# taz.de -- Machtkampf in Sudan: Lage in Khartum spitzt sich zu | |
> Eine neue Protestbewegung in Sudan fordert die Wiederherstellung der 2019 | |
> beendeten Militärherrschaft. Die zivile Regierung steht unter Druck. | |
Bild: Khartum am Samstag: Sieht aus wie Protest für die Demokratie, will aber … | |
BERLIN taz | Scheitert Sudans Demokratisierung? Eine Konfrontation zwischen | |
der zivilen Übergangsregierung, die das Land zur Demokratie führen soll, | |
und Anhängern einer Rückkehr zur Militärregierung spitzt sich in der | |
Hauptstadt Khartum zu. Die Polizei sprengte am Montagmittag unter Einsatz | |
von Tränengas eine Sitzblockade durch Armeeanhänger vor dem Amtssitz des | |
zivilen Premierministers Abdallah Hamdok. Doch deren Protestcamp bleibt | |
bestehen, und sie wollen weiter den Sturz der Übergangsregierung. | |
Die Demonstranten wollen den Sturz der Übergangsregierung. Hamdok sprach | |
auf einer Sondersitzung der Regierung von der „schlimmsten Krise“ seit der | |
Revolution von 2019. | |
Im April 2019 hatte Sudans Militär nach monatelangen Massenprotesten den | |
seit 1989 regierenden Militärdiktator Omar Hassan al-Bashir [1][abgesetzt]. | |
Die hohen Generäle und die Demokratiebewegung bildeten danach eine | |
gemeinsame [2][Übergangsregierung] für zunächst drei, dann fünf Jahre bis | |
zu freien Wahlen, die aktuell für Ende 2023 anvisiert sind. Es gibt eine | |
Technokratenregierung unter dem zivilen Premierminister Hamdok und einen | |
„Souveränitätsrat“ unter Führung von General Abdelfattah al-Burhan, der … | |
Regierung überwacht. | |
Der Vereinbarung zufolge übergibt General Burhan im Juni 2022 sein Amt an | |
einen Zivilisten. Je näher dieser Termin rückt, desto vernehmlicher wehrt | |
sich Sudans militärisches Establishment gegen den drohenden Machtverlust. | |
## Generäle mit Privatfirmen und Privatarmeen | |
Denn trotz des Umsturzes von 2019 dominiert das Militär immer noch Sudans | |
Politik und Wirtschaft – der Verteidigungshaushalt frisst 22 Prozent des | |
Staatshaushaltes für 2021, Unternehmen unter Militärkontrolle machen 80 | |
Prozent des Staatssektors aus und entziehen sich der Regierungskontrolle, | |
wie Premierminister Hamdok beklagt hat. | |
Wichtige Generäle unterhalten nicht nur Firmen, sondern Privatarmeen und | |
entziehen diese der Integration aller bewaffneten Streitkräfte in die | |
Armee. So besteht General Daglo Hametti, Vizepräsident des | |
Souveränitätsrates, auf der Autonomie seiner Miliz [3][Rapid Support Forces | |
(RSF)], die aus den für Massaker verantwortlichen Janjaweed-Milizen in | |
Darfur hervorgegangen sind. | |
Solche Kräfte, ebenso wie die zu Zeiten Bashirs politisch einflussreichen | |
Islamisten, machen nun gegen die Regierung Hamdok mobil. Sie regen sich | |
über Bestrebungen auf, Exdiktator Bashir doch noch an den Internationalen | |
Strafgerichtshof [4][auszuliefern], und nutzen vor allem aus, dass die | |
Wirtschaftslage der Bevölkerung unverändert schlecht ist. | |
Steigende Brotpreise waren der [5][Auslöser der Proteste gegen die | |
Bashir-Diktatur Ende 2018] gewesen. Seit Januar 2021, als die | |
Jahresinflationsrate auf über 300 Prozent stieg, kommt es erneut zu | |
Demonstrationen. | |
Die Regierung hat sich internationalen Kreditgebern angenähert, aber | |
nachdem sie mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) am 29. Juni ein | |
gigantisches [6][Hilfsprogramm] vereinbarte, als deren Bedingung sie die | |
Benzinpreissubventionierung beendete und die Inflation auf über 400 Prozent | |
trieb, kam es in Khartum zu breiten Protesten unter dem alten arabischen | |
Revolutionsmotto „Das Volk will den Sturz des Regimes“. | |
Schon damals wurde die Hand der Generäle hinter den Protesten vermutet, | |
auch weil der Protesttag des 30. Juni der Jahrestag von Bashirs | |
Militärputsch von 1989 ist. | |
## Wirtschaftsblockaden und ein Putschversuch | |
Im September begannen Demonstranten, die Straße aus Sudans Hauptstadt | |
Khartum zum wichtigsten Exporthafen Port Sudan am Roten Meer zu blockieren. | |
Kurz darauf, am 21. September, erklärte die Regierung, sie habe einen | |
Putschversuch „einer Gruppe von Offizieren der Streitkräften und Zivilisten | |
des alten Regimes“ vereitelt. | |
General Hametti sagte daraufhin, die Regierung ignoriere die | |
„Unzufriedenheit des Volkes“, und die Blockaden weiteten sich aus: auf den | |
Flughafen von Port Sudan und die Ölpipeline, die Ölexporte aus Sudan und | |
Südsudan ans Rote Meer bringt. | |
Seitdem wird der Machtkampf wieder auf der Straße ausgetragen. Tausende | |
demonstrierten am 30. September in Khartum gegen das Militär. Am 15. | |
Oktober folgte die Gegendemonstration von Anhängern der Armee, die einen | |
Militärputsch fordern – unterstützt von mehreren Ministern der | |
zerstrittenen Regierung. Zugleich forderte General Burhan den | |
Premierminister Hamdok auf, die Regierung aufzulösen – der weigerte sich. | |
Nun hat die Polizei vorerst zurückgeschlagen. Aber der Showdown kommt erst | |
noch. Der Protest der Armeeanhänger geht weiter, und am Donnerstag will die | |
frühere Demokratiebewegung „eine Million Menschen“ auf die Straße bringen, | |
um eine Restauration der Militärherrschaft zu verhindern. | |
18 Oct 2021 | |
## LINKS | |
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[6] https://www.imf.org/en/News/Articles/2021/06/29/pr21199-sudan-to-receive-de… | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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