# taz.de -- Militärtechnik und Strategien im All: Bundeswehr zündet Rakete | |
> In der Nähe von Kalkar in NRW wird das erste „Weltraumkommando“ der | |
> Bundeswehr eröffnet. Zu welchen Sternen will man da? | |
Bild: Fast 2000 Satelliten umkreisen auf unterschiedlichen Orbits die Erde (Ill… | |
Es ist in Mode gekommen, Weltraumkommandos zu eröffnen. 2019 hat | |
US-Präsident Trump eine eigene 6. Teilstreitkraft, die „U.S. Space Force“, | |
gegründet, Frankreich im September die „L'armée de l’air et d’espace“ | |
ausgerufen und nun folgt auch Deutschland mit der Indienststellung des | |
„Weltraumkommandos der Bundeswehr“ in Uedem bei Kalkar (NRW). Was verbirgt | |
sich hinter dieser Entwicklung oder geht es nur um neue Planstellen, | |
Generalsränge und Prestige? | |
Ohne Zweifel wird die planetare Weltraumumgebung immer wichtiger. Zentrale | |
Elemente der Kommunikation (TV, Telefon, Internet), Navigation (GPS, | |
Galileo) oder die Erdbeobachtung sind weltraumgestützt, erleichtern das | |
Leben auf der Erde und werden vielfach genutzt. Fast 2000 Satelliten | |
umkreisen auf unterschiedlichen Orbits die Erde und gewährleisten | |
kommerzielle wie zivile Satellitendienste für Meteorologie, | |
Katastrophenmanagement oder den Umweltschutz. Auch wenn die Magna Charta | |
der Weltraumnutzung, der Weltraumvertrag von 1967, das All als | |
„hoheitsfreien Gemeinschaftsraum“ bezeichnet und dafür die „friedliche | |
Nutzung“ vorschreibt, schreitet gleichzeitig die Militarisierung des Alls | |
weiter voran. | |
Militärische Anwendungen wie Spionage, Frühwarnung oder Flugkörperlenkung | |
machen Weltraumanwendungen interessant für die Militärs. In den letzten | |
Jahren wurden zudem vermehrt Tests zur Zerstörung von Satelliten beobachtet | |
und zwar nicht nur durch die im Weltraum dominanten USA, das ambitionierte | |
China und Russland, sondern auch durch Indien. Mehr nationale Sicherheit im | |
All und der Schutz kritischer Infrastrukturen im Rahmen der | |
fortschreitenden Machtrivalitäten zwischen diesen Mächten sind hier die | |
Argumente. Die NATO baut in Ramstein ein NATO Space Center zur | |
Koordinierung der Weltraumaktivitäten der NATO-Mitglieder auf und erklärte | |
jüngst in Brüssel, dass nun auch ein Angriff im Weltraum als Bündnisfall | |
gewertet werden kann. | |
Auch die Bundeswehr sieht die Nutzung des Weltraums als eine | |
„[1][streitkräfte-gemeinsame Dauereinsatzaufgabe]“ an, deren Kommando jetzt | |
der Luftwaffe übergeben wird. Es geht neben der Erstellung der Weltraum- | |
und Luftlage um die Einsatzunterstützung, die Planung und Führung von | |
Streitkräften aus dem Weltraum heraus, aber auch um den gesicherten Betrieb | |
von Satelliten z.B. gegenüber elektronischer Störung. Damit ist die | |
Problematik mit dem Cyber- und Informationsraum (CIR) verbunden, denn | |
Satelliten sind zentrale Relaisstationen z.B. für die Internetnutzung. | |
## Abhängige Bundeswehr | |
Die Bundeswehr alleine verfügt nur über wenige Kommunikations- und | |
Beobachtungssatelliten zur Radaraufklärung, ist also im Wesentlichen heute | |
von den Daten der Verbündeten, allen voran der USA abhängig. Europa hat | |
selbst nur begrenzte Überwachungsfähigkeiten. Diese sind aber besonders | |
wichtig bei der Detektion von dem immer stärker anfallendem | |
Weltraumschrott. | |
Weltraumtrümmer wie ausgebrannte Raketenstufen oder zerstörte | |
Satellitenteile, die unkontrolliert in verschiedenen Orbits die Erde | |
umkreisen, sind aufgrund ihrer hohen Eigengeschwindigkeit und geringen | |
Größe heute eine akute Gefahr für Satelliten, zumal sie je nach Umlaufbahn | |
lange im Orbit verbleiben. Durch die Ausdünnung der Atmosphäre durch den | |
Klimawandel fällt weniger Weltraumschrott zurück auf die Erde. Bis zum | |
Jahre 2100 könnte damit die Zahl der Weltraumtrümmer um den Faktor 50 | |
zunehmen und eine ernste Gefahr für die Satelliten der Staatenwelt | |
darstellen. | |
Die Bundeswehr hat allerdings kaum Fähigkeiten, zur Lösung dieses Problems | |
beizutragen, sondern höchstens eine von den USA abhängige Frühwarnfunktion. | |
Zudem sind die zivilen Behörden wie die European Space Agency oder andere | |
UN-Gremien wie das „UN Committee of the Peaceful Use of Outer Space“ besser | |
aufgestellt, um allgemeine Regeln zur Vermeidung von Weltraumschrott zu | |
schaffen. Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer erklärte bei der | |
Eröffnung in Uedem dennoch: Die Indienststellung des Weltraumkommandos sei | |
„ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Handlungsfähigkeit in der Dimension | |
Weltraum“. | |
## Kriegsführungsdomäne | |
Die Gründung neuer Weltraumkommandos überdeckt, dass in den letzten Jahren | |
die Gefahr gestiegen ist, dass der Weltraum tatsächlich zur | |
Kriegsführungsdomäne wird. Die Anzeichen für ein verstärktes Wettrüsten in | |
und um den Weltraum sind jedenfalls unübersehbar. Das US-Militär betreibt | |
einen unbemannten Mini-Shuttle, Russland testet ko-orbitale | |
Antisatellitenkapazitäten und China investiert in ein intransparentes | |
Weltraumprogramm. | |
Die Gefahr einer Bewaffnung des Weltraums ist angesichts der Verwundbarkeit | |
von Satelliten ein ernstes Problem, das längerfristig nur durch neue | |
Regeln, Standards und diplomatische Initiativen und nicht durch Aufrüstung | |
im All begrenzt werden kann. [2][Der Weltraumvertrag von 1967] bildet das | |
Fundament für zukünftige Regelungen im Weltraum, bedarf aber Ergänzungen | |
durch Rüstungskontrolle und einer besseren Umsetzung von längst | |
akzeptierten Normen. Alle führenden Weltraummächte verkünden zwar, ein | |
Wettrüsten im Weltraum müsse vermieden werden, aber ernsthafte Schritte, | |
die nachhaltige und dauerhafte Regeln im All etablieren, sind bisher kaum | |
zu erkennen. Deutschland sollte gemeinsam mit verbündeten Staaten | |
verbindliche Regeln für verantwortungsvolles Handeln im Weltraum | |
international durchsetzen. Die EU könnte dazu einen Vorschlag zum Verbot | |
der Zerstörung von Satelliten im Weltraum erarbeiten. | |
13 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] http://www.bmvg.de%2Fresource%2Fblob%2F26544%2F9ceddf6df2f48ca87aa0e3ce2826… | |
[2] https://sicherheitspolitik.bpb.de/de/m7/articles/m7-14 | |
## AUTOREN | |
Götz Neuneck | |
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