen sind immer mit
Risiken verbunden. Und wenn die Russen so etwas bei mehreren AKWs
gleichzeitig machen, bricht das Stromnetz landesweit zusammen.
„An Drohnen und Raketen und Stromausfälle kann man sich gewöhnen“, sagt
hingegen Nelia. „Doch woran ich mich nicht gewöhnen kann, das sind die
ständigen Nachrichten von Männern, die wieder an der Front ums Leben
gekommen sind.“ Jeden Tag höre sie solche Geschichten in ihrem
Bekanntenkreis. „Und das zermürbt mich.“
Niemand weiß, wie die Menschen in der Ukraine den langen Winter überstehen
werden. Doch einfach daneben stehen und abwarten geht nicht. Sie brauchen
Solarzellen, Windräder, preisgünstigen Strom, und offene Arme, wenn sie bei
uns in Deutschland überwintern wollen.
16 Oct 2024
## LINKS
[1] /Mobilisierung-in-der-Ukraine/!5991762
[2] /Wiederbelebung-alter-Luftschutzbunker/!5846828
[3] /Brand-im-AKW-Saporischschja/!6026799
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Energie
GNS
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