# taz.de -- Leinenpflicht für alle Hunde, wau!: Ein Fall für Herrn Mux | |
> Die letzten Regelungen des neuen Hundegesetzes sind zum 1. Januar in | |
> Kraft getreten. Ein strenges Gesetz. Zumindest theoretisch. | |
Bild: Wo ist die Tüte für den Hundekot? | |
Es gab da mal diesen herrlichen [1][Film „Muxmäuschenstill“]. Und in diesem | |
Film eine Szene, die mancher BerlinerIn aus der Seele sprechen mag: Herr | |
Mux, selbsternannter Retter der Großstadtmoral, lässt eine | |
Nicht-Hundekot-Beseitigerin das Vermächtnis ihres Fiffis mit der Hand von | |
der Straße kratzen. Auch Berlin, hunderttausendfach auf den Hund gekommen, | |
wurde in jüngster Zeit deutlich strenger mit den HundebesitzerInnen. Seit | |
zweieinhalb Jahren bereits gilt eine Kotbeutelmitführungspflicht, zum 1. | |
Januar sind weitere zentrale Regelungen des neuen Hundegesetzes in Kraft | |
getreten. So viel schon mal vorab: Dem ganzen Konstrukt fehlt ein Herr | |
Mux. | |
Das [2][neue Hundegesetz] stammt noch von der schwarz-roten | |
Vorgängerregierung. Auf den allerletzten Drücker hatte es der damalige | |
CDU-Justizsenator Thomas Heilmann im Juni 2016 durch den Senat gebracht und | |
sich damit nicht unbedingt Freunde in der Welt der Tierfreunde gemacht. Der | |
Gesetzesänderung war nämlich ein gut gemeinter Diskurs mit ExpertInnen, | |
besorgten BürgerInnen und HundefreundInnen vorausgegangen. Der sollte das | |
Aufregerthema Hunde in Regeln gießen, die allen gerecht werden. Der Geist | |
dieses sogenannten Bello-Dialogs schwingt aber nur teilweise mit im neuen | |
Hundegesetz, das nun Rot-Rot-Grün umsetzen musste. | |
Bereits 2016 hat das Gesetz die Kotbeutelmitführpflicht eingeführt oder, um | |
es mit dem Gesetzestext zu halten: „Hundehalter und Hundeführer haben dafür | |
Sorge zu tragen, dass ihre Hunde die Straßen nicht verunreinigen. Sie haben | |
beim Führen des Hundes für die vollständige Beseitigung von Hundekot | |
geeignete Hilfsmittel mit sich zu führen. Diese Anforderungen gelten nicht | |
für Menschen, die aufgrund dauerhafter körperlicher oder geistiger | |
Einschränkungen oder Erkrankungen nicht zur Beseitigung von Hundekot in der | |
Lage sind.“ | |
Also entweder gibt es von letzterer Sorte überdurchschnittlich viele unter | |
den HundebesitzerInnen, oder es liegt schlicht an den fehlenden | |
Kontrollmöglichkeiten, dass das Hundekotaufkommen in gewissen Teilen der | |
Stadt nicht spürbar nachgelassen hat. Dafür lungern neben Kot nun auch | |
gefüllte Kotbeutelchen im Straßenbild herum. „Die Kotbeutel scheinen sich | |
doch weitgehend etabliert zu haben“, sagt Stefan Taschner, | |
tierschutzpolitischer Sprecher der Grünen, zum Umsetzungserfolg des | |
Gesetzes. Das Hundescheißeproblem, meint Taschner, pressiere demnach nicht | |
mehr so dringlich. So kann man das auch sehen und sich der wohl | |
wesentlichsten aktuellen Änderung zuwenden. | |
## Nur noch mit Hundeführerschein | |
Noch bis 31. Dezember durften alle Hunde – außer den „gefährlichen“, da… | |
kommen wir noch – auf unbelebten Straßen, Plätzen und Brachen von der Leine | |
gelassen werden. Mal abgesehen davon, dass es solche Orte in Berlin kaum | |
mehr gibt, sind diese zügellosen Zeiten nun vorbei. Ohne Leine darf seinen | |
Hund nur noch führen, wer selbigen schon seit Mitte 2016 hält oder einen | |
sogenannten Sachkundenachweis – im Volksmund auch Hundeführerschein – | |
kostenpflichtig erworben hat. | |
So ähnlich hatten sich das auch die Beteiligten des Bello-Dialogs | |
vorgestellt, nach dem Motto: Der Hund ist immer nur so erzogen wie seinE | |
HalterIn. Zuständig für die Ausstellung des Sachkundenachweises sind die | |
Bezirksämter. Der Geschäftsführer des Verbandes für das Deutsche | |
Hundewesen, Jörg Bartscherer, rechnet mit Kosten zwischen 150 und mehreren | |
