# taz.de -- Lüneburg will Bauwagenplatz räumen: Rechtliche Grauzone | |
> Zum Konzept des Lüneburger Wohnprojektes Unfug gehören auch sechs | |
> Bauwagen. Aber die sollen nach dem Willen der Stadt nun verschwinden. | |
Bild: Bauwagenplatz in Lüneburg: Hier sollte laut Flächennutzungsplan eigentl… | |
HAMBURG taz | Lüneburg hat eigentlich schon bewiesen, dass es geht. Das mit | |
den Bauwagen. Seit knapp zehn Jahren besteht der Wagenplatz am | |
Wienebütteler Weg. Die Bewohner*innen zahlen Pacht an die Stadt und die | |
gibt sich offen: „Innovative Wohnprojekte gehören zu einer Stadt wie | |
Lüneburg“, zitierte damals, zum Zeitpunkt der Abmachung, die Landeszeitung. | |
Genau auf diese Art von Offenheit hoffen nun auch die Bewohner*innen des | |
politischen Wohnprojektes Unfug. Doch die Ausgangslage ist kompliziert. | |
Vor rund zwei Jahren kaufte der Verein Unfug, kurz für „unabhängig, frei | |
und gemeinsam wohnen“, ein Grundstück in der Konrad-Adenauer-Straße im | |
Süden Lüneburgs. Das darauf stehende Haus wurde barrierefrei umgebaut, | |
Gemeinschaftsräume eingerichtet. Insgesamt neun Erwachsene und ein | |
Kleinkind wohnen mittlerweile dort, unter anderem die Aktivistin Cécile | |
Lecomte. Sechs Bauwagen stehen auf dem 2.300 Quadratmeter großen | |
Grundstück. „Die Bauwagen sind ein wichtiger Teil unseres Wohnkonzepts“, | |
sagt Sven Schupp vom Verein Unfug. Nur so könne möglichst vielen Leuten | |
Wohnraum für geringe Mieten geboten werden. Doch die Bauwagen sollen jetzt | |
weg. | |
In einem Brief des Fachbereichs Stadtentwicklung von Mitte November wird | |
der Verein Unfug aufgefordert, die „Bauwagen vom Grundstück zu entfernen“. | |
Sollte dies nicht freiwillig geschehen, werde eine „kostenpflichtige | |
bauordnungsrechtliche Verfügung“, sprich eine Räumung, erlassen. Der Brief | |
kam laut Sven Schupp und Adrian Bösenberg, beide Gründungsmitglieder von | |
Unfug, völlig überraschend. | |
Nachdem das Bauamt Bedenken wegen der nicht genehmigten Bauwagen geäußert | |
hatte, war der Verein auf die Stadtverwaltung und die Stadtfraktionen | |
zugegangen, um „das Projekt auf legale Füße zu stellen“, sagt Schupp. Mit… | |
des Jahres gab es dazu Gespräche. Und nun der Brief mit der | |
Räumungsanordnung. | |
Stadtsprecher Sebastian Koepke-Millon sagt dazu, nach einer „erneuten, sehr | |
sorgfältigen Prüfung der Rechtslage“ seien in dem Schreiben die | |
„wichtigsten Gesichtspunkte“ zusammengefasst worden. Darin heißt es unter | |
anderem, dass es nicht möglich sei, die Bauwagen zu genehmigen. Denn das | |
Grundstück in der Konrad-Adenauer-Straße liege im sogenannten Außenbereich, | |
wo nur unter strengen Voraussetzungen gebaut werden darf. | |
Laut Baugesetzbuch gibt es allerdings eine Ausnahme, „wenn öffentliche | |
Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist“. Diese | |
Voraussetzungen seien jedoch in diesem Fall nicht erfüllt, so die Stadt | |
Lüneburg, da die Wagen den Darstellungen des Flächennutzungsplanes | |
widersprächen. Und laut eben diesem Flächennutzungsplan ist die besagte | |
Fläche Friedhofsgelände. | |
Das ist genau der Punkt, an dem die Mitglieder von Unfug ansetzen. Sie | |
wollen einen Antrag auf einen sogenannten vorhabenbezogenen Bebauungsplan | |
stellen, um so Baugenehmigungen für die Bauwagen nachträglich zu | |
beantragen. Dafür müsste aber der Flächennutzungsplan geändert werden. „Es | |
gibt also durchaus einen Ermessensspielraum“, sagt Sven Schupp. „Aber das | |
ist keine juristische, sondern eine politische Frage.“ | |
Auch Max Werner vom Verein Mehr Leben, der bereits bestehende und geplante | |
Wohnprojekte in Lüneburg beratend unterstützt, glaubt, dass das Konzept von | |
Unfug durchaus gesichert werden kann, „wenn der politische Wille da ist“. | |
Das Bewohnen von Bauwagen sei eine rechtliche Grauzone, eine Duldung | |
solcher Wohnformen sei durchaus machbar, wie man am Beispiel des | |
Bauwagenplatzes am Wienebütteler Weges ja sehen könne. | |
Das Argument der Stadt Lüneburg, dass durch die Bauwagen auf dem Grundstück | |
an der Konrad-Adenauer-Straße eine sogenannte Splittersiedlung entstehen | |
könnte, die den Charakter des Außenbereichs nachhaltig verändern würde, | |
findet Max Werner nicht nachvollziehbar: „Südlich der | |
Konrad-Adenauer-Straße gibt es zahlreiche andere Wohnbebauungen. Dem | |
gesunden Menschenverstand erschließt sich nicht, warum gerade das Gelände | |
von Unfug nun als nicht bebaubar gelten soll.“ | |
## Unterstützung von vielen Seiten | |
Neben dem Verein Mehr Leben haben auch zahlreiche andere Gruppen ihre | |
Unterstützung mit Unfug öffentlich erklärt, wie die Lüneburger Grünen, der | |
DGB Nord-Ost-Niedersachsen, die Jusos Lüneburg. Auch die meisten | |
Stadtfraktionen haben ihre Gesprächsbereitschaft signalisiert, so sagen | |
Schupp und Bösenberg von Unfug. „Wir sind relativ guter Dinge.“ | |
Stadtsprecher Sebastian Koepke-Millon sagt jedoch: „Wir sehen kaum | |
rechtliche Möglichkeiten, um den Vorstellungen des Vereins gerecht zu | |
werden.“ Den Flächennutzungsplan zu ändern und einen Bebauungsplan zu | |
erlassen, „sind komplexe und mehrstufige Verfahren, bei denen viele Belange | |
zu berücksichtigen und abzuwägen sind“. Es müssten „Fachgutachten eingeh… | |
und die Naturschutzverbände angehört werden“. Die Stadt scheut sich, einen | |
Präzedenzfall zu schaffen: „Würde die Ansiedlung einiger Bauwagen geduldet, | |
bestünde die Möglichkeit, dass diese Siedlung sich verfestigt und wächst“, | |
so Koepke-Millon. | |
Die Stadt hat die Frist für eine Stellungnahme bis Ende Januar verlängert. | |
Mitte Januar wird es dann noch ein Treffen auf dem Vereinsgelände geben, zu | |
denen Unterstützer und Stadtfraktionen eingeladen sind. Und heute soll das | |
Thema im Bauausschuss diskutiert werden. | |
16 Dec 2019 | |
## AUTOREN | |
Juliane Preiß | |
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