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# taz.de -- Medizin im Katastrophenfall: „Triage-Gesetz“ beschlossen
> Nach einer letzten Debatte im Bundestag wird ein Gesetz beschlossen, das
> Ärzte und Menschenrechtsaktivisten aufbringt. Es geht um Leben und
> Tod.
Bild: Wer bekommt das letzte freie Intensivbett?
Berlin taz | 45 Minuten waren auf der Tagesordnung für die abschließende
Debatte und Abstimmung zum „Triage-Gesetz“ vorgesehen. Ganz so schnell ging
die [1][im Vorfeld vielkritisierte Neuregelung] am Donnerstagabend im
Bundestag aber dann doch nicht über die Bühne. Diverse Abgeordnete der
Regierungsfraktionen hielten sich nicht an die Fraktionsdisziplin und
stimmten per Handzeichen gegen den Gesetzentwurf. Das Bundestagspräsidium
leitete daraufhin eine namentliche Abstimmung ein.
Mit der [2][Triage-Regelung im Infektionsschutzgesetz] soll für den Fall
vorgesorgt werden, dass intensivmedizinische Ressourcen nicht für alle
Patient:innen ausreichen. In der Pandemie standen einzelne
Krankenhäuser [3][bereits kurz vor diesem Katastrophenfall]. Das
Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber [4][nach einer
Verfassungsbeschwerde] aufgefordert, dafür zu sorgen, dass bei einer
notwendigen Zuteilung zu knapper Behandlungsplätze Menschen mit Behinderung
und andere Gruppen nicht benachteiligt werden.
In der Debatte im Bundestag konnte man zunächst den Eindruck gewinnen, dass
zumindest die Regierungsfraktionen sicher sind, für diesen Auftrag eine
geeignete Lösung gefunden zu haben. Gesundheitsminister Karl Lauterbach
(SPD) betonte, das Gesetz stelle sicher, dass Vorerkrankungen und
Behinderungen keine Rolle spielten, wenn Intensivbetten tatsächlich knapp
werden sollten in einer erneuten Pandemie. Es sei ein gutes Gesetz zu
ethisch höchst schwierigen Fragen, so die rechtspolitische Sprecherin der
FDP-Fraktion, Katrin Helling-Plahr.
## „Beste Lösung für ein Dilemma“
Das Gesetz vereine die Forderungen nach der Rettung möglichst vieler
Menschenleben im Katastrophenfall und dem Schutz vor Diskriminierung, war
sich Martina Stamm-Fibich, Patientenbeauftragte der SPD-Fraktion, sicher.
Es sei „die beste Lösung für ein Dilemma, das niemals zur Zufriedenheit
aller aufgelöst werden kann“, so Stamm-Fibich.
Till Steffen, parlamentarischer Geschäftsführer der
Grünen-Bundestagsfraktion, verwies darauf, dass das im Gesetz gewählte
Kriterium für eine Zuteilung zu knapper Behandlungsressourcen, die
kurzfristige und aktuelle Überlebenswahrscheinlichkeit, objektivierbarer
sei als andere Lösungen.
Die Oppositionsparteien nahmen dagegen die Kritik auf, die zuvor auch schon
Ärzt:innen, Behinderten- und Menschenrechtsaktivist:innen geäußert
hatten. Der ehemalige Bundesbehindertenbeauftragte Hubert Hüppe (CDU)
verwies darauf, dass sowohl Behindertenselbstvertretungen als auch
Mediziner:innen nicht ausreichend beteiligt worden seien am
Gesetzgebungsverfahren.
Der Sprecher für Inklusion und Teilhabe der Linksfraktion, Sören Pellmann,
betonte die Tragweite des Gesetzes: „Im weltweit ersten Triage-Gesetz geht
es um nichts anderes als um Leben und Tod.“ Pellmann brachte vor, dass die
Behindertenbeauftragten des Bundes und der Länder auf schwerwiegende
Diskriminierungsrisiken des Gesetzes hingewiesen hatten. Er verlangte eine
Ablehnung des Gesetzentwurfs, eine Aufhebung des Fraktionszwangs und eine
breite gesellschaftliche Debatte. Das hatte in den Tagen vor der Abstimmung
auch das Deutsche Institut für Menschenrechte gefordert.
Bei der namentlichen Abstimmung stimmten schließlich zwar ausreichend
Abgeordnete für das Gesetz. Aber mit 366 Ja-Stimmen, 284 Nein-Stimmen und 5
Enthaltungen war das Ergebnis längst nicht so eindeutig, wie es die
Fraktionsstärken der Regierungsparteien hätten vermuten lassen. Mehrere
Abgeordnete der Grünen und der FDP stimmten dagegen.
Sowohl Ärzt:innen als auch Behindertenrechtsaktivist:innen
rechnen nun mit einem erneuten Gang vors Verfassungsgericht.
11 Nov 2022
## LINKS
[1] /Triage-Gesetz-im-Bundestag/!5890649
[2] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw45-de-infektionsschutz…
[3] /Mediziner-ueber-Triage-in-der-Pandemie/!5818986
[4] /BVerfG-zu-Menschen-mit-Behinderung/!5821967
## AUTOREN
Manuela Heim
## TAGS
Triage
Schwerpunkt Coronavirus
Behindertenpolitik
Inklusion
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