hundert Euro für den Erwerb des Sachkundenachweises. | |
„Eine generelle Leinenpflicht ist aus Tierschutzgründen abzulehnen“, sagt | |
Annette Rost, Sprecherin des Berliner Tierschutzvereins zur Novelle. Da ein | |
Hund auf ausreichenden Auslauf angewiesen sei, komme den | |
Hunde-Auslaufflächen mit Einführung der Leinenpflicht besondere Bedeutung | |
zu. 35 gibt es davon bisher. Ob es mehr werden, obliege dem „Gutdünken der | |
Bezirke“, so Rost, die sich einen gesetzlich festgelegten Schlüssel | |
wünscht: „Je mehr Hunde in einem Gebiet, desto größer die Auslaufflächen.… | |
In einer Stadt, in der jeder Freiraum auch Begehrlichkeiten für | |
Erholungsraum, Wohnungsbau etc. weckt, kann man aber vermutlich froh sein, | |
wenn die bestehenden Flächen erhalten bleiben. | |
Aber nun, es ist ja mit dem Leinenzwang wie mit den Kotbeutelchen: Wer will | |
das überwachen? „So viele Leute können sie in den Ordnungsämtern gar nicht | |
einstellen, und ich kann mir da auch wichtigere Dinge vorstellen, die nicht | |
ausreichend kontrolliert werden: Parken auf Radwegen zum Beispiel“, sagt | |
der grüne Politiker Taschner. Wie sein Kollege Michael Efler von der Linken | |
ist er aber gespannt auf eine Evaluierung. Denkbar wäre da etwa eine | |
Auswertung des Bußgeldaufkommens. Aber klar: Wo kein | |
Ordnungsamtmitarbeiter, da kein Bußgeld. Insofern wird das auch mit der | |
Evaluierung nicht einfach. | |
## Liste aller Hunde und Halter | |
Eine weitere aktuelle Neuerung des Hundegesetzes ist die Einführung eines | |
zentralen Hunderegisters. Bisher werden nur die als gefährlich eingestuften | |
Hunde dezentral erfasst. Wenn es künftig eine Liste über alle Hunde und | |
ihre Halter gibt, dann sollen Steuersäumlinge und abhandengekommene Hunde | |
schneller gefasst und die Statistik über Beißvorfälle aussagekräftiger | |
werden. „Verfügbar werden diese Daten aber wohl erst ab 2021 sein“, sagt | |
Tierschutz-Politiker Efler. „Da könnte man ruhig mal ein bisschen auf die | |
Tube drücken.“ | |
Auf die Tube gedrückt hatte Heilmann bei der Beibehaltung der Rasseliste. | |
Darin werden seit 2016 Pitbull-Terrier, Bullterrier, | |
American-Steffordshire-Terrier und deren Kreuzungen als sogenannte | |
gefährliche Hunde eingestuft – entgegen den Empfehlungen des Bello-Dialogs. | |
Die Haltung dieser Hunde ist nur eingeschränkt erlaubt. Die Folge: | |
Tierheime bleiben auf den genannten Rassen sitzen, bestehende Halter und | |
Hunde umweht das Stigma der Blutrünstigkeit. | |
„Dabei sind sich alle Experten einig, dass das Quatsch ist: Es gibt keine | |
gefährlichen Hunde, nur falsche Haltung“, sagt Efler. Auch die | |
Bissstatistik zeige keine Auswirkung der eingeschränkten Haltung von | |
Listenhunden. Efler jedenfalls verspricht, die Rasseliste im gerade | |
begonnenen Jahr noch einmal auf die politische Agenda zu setzen. | |
Wem das jetzt alles zu komplex war: Damit sind Sie nicht allein! „Ein | |
undurchdachtes und unausgereiftes Gesetzesmonstrum“ nennt Beate Fischer das | |
neue Gesetz. Sie ist Sprecherin der Berliner Erna-Graff-Stiftung für | |
Tierschutz und seit Jahren in Sachen Großstadthunde engagiert. | |
„Überbürokratisiert und in der Praxis nicht umsetzbar“, lautet auch ihr | |
Urteil über Leinen- und Kotbeutelmitführpflicht. | |
Sieht ganz so aus, als wird das nix ohne den Herrn Mux. Der lässt übrigens | |
im Verlauf des eingangs erwähnten Films einen Wiederholungstäter mit der | |
Nase in die stinkende Wurst seines Hundes eintauchen. Das geht dann aber | |
wirklich ein bisschen zu weit! | |
3 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Muxm%C3%A4uschenstill | |
[2] https://www.berlin.de/sen/verbraucherschutz/aufgaben/tierschutz/hundehaltun… | |
## AUTOREN | |
Manuela Heim | |
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