# taz.de -- Muslime in Angst: Schwierig zu schützen | |
> Am Tag des Anschlags von Hanau erhielt die Bremer Fatih-Moschee eine | |
> Bombendrohung, kurz darauf einen Brief mit weißem Pulver. | |
Bild: Ilker Kabadayi öffnete den Brief mit weißem Pulver, den die Fatih-Mosch… | |
Bremen taz | Hinter dem Schreibtisch von Ilker Kabadayi in der Bremer | |
[1][Fatih-Moschee] hängen an einer Pinnwand viele Briefe und Karten. „Wir | |
haben nach dem Anschlag in [2][Christchurch] in Neuseeland und jetzt nach | |
[3][Hanau] viele Briefe mit Beileidsbekundungen bekommen“, sagt er. Am | |
vorigen Samstag lag wieder ein Brief im Briefkasten – mit Absender, eine | |
Bremer Adresse. Kabadayi dachte, es handle sich um einen weiteren Brief mit | |
guten Worten. „Ich habe meinen Brieföffner reingesteckt“, sagt er, „und … | |
ich ihn rauszog, war da schon [4][Pulver] dran.“ | |
Er wurde stutzig und verließ sofort das Büro, um den Brief draußen weiter | |
zu öffnen. „Ich habe den Brief nicht angefasst und nur mit dem Brieföffner | |
vorsichtig geschaut, was drauf steht“, sagt er. Und da sah er bereits | |
Hakenkreuze. Er rief die Polizei. | |
Es wurde ein Großeinsatz. Krankenwagen und Fahrzeuge der Feuerwehr waren | |
da. Experten der Bundespolizei und der Feuerwehr überprüften, ob es sich | |
bei dem Pulver um eine explosive oder giftige Substanz handle. Das Pulver | |
stellte sich als ungefährlich heraus. | |
Zum Zeitpunkt des Einsatzes befanden sich über 200 Kinder in der Moschee | |
beim Koranunterricht. Sie durften das Gebäude nicht verlassen.„Die Kinder | |
und vor allem auch die Eltern hatten große Sorge“, sagt Kabadayi, der in | |
der Verwaltung von [5][Deutschlands drittgrößter Moschee] arbeitet. Niemand | |
durfte das Gebäude betreten oder verlassen, für etwa zwei Stunden. | |
## Die Kinder standen an den Fenstern | |
Die Kinder hätten an den Fenstern der Moschee gestanden und den Einsatz | |
beobachtet. „Ich musste mit ein paar Kollegen in meinem Büro bleiben“, sagt | |
er. Alle, die mit dem Brief in Berührung gekommen waren, wurden separiert. | |
„Alles wurde abgeriegelt.“ Als die Entwarnung kam, seien alle sehr | |
erleichtert gewesen. | |
Am Sonntag nach dem Vorfall haben am Koranunterricht nur wenige Kinder | |
teilgenommen. Die meisten Eltern wollten ihre Kinder vorerst nicht in die | |
Moschee schicken. „Das dauert sicherlich noch ein paar Wochen“, sagt | |
Kabadayi. „Gefühlsmäßig ist es nicht so einfach.“ Man müsse jetzt | |
zusätzlich aufeinander achten. | |
Seit dem Vorfall fährt jede Stunde, in unregelmäßigen Abständen, ein | |
Polizeiwagen des Objektschutzes vorbei. Für Kabadayi ist das aber nicht | |
genug. Die Mitglieder der Gemeinde fordern mehr Schutz. Im besten Falle | |
sollte die Moschee 24 Stunden am Tag überwacht werden, wie einige | |
Synagogen. Das sei aber schwierig, sagt Kabadayi. „Hier in Bremen haben wir | |
etwa [6][20 bis 25 Moscheen]“, sagt er. | |
Bekomme eine Moschee Schutz, würden alle anderen natürlich dasselbe | |
fordern. Die Polizei habe gar nicht die Kapazitäten vor jeder Moschee zwei | |
Beamte abzustellen. „Wir bekommen, anders als die Kirche, in Deutschland | |
keine zusätzlichen [7][Gelder vom Staat]“, sagt das ehemalige | |
Vorstandsmitglied. „Wir finanzieren uns ausschließlich durch Spenden und | |
Mitgliedsbeiträge.“ Da sei es zu teuer, einen privaten Sicherheitsdienst zu | |
engagieren. | |
Einen Tag vor dem [8][Terroranschlag in Hanau], bei dem ein Schütze in und | |
vor zwei Shishabars neun Menschen ermordete, hatte die Stadt Bremen eine | |
Forderung der muslimischen Verbände nach mehr Schutz für Moscheen | |
abgelehnt. Eine besondere Gefährdungslage sei derzeit nicht erkennbar, | |
erklärte die Innenbehörde damals in der Fernsehsendung „Buten un binnen“ … | |
