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# taz.de -- Militärputsch in Sudan: Staatsstreich mit Ansage
> Sudans Generäle haben die zivile Übergangsregierung abgesetzt, die das
> Land zur Demokratie führen sollte.
Bild: Protest gegen die Machtübernahme des Militärs in den Straßen von Khart…
Leider war der Militärputsch in Sudan, der am Montag früh vor Sonnenaufgang
stattfand, zu erwarten. Schon seit Militär und Zivilisten vor zwei Jahren
nach dem Sturz des Militärdiktators Omar Hassan al-Bashir eine gemeinsam
Regierung formierten, war klar, dass es eine Heirat ohne Liebe sein würde.
Während die Armee wichtige Zugangsstraßen und Brücken in der Hauptstadt
Khartum abschloss, strömten protestierende Menschen auf die Straßen. Ein
Blutbad ist zu befürchten.
Das Internet ist blockiert und der Flughafen ist geschlossen, aber trotzdem
kommen Bilder aus Sudan von Demonstranten, die Barrikaden bauen, in
Wohnvierteln von Khartum wie auch in Omdurman, die Zwillingstadt auf der
anderen Seite des Nils. Sie stecken Autoreifen in Brand und skandieren:
„Die Leute sind stärker, stärker“ und „Rückzug ist keine Option!“ Die
Kommunistische Partei rief zu Streiks und Protesten auf. Auch in anderen
Städten im Land wie El Obeid, Port Sudan und Atbara wird gegen den Putsch
protestiert.
Es waren dieselben Bürger, die im Dezember 2018 massenhaft auf die Straßen
gingen und damit die Basis legten für den Umsturz von April 2019, als der
[1][seit 1989 regierende Bashir] abgesetzt wurde. Unter nationalem und
internationalem Druck vereinbarten damals nach schwierigen Verhandlungen
Militärs und Zivilisten, eine gemeinsame Regierung zu gründen.
Seitdem gab es einen Anschlag auf Premierminister Abdallah Hamdok und einen
gescheiterten Putsch im vergangenen September. [2][Vorige Woche erst
demonstrierten] konservative Islamisten, die eine Militärregierung wollen,
und kurz danach gab es [3][einen Gegenprotest von zivilen Organisationen].
Berichten zufolge wurde Hamdok jetzt gedrängt, den Militärputsch zu
unterstützen, lehnte dies jedoch ab und forderte stattdessen die
Bevölkerung dazu auf, mit friedlichen Protesten fortzufahren, um „die
Revolution zu verteidigen“.
Die Militärs unter Leitung von General Abdel-Fattah Burhan – Vorsitzender
des Souveränen Rates, die höchste Macht im Land – waren schon Teil des
alten Regimes von Bashir. Burhan und der Vize-Vorsitzende des Rates,
General Daglo Hametti, spielten eine wichtige Rolle im Bürgerkrieg in
Darfur im Westen des Landes, wo nach Schätzungen in den Jahren ab 2003 eine
halbe Million Menschen ums Leben kamen.
Der Internationale Strafgerichtshof ICC sucht Bashir deswegen per
Haftbefehl wegen Völkermordes und hat Sudan gebeten, Bashir, der seit
seinem Sturz wegen Korruption im Gefängnis sitzt, auszuliefern. Wenn es zu
so einen Verfahren kommt, könnte er aussagen, wofür die beiden Generäle
Burhan und Hametti in Darfur verantwortlich waren, und das könnte
vielleicht zu einer Anklage gegen beide führen.
Sudans Militär hätte viel zu verlieren in einer Demokratie. Sie waren nicht
nur die bewaffnete Macht, sie hatten auch riesige wirtschaftliche
Interessen, zu denen Bashir ihnen Zugang gegeben hat und die sie bis heute
halten. So gaben sie erst vor Kurzem und nach langem Zögern zu, Steuern auf
ihre Geschäftseinnahmen zu zahlen.
Die desaströse Lage der sudanesischen Wirtschaft war ein anderer Feind der
zivilen Revolution. Premierminister Hamdok hat dazu beigetragen, dass Sudan
sich langsam von den Jahren des internationalen Paria-Status unter Bashir
erholte. Das Land wurde 2020 von der staatlichen Terrorunterstützerliste
der USA gestrichen, was die Tür für dringend benötigte internationale
Kredite und Investitionen öffnete. Aber die Wirtschaft hat mit dem Schock
einer Reihe von Reformen zu kämpfen, die von internationalen
Kreditinstituten gefordert wurden.
Ein sudanesischer Geschäftsmann, der in 2019 noch auf den Barrikaden stand
und für ein Ende der Bashir-Diktatur stritt, erzählte schon Ende vorigen
Jahres, dass er Kontakt aufgenommen habe mit den Militärs. „Die helfen uns
Geschäftsleuten. Ich kann bei einer Zusammenarbeit mit ihnen Geld
verdienen. Das schaffte ich nicht mit den Zivilisten“.
Obwohl die wirtschaftliche Lage der Sudanesen sehr schwierig bleibt, mit
hohen und rasch steigenden Preisen für Nahrungsmittel und Benzin, aber ohne
Gehaltserhöhungen, haben die Aktvisiten von 2019 noch genügend Kraft, um
weiterzukämpfen.
Nach der großen Protestdemonstration zur Unterstützung der zivilen
Regierung vorige Woche schrieb der junge Aktivist Abdelmonim Ali, der taz
auf Whatsapp: „Wir haben Freunde verloren während der Revolutionen vor
beinahe drei Jahren, das soll nicht umsonst gewesen sein. Wir müssen weiter
friedlich protestieren und hoffen, dass unsere massenhaften Demonstrationen
die Militärs in die Kasernen zurückdrängen“.
25 Oct 2021
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## AUTOREN
Ilona Eveleens
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