| # taz.de -- Kritik an Kunst als Kapital: Collagen zum Aufhängen | |
| > Der Berliner Künstler Jens Ullrich hat den Band „Bilder ohne Geld“ | |
| > veröffentlicht – seine Motive gibt er darin zum Selberdrucken frei. | |
| > Warum? | |
| Bild: Jens Ullrich sitzt mit seinem Buch vor einem der vergrößerten Motive | |
| „Wenn ich in eine Galerie gehe, dann sehe ich nicht nur einfach Bilder und | |
| Motive, dann sehe ich immer gleichzeitig auch das Geld. Was kostet das | |
| Bild, wie ist es hier hin gekommen, durch welche kapitale Potenz und durch | |
| welches Geld wurde das überhaupt erreicht?“, erzählt Jens Ullrich. | |
| Der 54-jährige Künstler macht sich seit einigen Jahren Gedanken über den | |
| Wert von Kunst und kritisiert, dass es in der Kunstwelt am Ende doch immer | |
| nur ums Geld geht, wie er denkt. Um etwas dagegen tun, hat er etwas | |
| komplett Neues gewagt: Ende 2021 hat er seine Werke der vergangenen zwei | |
| Jahrzehnte in einem Bildband herausgegeben, in dem er auch die Lizenz für | |
| diese freigibt. „Bilder ohne Geld“ heißt das Buch, in dem dreihundert | |
| seiner Bilder als Scanvorlagen veröffentlicht sind. | |
| Das ist zumindest das, was sich Ullrich vorstellt: dass Menschen sich seine | |
| Bilder großflächig an die Wand tapezieren können, zu Hause, im öffentlichen | |
| Raum oder wo auch immer. Dafür gibt es am Ende des Buches eine ausführliche | |
| Anleitung. | |
| Ullrichs Bilder sind zum größten Teil Fotomontagen und -collagen, er | |
| arbeitet viel mit bereits existierenden Fotos und versucht diese in einen | |
| anderen Kontext zu setzen. Da gibt es zum Beispiel Schwarz-Weiß-Fotografien | |
| von Menschen, auf deren Köpfe Ullrich traditionelle afrikanische Holzmasken | |
| montiert hat. | |
| Die Collagen strahlen etwas Befremdliches, vielleicht sogar Gruseliges aus. | |
| Es gibt Fotos von erlegten Tieren wie einem toten Zebra oder einem | |
| Nilpferd, auf oder neben die schwarzen Tierskulpturen montiert sind. | |
| Ullrich wurde in Tansania geboren und hat ursprünglich Malerei an der | |
| Kunstakademie Düsseldorf studiert. In der Vergangenheit hat er unter | |
| anderem in der Londoner Tate, der Frankfurter Schirn und der Hamburger | |
| Kunsthalle ausgestellt. Doch mit der Veröffentlichung von „Bilder ohne | |
| Geld“ ist damit nun erst mal Schluss. | |
| „Nachdem ich jetzt das Buch herausgegeben habe, ist es für mich nicht mehr | |
| möglich, Geld mit den Bildern zu verdienen. Früher habe ich ja auch Sachen, | |
| die im Buch drin sind, als Kunst in Galerien verkauft“, erzählt Ullrich in | |
| seinem Atelier in Berlin-Kreuzberg. | |
| Den Schritt, seine Bilder frei zur Verfügung zu stellen, sieht er auch als | |
| einen Versuch, die Kunst aus der elitären Ecke herauszuholen, in der sie | |
| seiner Meinung nach immer weiter verschwindet. | |
| Dort geht es ihm zufolge nach immer auch um Geld: „In Galerien hat man den | |
| Eindruck, das ist eine Sache, die hat nur mit reichen Leuten zu tun. Wenn | |
| man mal auf so ein Event geht, in einer diesen protzigen Galerien, dann | |
| wird man nicht gleichwertig behandelt“, behauptet Ullrich. | |
| Über seine Motivation zu dem Buch erzählt er weiter: „Ich möchte das, was | |
| ich mache, teilen. Ich will, dass es teilbar ist, wenigstens symbolisch. | |
| Die Bilder sollen nicht ausstrahlen, dass sie nur bei Menschen hängen | |
| können, die sich das leisten können. Das nimmt den Spaß daran – und vor | |
| allem die Freiheit.“ | |
| ## Zehn Euro Schutzgebühr | |
| Zu kaufen gab es das Buch nur in sehr geringer Auflage in den Läden von | |
| Walther König, in dessen renommierten, gleichnamigen Verlag Ullrich es auch | |
| veröffentlicht hat. Zehn Euro Schutzgebühr hat es dort gekostet und war | |
| innerhalb weniger Tage ausverkauft. | |
| Der größte Teil der Bücher steht in öffentlichen Bibliotheken: insgesamt | |
| sind es 400 Exemplare, die überall in Deutschland verteilt zur Ausleihe | |
| bereitstehen. Ullrich hat sie den Bibliotheken geschenkt. | |
| Wenn man sich dazu entscheidet, eines der Bilder großformatig zu drucken | |
| und zu tapezieren, kostet dies insgesamt um die 200 Euro. Der Gedanke, | |
| Kunst allen Menschen zugänglich zu machen, ist zwar ein schöner – doch ist | |
| auch das für viele eine Menge Geld. | |
| Ist das also doch wieder nur eine Sache, für die, die es sich auch leisten | |
| können? Jein, denn man kann sich die Bilder natürlich auch in kleinerem A3- | |
| oder A1-Format drucken, was deutlich kostengünstiger ist. | |
| Trotz allem ist fraglich und eher unwahrscheinlich, dass dieses Buch die | |
| Kunstwelt und den Zugang zur ihr verändern wird. Etwas Neues und eine | |
| schöne Idee ist es aber in jedem Fall. | |
| 12 Feb 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Undine Weimar-Dittmar | |
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