eine Aussage, die sie einen Tag später revidierte. Denn am Tag des | |
Anschlags von Hanau hatte die Fatih-Moschee eine [9][Bombendrohung] | |
erhalten. Seitdem fährt die Polizei verstärkt Streife. | |
Am vergangenen Donnerstag hat die Schura, der Rat der islamischen Gemeinden | |
in Bremen, erneut die Bitte nach mehr Schutz der Moscheen an die Polizei | |
herangetragen. „Es geht hierbei auch um das subjektive Sicherheitsgefühl“, | |
sagt der Schura-Vorsitzende Murat Çelik. | |
Zu der Frage, ob es in Zukunft einen vermehrten Schutz muslimischer | |
Einrichtungen in Bremen geben wird, gab die Pressestelle der Polizei | |
bekannt, dass die Objektschutzmaßnahmen sich an der polizeilichen | |
Gefährdungsbewertung orientierten. Die Polizei sei darüber hinaus in | |
regelmäßigem Austausch mit den entsprechenden Institutionen und | |
Einrichtungen. | |
## Keine öffentlichen Auskünfte | |
Dazu, ob es eine 24-Stunden-Überwachung geben werde, könne man „aus | |
polizeitaktischen Gesichtspunkten keine öffentlichen Auskünfte geben“, sagt | |
Franka Haedke, Pressesprecherin der Polizei Bremen. Die Fatih-Moschee sei | |
aber „Teil des [10][Objektschutzplans] der Polizei“. | |
Oben, im ersten Stock der Fatih-Moschee, befindet sich der Gebetsraum. Ein | |
riesiger Raum, die Wände komplett mit bunten Kacheln verziert, große | |
Fenster lassen viel Licht herein. Das Dach formt sich in der Mitte des | |
Raumes zu einer Kuppel, ebenfalls verziert mit bunten Kacheln und | |
Kalligraphien. In der Mitte der Kuppel hängt ein großer Kronleuchter aus | |
vielen gläsernen Kristallen. | |
Der Gebetsraum darf nur mit Socken betreten werden, die Schuhe müssen | |
vorher im Flur abgelegt werden. Es herrscht eine ruhige Atmosphäre. Im | |
hinteren Teil des Raumes sitzt ein Mann mit geschlossenen Augen auf dem | |
Boden und betet. Der Boden ist bedeckt mit Teppich, der alle Geräusche | |
dämpft. | |
„Zum Freitagsgebet haben wir oft etwa 800 Gäste hier“, sagt Kabadayi. Er | |
weist in Richtung der Gebetsnische. „Dort steht dann der Imam und betet | |
vor.“ Männer und Frauen beten getrennt, auf einer Empore die Frauen, unten | |
die Männer. | |
Insgesamt ist Platz für 1.300 Menschen. An Feiertagen oder wenn keine | |
Schule sei, dann sei der Raum manchmal fast voll. „Zumindest Freitags, wenn | |
wir so viele Gäste hier haben, dann könnte ein Streifenwagen vor der Tür | |
mit zwei Beamten schon eine Erleichterung sein“, sagt Kabadayi. | |
## Tür ist offen | |
„Unsere Tür ist immer offen und das muss auch so bleiben“, sagt er. Jeder | |
sei hier willkommen und müsse immer die Möglichkeit haben, zu kommen und zu | |
gehen wann er oder sie will. „Wenn ich bete, dann habe ich jetzt oft im | |
Kopf, was passieren würde, wenn jemand rein kommt.“ | |
Beim Beten knie man mit dem Rücken zur Tür. „Wenn dann jemand kommt und wir | |
beten alle, dann hat er freie Wahl“, sagt Kabadayi. Seine Hand beschreibt | |
einen Halbkreis. Er senkt den Blick. „Es sollte sich nicht erst etwas | |
ändern, wenn schon was Schreckliches passiert ist.“ | |
9 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] http://www.fatih-moschee.de/ | |
[2] /Nach-dem-rechten-Terror-in-Neuseeland/!5577817 | |
[3] /Anschlag-in-Hanau/!5665253 | |
[4] https://www.migazin.de/2020/03/02/bremer-moschee-erhaelt-drohbrief-mit-pulv… | |
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Fatih-Moschee_(Bremen) | |
[6] https://www.moscheesuche.de/moschee/stadt/bremen/2511 | |
[7] /Debatte-Gleichstellung-des-Islam/!5027876/ | |
[8] /Hanau/!t5563930/ | |
[9] http://www.schurabremen.de/index.php/18-startseitenbeitrag/224-pressemittei… | |
[10] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/35235/3610801 | |
## AUTOREN | |
Mahé Crüsemann | |
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