# taz.de -- Aktivist über alternative Lebensformen: „Stadt braucht Subkultur… | |
> Wieder mal wurde der Wagenplatz Ölhafen von einer Fläche verwiesen. | |
> Daniel Schnier von der Zwischenzeitzentrale über die Taktik der Stadt und | |
> die fehlende Militanz der Bewohner. | |
Bild: Noch im Sommer stand sie hier in der Neustadt: Wagenplatzgruppe Ölhafen. | |
taz: Herr Schnier, wieso musste die Wagenplatzgruppe Ölhafen zum fünften | |
Mal umziehen? | |
Daniel Schnier: Der Ölhafen sucht einen Ort mit einer vier- bis | |
fünfjährigen Wohnsicherheit. Diese Absicherung will die Stadt aber nicht | |
gewährleisten. Sie gibt der Gruppe keine Aussicht auf eine längerfristige | |
Daseinsberechtigung. Außerdem wünschen sich die Bewohner*innen einen Ort in | |
Innenstadtnähe – auch das will die Stadt nicht leisten. | |
Warum lässt sich die Gruppe immer wieder vertreiben? | |
[1][Dass die Gruppe immer weiter zieht], kommt wohl auch daher, dass sie | |
ihr Projekt nicht als Besetzung versteht. Der Ölhafen ist ein Kulturverein | |
auf der Suche nach einem Ort für ihr Kulturprojekt – die Menschen wollen | |
keinen Streit. Wenn Sie von einer Fläche verwiesen werden, dann gehen sie. | |
Wieso fehlt der gesellschaftliche Rückhalt? | |
Obwohl das Leben im beweglichen Bauwagen rechtlich geduldet werden kann, | |
scheint es in unserer heutigen Gesellschaft immer noch nicht gern gesehen | |
zu sein. Jedenfalls ist das bei einigen Gruppen so: Wenn sich ältere | |
Menschen in ihrer zweiten Lebenshälfte dafür entscheiden, in der | |
Überseestadt in schickimicki Tiny Houses zu ziehen, wäre das bestimmt für | |
alle okay. Ist ja auch grad ein Trend. Nicht okay ist es aber, wenn ein | |
alternatives Wohnprojekt in der Innenstadt Raum sucht. Zumal diese | |
Neubürger*innen auch ein subkulturelles Angebot schaffen möchten. | |
Sehen Sie das Problem in der fehlenden Militanz der Gruppe? | |
Ich denke, es spricht für die Überzeugung der Menschen, wenn sie sich | |
keiner Gewalt bedienen wollen. Und definitiv spricht es gegen die Stadt, | |
wenn gewaltloser Protest nicht gehört wird. Es stellt sich die Frage, ob | |
Veränderungen nur passieren, wenn man besetzt, geltendes Recht bricht und | |
sich Repressionen aussetzt. | |
Ist die Stadt überhaupt verantwortlich dafür, den Menschen Wohnraum zu | |
organisieren? | |
Es geht um viel mehr als um Wohnraum. Es geht um subkulturelle Angebote. | |
Ich habe oft den Eindruck, der Stadt geht es vor allem darum, kritisches | |
Leben in der Stadt zu verdrängen. Politik spricht ständig davon, dass junge | |
Menschen in Bremen gehalten werden sollen, um Mehrwert zu generieren, aber | |
die gesellschaftlichen Zusammenhänge werden bei dieser Logik ausgeklammert. | |
Diversität zu fordern in einer Demokratie, heißt auch, keine Kontrolle | |
zuzulassen. Diese Menschen haben sich entschlossen, herzukommen – und | |
machen uns ein Angebot. Dafür werden sie nicht gerade mit offenen Armen | |
empfangen. | |
Wieso ist es für die Wagenplatzgruppe so wichtig, innenstadtnah zu stehen? | |
Man möchte da sein, wo man zum Nachdenken anregt und möchte einen | |
kritischen Kontrapunkt im Stadtteil setzen. Und außerdem will man sich auch | |
nicht aus dem Stadtbild verdrängen lassen. | |
Zuletzt musste sich Bremen in Städte-Rankings sinkende Attraktivität für | |
junge Menschen attestieren lassen. Hat das mit den wenigen subkulturellen | |
Räumen zu tun? | |
Stadt braucht Subkultur. Wir wollen schließlich keine unkritische Masse | |
junger Menschen hervorbringen. Deshalb hat Attraktivität natürlich mit den | |
Angeboten zu tun. Diese engagierten Menschen haben Ideen und bereichern | |
damit unsere Stadt. Einige der heute etablierten Kultureinrichtungen sind | |
durch Initiativen wie dem Ölhafen oder dem Zucker-Club entstanden. | |
Zum Beispiel? | |
Der Schlachthof und das Lagerhaus waren in den 80ern Kulturinitiativen von | |
Bürger*innen, sind teilweise sogar als Besetzungen gestartet. | |
Wie viel städtische Unterstützung braucht Subkultur? | |
Subkultur braucht vor allem Raum – den gibt es meist von der Stadt. Und sie | |
braucht eine Stimme in der Politik. Zwei oder drei verrückte Köpfe, die es | |
derzeit in Politik und Verwaltung gibt, reichen nicht, um die Szene | |
nachhaltig zu unterstützen. Zu vielen Menschen in Politik und Verwaltung | |
geht es nicht um die Kultur, sondern um Profit. | |
Wie macht sich das für Sie bemerkbar? | |
[2][Etwa beim Zucker-Club]: Da haben uns Privatinvestoren aus der | |
Wirtschaft angerufen, die von Kaufangeboten der Stadt gehört hatten. Die | |
haben uns geraten, uns nicht veralbern zu lassen. Die Forderungen seien | |
viel zu hoch für so einen sanierungsbedürftigen Schrottbunker. Und dabei | |
tun wir doch etwas für die Stadt, wenn wir Räume instand halten oder | |
sanieren, wenn wir Flächen beleben, deren Bewirtschaftung und Erneuerung | |
die Stadt zum Teil Millionensummen kosten würde. | |
Auch das Sportamt hat ja mittlerweile einen Raum für subkulturelle Arbeit | |
gefunden. | |
Und auch hier lässt sich mal genauer sehen, in welchem Zustand die | |
Räumlichkeiten angeboten wurden. Sieben Jahre lang stand das Gebäude leer, | |
wurde aber trotzdem durchgehend beheizt, inklusive | |
Hausmeister*innen-Dienst. Bevor man der Zwischenzeitzentrale das Gebäude | |
zur Zwischennutzung angeboten hat, wurden die Heizöltanks ausgebaut. | |
Kaltvermietung hat da eine sehr wortwörtliche Bedeutung. Dennoch haben wir | |
eine Gruppe zur saisonalen Zwischennutzung gefunden – ohne Heizung. Es | |
scheint, als würde man auf Zeit spielen, die Menschen vergraulen wollen, | |
frei nach dem Motto: Mal sehen, wie lang die es da so aushalten. | |
6 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Lea Schweckendiek | |
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