| # taz.de -- Nach Messerattacke in Zug bei Brokstedt: Angreifer faselte von Anis… | |
| > Der Mann, der zwei Menschen tötete, soll sich in seiner U-Haft mit einem | |
| > Attentäter verglichen haben. Hamburgs Justizsenatorin hat das | |
| > verschwiegen. | |
| Bild: Blumen, Kerzen, Bilder: Noch immer gedenken Menschen den Opfern der Messe… | |
| Hamburg taz | Als „unauffällig“ beschrieb Hamburgs Justizsenatorin Anna | |
| Gallina (Grüne) den Untersuchungshäftling Ibrahim A. am Donnerstag im | |
| Justizausschuss. Dabei soll der tatverdächtige [1][Messerstecher von | |
| Brokstedt] sich ein halbes Jahr vor seiner Entlassung aus der | |
| Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder mit dem Attentäter des Berliner | |
| Breitscheidplatzes, Anis Amri, verglichen haben. | |
| Das geht aus der Personalakte von A. hervor, die der Justizbehörde zum | |
| Zeitpunkt des Ausschusses bereits vorlag. A. saß, eine Woche bevor er in | |
| einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg mutmaßlich mit einem Messer auf | |
| Zugreisende einstach und dabei zwei junge Menschen tötete, noch [2][in der | |
| JVA in Untersuchungshaft]. | |
| „Es gibt nicht nur einen Anis Amri, es gibt mehrere, ich bin auch einer.“ | |
| Das soll A. beim Verschließen der Hoftür gesagt haben, so stehe es in | |
| seiner Gefangenenpersonalakte, wie Thomas Baehr, Srecher der Hamburger | |
| Justizbehörde mitteilt. Zuvor soll er bei der Vorbereitung auf die | |
| Freistunde auf dem Hof „vor sich hingestammelt“ haben: „Großes Auto, | |
| Berlin, das ist die Wahrheit.“ Auf dem Weg zum Hof habe er einen | |
| Bediensteten zweimal gefragt, ob er auch „unter die Reifen“ wolle. | |
| Zwar werden die Bediensteten nach Angaben der Justizbehörde geschult, das | |
| gesamte Vollzugsverhalten auf Hinweise zu beobachten, die auf eine | |
| extremistische Haltung oder Radikalisierung zurückzuführen sind. Als solche | |
| gewertet wurden die Äußerungen von A. aber nicht. Daher wurden sie von der | |
| JVA der Aufsichtsabteilung der Justizbehörde nicht gemeldet – und blieben | |
| letztlich ohne Konsequenzen. | |
| ## Personalakte im Ausschuss unterschlagen | |
| Holger Schatz, Staatsrat der Justizbehörde, erklärte im Ausschuss am | |
| Donnerstag, dass A. Stimmen gehört sowie einen Mithäftling und einen | |
| Vollzugsbeamten angegriffen hatte. Von einer Personalakte war keine Rede. | |
| Auch, dass sich Ibrahim A. in Haft als Anis Amri bezeichnet hatte, | |
| verschwiegen die Vertreterinnen und Vertreter der Justizbehörde. | |
| Aber warum? Über konkrete Inhalte der Akte habe man die Öffentlichkeit | |
| bislang nicht informiert, „um die strafrechtlichen Ermittlungen der | |
| Staatsanwaltschaft nicht zu gefährden“, erklärt Baehr. | |
| Dennis Thering, justizpolitischer Sprecher der CDU, ist empört: „Dem | |
| Justizausschuss wurden entscheidende Informationen vorenthalten, obwohl | |
| diese bereits der Justizbehörde bekannt waren. Damit erscheint deren Wirken | |
| im ganz neuen Licht.“ | |
| Was Senatorin Gallina im Ausschuss ebenfalls nicht erzählte: Die für A. | |
| zuständige Ausländerbehörde in Kiel wurde von den Hamburger Behörden nicht | |
| bei seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft informiert – erst recht | |
| nicht darüber, wie sich A. in der Haft verhielt. Erst am Donnerstag – 15 | |
| Tage nachdem A. aus der JVA Billwerder entlassen wurde – habe das | |
| Landgericht Hamburg die Ausländerbehörde per E-Mail und Fax über die | |
| Aufhebung des Haftbefehls gegen A. informiert. Vorher habe es keine | |
| aktenkundige Information über die Haftentlassung gegeben, sagte Kerstin | |
| Graupner, Sprecherin der Stadt Kiel, der Deutschen Presse-Agentur am | |
| Freitag. | |
| Auch Kai Wantzen, Sprecher des Hanseatischen Oberlandesgerichts, bestätigte | |
| der taz: „Im Rahmen einer internen Überprüfung war aufgefallen, dass eine | |
| frühere Mitteilung im Bereich des Landgerichts versehentlich unterblieben | |
| war.“ | |
| ## Opposition redet bereits von Rücktritt | |
| Dieses Versagen fällt nun auf Justizsenatorin Anna Gallina zurück, sie | |
| gerät weiter unter Druck. In einer Sondersitzung des Justizausschusses wird | |
| sie sich erneut den Fragen ihrer Kolleginnen und Kollegen stellen müssen, | |
| da sind sich die Fraktionen einig. Hört man in die Reihen der Opposition, | |
| könnte es für die Senatorin richtig unbequem werden – noch mehr als im | |
| letzten Ausschuss. | |
| „Wenn es sich bewahrheitet, dass Ibrahim A. in der Haft mit Attentaten | |
| drohen konnte und trotzdem ohne Konsequenzen auf freien Fuß gesetzt wurde, | |
| wird Justizsenatorin Gallina nun endgültig nicht mehr zu halten sein“, so | |
| Thering, der auch Vorsitzender der CDU-Fraktion ist. | |
| Auch Cansu Özdemir von den Linken fordert die Senatorin zu Konsequenzen | |
| auf. „Und sie muss sich fragen, ob sie nach all den früheren Problemen rund | |
| um ihre Person und ihre Behörde und angesichts der Tat in Brokstedt in der | |
| Lage ist, ihr Amt weiter auszuüben. Es reicht.“ | |
| 7 Feb 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lea Scholz | |
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