# taz.de -- Landwirtschaft in Tansania: Gift statt Pflug | |
> Um die Bodenerosion in den Griff zu bekommen, hat Bäuerin Ndekeshio Elia | |
> Sikawa gelernt, auf den Pflug zu verzichten. Jetzt arbeitet sie mit | |
> teuren Pestiziden. | |
Bild: Bauern bearbeiten ein Feld in Blantyre (Malawi). | |
Der Pflug muss weg. Das war die wichtigste Lektion, die die Bäuerin | |
Ndekeshio Elia Sikawa aus dem ostafrikanischen Tansania in einem Kurs über | |
die Anbaumethode "konservierende Landwirtschaft" gelernt hat. Ein frisch | |
gepflügter Boden ist so locker, dass ihn der prasselnde tropische Regen | |
besonders leicht davonspülen kann, erklärten die Lehrer, die von der | |
UN-Agrarorganisation FAO in Conservation Agriculture ausgebildet wurden. | |
Statt die Erde mit dem Pflug aufzubrechen, öffnet Sikawa nun mit einem | |
Spezialwerkzeug nur ein wenige Zentimeter tiefes Loch für jeden Samen. So | |
bekomme sie die Erosion in den Griff, sagen die Ausbilder der | |
Landwirtschaftschule im Dorf Karangai nahe dem Berg Kilimandscharo | |
In einem Unterstand aus einer zwischen Bäumen gespannten Plastikplane haben | |
die Lehrer Sikawa und anderen Farmern noch etwas anderes gezeigt: wie man | |
chemisch-synthetische Pestizide und leicht lösliche Mineraldünger einsetzt. | |
"Früher war ich zu ungebildet, um so was zu benutzen", lacht die 53-Jährige | |
verschämt. Jetzt kaufe sie die Chemikalien und gebe dafür jährlich mehr als | |
100 Euro aus - eine Menge in einem Land wie Tansania, wo rund 60 Prozent | |
der Bevölkerung ihren Lebensunterhalt mit weit weniger als 1 Euro pro Tag | |
finanzieren. | |
Im Moment noch kann Sikawa die Chemikalien bezahlen. Aber deren Kosten | |
können je nach Weltmarktlage und Ölpreis auch schnell steigen. "Je mehr die | |
Kleinbauern erst mal investieren und dafür meist Kredite aufnehmen müssen, | |
desto höher ist auch das Risiko bei Ernteausfällen", sagt Anja Mertineit, | |
Referentin für ländliche Entwicklung, beim katholischen Hilfswerk Misereor. | |
Zudem belasten Ackergifte in den Augen von Umweltschützern das Grundwasser | |
und schädigen Wildpflanzen sowie Insekten. Auch die leicht löslichen | |
Düngemittel sind für die Natur ein Problem, denn die überflüssigen | |
Nährstoffe versickern und gelangen zum Beispiel in Seen. Die werden dadurch | |
für Arten unbewohnbar, die auf nährstoffarmes und sauerstoffreiches Wasser | |
angewiesen sind. Ganz abgesehen davon, dass solche Dünger und Pestizide | |
erheblich dazu beitragen, klimaschädliche Gase zu produzieren. | |
Biobauern und Entwicklungshelfer warnen deshalb, dass die Chemieindustrie | |
und ihre Verbündeten bei der FAO die konservierende Landwirtschaft | |
missbrauchten. "Unter dem irreführenden Titel Conservation Agriculture | |
versucht sie, den massiven Einsatz von Totalherbiziden in pfluglosen | |
Anbausystemen hoffähig zu machen", sagt beispielsweise Felix Prinz zu | |
Löwenstein, der den Spitzenverband der deutschen Biobranche, BÖLW, leitet. | |
Totalherbizide töten | |
Totalherbizide sind eine Pestizidart, die fast alle Pflanzen außer der | |
Nutzpflanze abtötet. Viele Landwirte spritzen diese | |
Unkrautvernichtungsmittel vor der Aussaat, wenn sie - wie in der | |
konservierenden Landwirtschaft - auf den Pflug verzichten wollen. | |
Schließlich können die Bauern das Unkraut nicht mehr bekämpfen, indem sie | |
es unterpflügen. "So wie Conservation Agriculture gerade vermarktet wird, | |
sollen die Bauern vor allem Herbizide einsetzen", moniert auch | |
Misereor-Expertin Mertineit. | |
Tatsächlich bestätigt der FAO-Koordinator für das | |
Conservation-Agriculture-Projekt in Tansania, Josef Kienzle, dass die | |
Bauern in den Kursen zum Beispiel lernen, wie Herbizidspritzen zu verwenden | |
sind. Das habe die Organisation den Ausbildern gezeigt. Auch bezeichnet die | |
FAO auf ihrer Internetseite Herbizide als "wichtigen Teil" der | |
konservierenden Landwirtschaft. | |
Dass der US-Saatgut- und Spritzmittelhersteller Monsanto das | |
umweltfreundlich klingende Eigenschaftswort "Conservation" für sich | |
entdeckt hat, belegt eine Broschüre des Unternehmens. Sie wirbt unter dem | |
Titel "Conservation Tillage" (konservierende Bodenbearbeitung) sogar für | |
gentechnisch veränderte Pflanzen. Schließlich, so schreiben die | |
PR-Strategen des Konzerns, ließen sich mit Gensaaten Unkräuter leichter in | |
den Griff bekommen. Zum Beispiel mit Monsantos Sojapflanzen, die gegen das | |
firmeneigene Totalherbizid Roundup resistent sind. | |
Die Gentech-Saaten erleichtern allerdings Monokulturen: Die Landwirte | |
können jahrelang auf einem Feld die gleiche Pflanzenart anbauen, die ihnen | |
den größten Gewinn liefert. So haben Unkraut und Schädlinge aber genug | |
