# taz.de -- Leitlinien zur Bürgerbeteiligung: Nicht mehr am Bürger vorbeibauen | |
> Senatorin Katrin Lompscher lädt zum Stadtforum und verspricht: Bei | |
> Stadtentwicklungsprojekten soll Partizipation verbindlich werden. | |
Bild: Baustelle des Potsdamer Platzes 1998: BürgerInnen hatten hier nicht viel… | |
BERLIN taz | Berlins rasantes Bevölkerungswachstum setzt die Politik unter | |
Druck, wie Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) unumwunden | |
zugibt: „Wir leiden darunter.“ Die einfache Antwort auf den Mangel an neuen | |
Wohnungen wäre möglichst schneller Neubau. Doch der Senat hat sich mehr | |
vorgenommen: Neubau, klar, aber nicht an den Bürgern vorbei. Künftig sollen | |
Anwohner und Betroffene deutlich früher und effektiver in Planungsprozesse | |
eingebunden werden. | |
Der Startschuss, um dieses Vorhaben zu verankern, fiel am Montagabend in | |
der Kreuzberger Markthalle Neun. Lompscher hatte dorthin öffentlich zum | |
Stadtforum geladen, einer bereits seit 1991 existierenden Tagung zum Thema | |
Stadtentwicklung, die, zwischenzeitlich eingeschlafen, nun in neuem Gewand | |
daherkommt. Frisch konzipiert, an wechselnden öffentlichen Orten, mit | |
Ideensammlungen an einer Mindmap-Wand und einer Ausstellung, in der sich | |
bereits existierende Projekte präsentieren. Ihr Prinzip machte die | |
Senatorin in ihrer Eröffnungsrede deutlich: „Ohne Partizipation werden wir | |
der Verantwortung nicht gerecht.“ | |
Innerhalb eines Jahres sollen verbindliche Leitlinien zur Bürgerbeteiligung | |
bei Stadtentwicklungsprojekten entwickelt werden, die dann dem Senat und | |
Abgeordnetenhaus vorgelegt werden. Die Fragen: Wie kommt man zu | |
frühzeitiger Beteiligung möglichst vieler? Was ist verhandelbar? Was | |
passiert mit den Ergebnissen? Daran arbeiten soll ein Gremium aus zehn | |
Bürgern, vier Politikern und sechs Experten aus der Verwaltung. Sie sollen | |
den Prozess begleiten, Zwischenstände transparent machen. | |
Auf welchen Grundprinzipien die Leitlinien basieren könnten, zeigte die | |
Wiener Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer-Rosinak auf. Dort habe man sich | |
darauf geeinigt, eine frühzeitige Beteiligung verbindlich zu definieren. | |
Außerdem gehe es um direkte Kommunikation, also den persönlichen Austausch. | |
Das dritte Prinzip ist Klarheit; in der Sprache, aber auch den Kriterien, | |
wann Partizipation erfolgen muss. | |
Dass all dies nicht ganz einfach zu haben ist, merkte Pankows | |
Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) an. Er verwies auf die | |
Notwendigkeit, strukturelle Voraussetzungen in der Verwaltung zu schaffen, | |
neue Mitarbeiter einzustellen und Geld auszugeben. „Das ist eine gute | |
Investition, weil Entscheidungen besser werden“, so Benn. | |
Ein Baustein der neuen Partizipationskultur wurde bereits in der | |
Kooperationsvereinbarung mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften | |
angestoßen. Sie sollen bei Neubauprojekten künftig drei Prinzipien | |
beachten: Sie müssen frühzeitig mehrere Varianten präsentieren, den | |
Mehrwert der Maßnahmen für die Nachbarschaft darstellen und ein stets | |
ansprechbares Gremium während des Planungs- und Bauprozesses etablieren. | |
Wo Bürger beteiligt werden sollen, ist auch die Kritik nicht weit. Ein | |
selbst organisiertes Stadtforum von unten verschiedener stadtpolitischer | |
Initiativen kritisierte, nicht in die Planung des Stadtforums eingebunden | |
worden zu sein. Beteiligung müsse jedoch bereits in der Beteiligungsplanung | |
erfolgen. | |
27 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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