# taz.de -- Monet-Ausstellung am Molkenmarkt: Spazieren an Monets Seerosenteich | |
> Eine Ausstellung in der Alten Münze präsentiert Claude Monets Bilder | |
> digital. So kommt man den Bildern des Impressionisten ganz nah. | |
Bild: In „Monets Garten“ nimmt eine Kamera Bewegungen der Besucher:innen au… | |
Typisch Berlin. Da wird ein ästhetisch hochwertiges Erlebnis versprochen, | |
und dann das: Die Alte Münze, ein Veranstaltungsort, liegt am | |
[1][Molkenmarkt], dem derzeit wohl unwirtlichsten Ort der Stadt. Der | |
älteste Markt Berlins liegt aufgebuddelt da. Eine Straße soll verlegt | |
werden; ein Bohlenweg aus dem Mittelalter wurde dabei gefunden. | |
Womöglich hätte der Mann, der in die, nun ja: digitale Postmoderne gebeamt | |
wird, seinen Gefallen an der Szenerie draußen vor der Tür gefunden. Hatte | |
Claude Monet doch auch ein Faible für technische Dinge. Eine Zeitlang malte | |
er mit Inbrunst Lokomotiven. | |
Lokomotiven? Tja, wieder was gelernt. Dazu ist das „immersive | |
Ausstellungserlebnis“ namens [2][„Monets Garten“] (bis 20. März) auch da. | |
Die Veranstalter haben drei Räume mit raffinierten digitalen Mitteln | |
gestaltet, man kann, im übertragenen, doch fast wörtlichen Sinne, in Monets | |
Bilder eintauchen. Eintauchen? | |
Ein Kollege rümpft die Nase. „Monet ohne Leinwand! Das ist doch keine | |
Kunst! Das ist für Touristen gemacht!“ Na und? Einfach mal hingehen und die | |
Sache unvoreingenommen wirken lassen. | |
## Farbpigmente führen ein Eigenleben | |
Man kommt den Werken des Impressionisten ganz nahe. Eine Lupe fährt über | |
seine Gemälde und vergrößert die Strukturen. Drei weitere Bilder beginnen | |
plötzlich zu pulsieren und bewegen sich fließend, man könnte meinen, dass | |
die Farbpigmente, in Pixel zerlegt, ein Eigenleben führen wie im Wasser | |
treibende [3][Seeanemonen-Tentakel]. Monets orgiastischer Umgang mit Farbe | |
und Pinsel wird hier zum Leben erweckt. Wie kraftvoll das wirkt. Wie | |
verletzlich. | |
Dazu gibt es klassische Musik. Und ja, das hier hat Eventcharakter. Jetzt | |
ein DJ und gut gekühlte Getränke, fertig wäre ein perfektes Clubambiente. | |
Geht aber nicht. Auch wenn das ganz im Sinne von Nepomuk Schessl wäre, dem | |
Produzenten der Ausstellung. „Wenn die Situation nicht so schwierig gewesen | |
wäre, hätten wir mehr möglich gemacht“, sagt er der taz. | |
„Kammermusikkonzerte in Monets Bildern zum Beispiel.“ | |
Eine verwunschen (oder kitschig, das ist Ansichtssache) wirkende | |
Raumatmosphäre ist Monets Garten in Giverny bei Paris nachempfunden: Im | |
Gartenhaus befindet sich eine Cafeteria, die japanische Brücke über den | |
animierten Seerosenteich soll der Hotspot bei den jüngeren Leuten sein. Die | |
Brücke mit Kunstblumen in Buntlicht getaucht macht sich für Selfies für | |
Social-Media-Kanäle verdammt gut. | |
## Als ob sie selbst malen würden | |
Und das Gemälde rechts an der Wand führt augenscheinlich ein Eigenleben … | |
Ah, so geht das: Dank Kamera nimmt eine Software alle Bewegungen der vorm | |
Bild stehenden Besucher:innen auf, die Farbpigmente folgen dem | |
vorgegebenen Input (siehe Foto oben). Kinder vollführen artistische | |
Kunststücke; Ältere gehen eher bedächtig vor und schwenken Arme, als ob sie | |
selbst malen würden. | |
Am Ende führt ein Film von 44 Minuten durch Leben und Wirken Monets. Da | |
sind dann die Lokomotiven, aber auch alle anderen Bilder zu sehen, die | |
Familie beim Picknick, Blumenwiesen und all die Seerosen. Alles bewegt | |
sich, tönt, leuchtet, strahlt von rechts und links, unten und oben. Und | |
mensch ist mittendrin. | |
Und wer Monet partout auf Leinwand sehen will, bitteschön: Das [4][Museum | |
Barberini in Potsdam] zeigt dauerhaft die umfangreiche Sammlung | |
impressionistischer Gemälde des Museumsgründers Hasso Plattner. Darunter 34 | |
Gemälde von Claude Monet – außerhalb von Paris sind nirgends in Europa mehr | |
Werke dieses Künstlers an einem Ort zu sehen. | |
6 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Zukunft-des-Berliner-Molkenmarkts/!5825901 | |
[2] https://monets-garten.reservix.de/#2022-01-31 | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Seeanemonen | |
[4] https://www.museum-barberini.de/de/ausstellungen/520/impressionismus | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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