Zeit, sich auf die Kultur einzustellen und sie anzugreifen. Deshalb kontern | |
Gentech-Bauern mit Roundup - trotz der Folgen, die das für die Umwelt hat. | |
Ungeachtet der Kritik propagiert die FAO die konservierende Landwirtschaft | |
mit Beratern, Schulungen und Öffentlichkeitsarbeit. Vor kurzem präsentierte | |
sie das tansanische Projekt der taz und anderen europäischen Medien, die | |
die US-Regierung als Hauptfinanzier der UN-Organisation in das Land | |
eingeladen hatte. Vor allem das deutsche, von der CSU geführte | |
Bundes-Agrarministerium aber bezahlt die FAO, damit sie konservierende | |
Landwirtschaft in Tansania und im Nachbarland Kenia fördert: seit Januar | |
2007 rund 1,9 Millionen Euro. | |
Für die UN-Organisation stehen die größeren Ernten im Vordergrund, die die | |
Bauern mit Conservation Agriculture erzielen. "Früher habe ich fünf Sack | |
Mais pro Acre geerntet, heute dreimal so viel", erzählt Farmerin Sikawa. | |
Besonders in Dürrejahren erntet sie mehr als ihre Nachbarn. Denn getreu den | |
Regeln der konservierenden Landwirtschaft lässt sie etwa zwischen dem Mais | |
Pflanzenreste liegen. Diese Schicht sorgt dafür, dass das wenige Wasser auf | |
dem Feld langsamer verdunstet und somit länger den Mais versorgen kann. | |
Wegen der höheren Erträge könnte die Anbaumethode nach Meinung der | |
FAO-Experten dazu beitragen, den Hunger zu bekämpfen, unter dem weltweit | |
mehr als eine Milliarde Menschen leiden. 80 Prozent leben auf dem Land, | |
betroffen sind vor allem Kleinbauern - so wie die Tansanierin Sikawa, deren | |
Acker allenfalls so groß wie ein Fußballfeld ist. | |
Außerdem preist die FAO die konservierende Landwirtschaft als ein Mittel, | |
den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken. Da das Verfahren aufs Pflügen | |
verzichtet, gelangt nicht so viel Sauerstoff an die Humusschicht, so dass | |
diese abgebaut wird - dabei werden klimaschädliche Gase frei. Zudem sparen | |
sich Bauern den Sprit fürs Pflügen und reduzieren so laut FAO die | |
Emissionen aus fossilen Treibstoffen um bis zu 60 Prozent. | |
Den Vorwurf, Gentechniksaaten zu fördern, weist Theodor Friedrich, Experte | |
für konservierende Landwirtschaft bei der FAO, energisch zurück. "Leider | |
wird es in den USA oft so verkauft, dass Conservation Agriculture mit | |
gentechnisch veränderten Organismen verbunden sei", klagt er. Seiner | |
Meinung nach ist der Zusammenhang schon deshalb falsch, weil die | |
Anbaumethode vor Erfindung der Gensaaten entwickelt wurde. "Monokulturen | |
lehnen wir als nicht nachhaltig ab", ergänzt Friedrich. In der Tat nennt | |
die FAO auf ihrer Website Fruchtfolgen als ein Prinzip der konservierenden | |
Landwirtschaft: Die Bauern sollen nach jeder Ernte die Fruchtart auf einem | |
Stück Land wechseln, damit sich Schädlinge nur noch langsam vermehren | |
können. | |
Auch die Kritik an der Anleitung zum Chemieeinsatz lässt die | |
UN-Organisation nicht gelten. "Es ist eine sehr arrogante Haltung, den | |
Kleinbauern die Option Herbizide vorzuenthalten", sagt der FAO-Koordinator | |
für das Conservation-Agriculture-Projekt in Tansania, Josef Kienzle. Die | |
Farmer sollten selbst entscheiden können, ob sie das Unkraut lieber mit der | |
Hacke oder mit Chemie bekämpfen wollten. Der internationale Druck auf | |
afrikanische Länder, etwa Kunstdünger zu benutzen, sei sehr groß. "Wir | |
zeigen ihnen wenigstens, wie man ihn nach dem letzten Stand der Technik | |
einsetzt." Das bedeute unter anderem, möglichst wenig Chemikalien | |
auszubringen. Das soll dann auch die Umwelt entlasten. Außerdem sei die | |
konservierende Landwirtschaft auch ohne Pestizide möglich, sagt der | |
FAO-Experte. Sein Kollege Friedrich räumt allerdings ein, dass die meisten | |
Bauern in der Conservation Agriculture Unkrautvernichtungsmittel und leicht | |
lösliche Dünger benutzen. | |
Aber die Landwirte, die schon vor der Umstellung zu diesen Chemikalien | |
gegriffen haben, würden nach fünf Jahren mindestens 20 Prozent weniger | |
verbrauchen, erklärt Friedrich. "Da macht sich bemerkbar, dass Unkrautsamen | |
nicht mehr durch Pflügen in den Boden eingebracht werden", erläutert der | |
Agraringenieur. Doch Friedrich sagt auch: Die meisten Kleinbauern in | |
Afrika, die auf konservierende Landwirtschaft umgestellt haben, hätten vor | |
der Umstellung keine Pestizide oder leicht lösliche Dünger benutzt. Erst | |
durch die Schulungen zur konservierenden Landwirtschaft sind sie auf den | |
Chemieeinsatz gekommen. | |
1 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
Jost Maurin | |
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Humus | |
Boden | |
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