# taz.de -- NSU-Prozess droht zu platzen: Die Machtprobe | |
> Im NSU-Prozess versuchen die Verteidiger von André E. das Verfahren mit | |
> Befangenheitsanträgen noch zum Platzen zu bringen. Kann das klappen? | |
Bild: Der Angeklagte André E. zeigt dem Gericht eine hässliche Fratze | |
MÜNCHEN taz | Es war ein kurzer Verhandlungstag, [1][wiedermals]: Kaum | |
hatte Richter Manfred Götzl am Mittwoch den NSU-Prozess eröffnet, meldete | |
sich der Verteidiger von André E. zu Wort. Sein Mandant wolle einen | |
Befangenheitsantrag gegen zwei Richter stellen. Wenig später war deshalb | |
schon wieder Schluss. Götzl vertagte den Prozess auf den [2][9. November]. | |
So geht das nun schon seit Mitte September, seit die Bundesanwaltschaft ihr | |
Plädoyer in dem seit viereinhalb Jahren währenden Verfahren beendete. Zwölf | |
Jahre Haft hatten die Ankläger für André E. gefordert, in ihren Augen ist | |
er der zentrale NSU-Helfer. Noch im Gerichtssaal wurde der Zwickauer wegen | |
Fluchtgefahr festgenommen. Seitdem stellten seine Anwälte, teils ergänzt | |
von den Verteidigern des Mitangeklagten Ralf Wohlleben, mehr als [3][ein | |
dutzend Befangenheitsanträge] gegen die Richter. Nur zwei Prozesstage | |
konnten deshalb in den vergangenen sechs Wochen stattfinden. | |
„Ich bin sehr enttäuscht und wütend über diese unsinnigen Anträge“, sag… | |
die eigens angereiste Gamze Kubasik, Tochter des Dortmunder NSU-Mordopfers | |
Mehmet Kubasik, am Mittwoch. Denn erneut wurde damit der Beginn der | |
Nebenklage-Plädoyers im Prozess verhindert. Kubasiks Appell: „Ich wünsche | |
mir, dass der Richter endlich härter durchgreift.“ | |
## Götzl soll aufs Glatteis geführt werden | |
In der Tat scheint es offensichtlich, dass die Anwälte von André E. den | |
Prozess noch zum Platzen bringen wollen – oder mindestens blockieren, um | |
die Richter zu Fehlern verleiten, die spätestens in einer Revision helfen | |
könnten. Ihnen kommt zugute, dass das Verfahren inzwischen in der | |
Plädoyer-Phase ist. So kann nicht wie sonst nach Befangenheitsanträgen zwei | |
Tage weiterverhandelt werden, sondern es muss direkt über die Anträge | |
entschieden werden – von anderen Richtern. Allzu lange darf das indes nicht | |
dauern, denn ein Prozess darf nicht mehr als drei Wochen unterbrochen sein | |
– was das Gericht zuletzt punktgenau einhielt. | |
Gegen die Verzögerungstaktik kann Richter Götzl wenig tun. „Es gibt keine | |
Obergrenze für Befangenheitsanträge“, sagt Florian Gliwitzky, Sprecher des | |
Münchner Oberlandesgerichts. Auch könnten die Anträge noch bis zum | |
Schlusswort des Angeklagten gestellt werden. Schließlich habe ein | |
Beschuldigter das Recht, bis zum Urteil einem unvoreingenommenen Richter | |
gegenüberzustehen. | |
Sofort abgelehnt werden können Befangenheitsanträge laut | |
Strafprozessordnung nur, wenn sie zu spät eingereicht werden – das war | |
bisher nicht der Fall. Oder wenn durch sie „offensichtlich das Verfahren | |
nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen“. | |
Das Problem: Dieses „offensichtlich“ ist kaum klar nachzuweisen. Bisher | |
jedenfalls brachten die Anwälte von André E. stets neue Gründe für ihre | |
Befangenheitsanträge vor. | |
Götzl könnte die Sache zumindest beschleunigen und kürzere Fristen für das | |
Stellen der Anträge setzen. Bisher allerdings gab er den Anwälten nach – | |
und ließ für ihre Ausformulierungen ganze Prozesstage sausen. „Der Senat | |
muss eine klarere Kante zeigen“, fordert Sebastian Scharmer, Anwalt von | |
Gamze Kubasik. „Sonst wird das immer so weiter gehen.“ | |
## Prozess bis August 2018 verlängert | |
Das heftigste Negativbeispiel für exzessives Einbringen von | |
Befangenheitsanträgen ereignete sich im Mai in Koblenz. Vor dem dortigen | |
Landgericht scheiterte nach fünf Jahren Verhandlung ein Großprozess gegen | |
das rechtsextreme „Aktionsbüro Mittelrhein“, weil der Vorsitzende Richter | |
in Rente ging. Mehr als 500 Befangenheitanträge hatte es laut Gericht zuvor | |
gegeben. | |
Im NSU-Prozess wird dieses Szenario nicht eintreten, jedenfalls nicht so | |
schnell: Richter Manfred Götzl geht erst in gut zwei Jahren in Rente. Und | |
auch für einen Krankheitsfall steht noch ein Ergänzungsrichter parat. Dass | |
der Prozess noch platzt, wird den Verteidigern also vorerst nicht gelingen | |
– es sei denn, die Richter lassen sich tatsächlich noch zu Fehlern | |
hinreißen. | |
Schon zuletzt hat Götzl indes Prozesstermine bis Ende August 2018 | |
verlängert. „Höchstvorsorglich“, wie er damals schrieb. Wenn es allerdings | |
so weiter geht wie zuletzt, könnte daraus noch ein „durchaus möglich“ | |
werden. | |
25 Oct 2017 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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