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# taz.de -- Kritik an Antisemitismus-Resolution: So kann man Antisemitismus nic…
> Die Kritik an der Resolution von Ampel und Union wird seit Monaten
> lauter. Über 600 Unterzeichner machen sich jetzt für einen Gegenentwurf
> stark.
Bild: Ist das noch von der Staatsräson gedeckt? Demonstranten in Berlin bei ei…
Berlin taz | Ein gutes Jahr lang haben die Ampel-Fraktionen und die Union
darüber verhandelt, wie eine gemeinsame Resolution gegen Antisemitismus
aussehen könnte. Seit die ersten Entwürfe die Runde machten, wurde die
Kritik an dem Vorhaben immer lauter. Ein Kreis von jüdischen und
nichtjüdischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern formulierte
deshalb jüngst einen Gegenentwurf zu der Resolution, auf die sich die
Fraktionsspitzen von Regierung und Union nun [1][am Freitagabend geeinigt]
haben.
Vor zehn Tagen erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung dieser
[2][Alternativvorschlag], verfasst von den Juristen Ralf Michaels, Jerzy
Montag und Andreas Paulus, den Soziologen Armin Nassehi und Paula-Irene
Villa Braslavsky sowie der Historikerin Miriam Rürup. Anders als die Union
und die Regierungsparteien, deren Entwurf auf Sanktionen und rechtliche
Verschärfungen zielt, stellen sie positive Maßnahmen zur Unterstützung
jüdischen Lebens in den Vordergrund.
In einem [3][offenen Brief, der der taz vorliegt], machen sich über 600
Unterzeichner aus Politik, Kultur und Gesellschaft für diesen Gegenentwurf
stark. Er zeige, „wie Staat und Zivilgesellschaft jüdisches Leben in Gänze
und im Rahmen des Rechts schützen können, ohne Minderheiten gegeneinander
auszuspielen“, heißt es darin. Für den Kampf gegen Antisemitismus und
Rassismus brauche es „das pluralistische Selbstverständnis und den Einsatz
einer demokratisch gestärkten Zivilgesellschaft“. Rechtliche und moralische
Sanktionierung reichten dafür nicht aus.
## Unterzeichner aus Politik, Kultur und Wissenschaft
Zu den prominenten Erstunterzeichnern aus Politik, Kultur, Wissenschaft und
Gesellschaft zählen der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, die
Klima-Aktivistin Luisa Neubauer, die ehemalige Verfassungsrichterin Susanne
Baer, die Intendantin Amelie Deuflhard von der Kampnagel-Kulturfabrik
Hamburg, der Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der Fotograf Wolfgang
Tillmanns, die Literaturagentin Karin Graf, die Schriftstellerinnen Eva
Menasse und Mithu Sanyal, die Philosophin Eva von Redecker sowie die
Rektorin des Wissenschaftskollegs Berlin, die Historikerin Barbara
Stollberg-Rilinger, um nur einige zu nennen.
Viele Kritiker:innen befürchten eine Einschränkung der Meinungs-,
Kunst-, Wissenschafts- und Versammlungsfreiheit, sollte der Bundestag die
von den Fraktionsspitzen von Ampel und Union jetzt vereinbarte Resolution
mehrheitlich beschließen. Der Hauptvorwurf: Statt Antisemitismus wirksam zu
bekämpfen, werde Kritik an israelischer Politik eingeschränkt und teilweise
sogar kriminalisiert.
Dass sich die Resolution zudem in Teilen auf einen angeblich aus dem Nahen
Osten „importierten Antisemitismus“ konzentriert, lenke vom einheimischen
Antisemitismus ab, der zum deutschen Völkermord an Europas Juden geführt
habe. Der Resolutionsentwurf von Ampel und Union fordert, repressive
Möglichkeiten insbesondere „im Strafrecht sowie im Aufenthalts-, Asyl- und
Staatsangehörigkeitsrecht“ konsequent auszuschöpfen. Das richte sich
bedrohlich deutlich gegen Einwanderer und Asylsuchende. Vielen stößt auch
auf, dass die Fraktionsspitzen über den Inhalt der Resolution monatelang
hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit
verhandelten – ohne relevante zivilgesellschaftliche Gruppen einzubinden,
etwa aus Kultur und Wissenschaft. Dass die Einigung spät an einem
Freitagabend öffentlich wurde, verstärkt den Eindruck eines
Hinterzimmerdeals.
## Kritik kommt von vielen Seiten
Der Entwurf, auf den sich Friedrich Merz (CDU), Rolf Mützenich (SPD),
Alexander Dobrindt (CSU), Christian Dürr (FDP), Katharina Dröge und Britta
Haßelmann (Grüne) nun geeinigt haben, ähnelt weitgehend der Version, die
bereits im Sommer kursierte. Nur wenige Details haben sich geändert. Schon
damals meldeten sich hundert jüdische Intellektuelle und Künstler in
Deutschland zu Wort. Sie sehen sich durch diese Resolution „zum Schutz
jüdischen Lebens“ nicht geschützt, sondern sogar gefährdet, schrieben sie
in einem Protestbrief, der [4][im August in der taz] erschien.
Auch israelische Menschenrechtsorganisationen [5][übten damals schon
scharfe Kritik]: Die Resolution sei illiberal und könnte auch auf ihre
Arbeit in Israel zurückfallen und dort zu noch mehr Zensur führen. Deutsche
Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty und medico international,
[6][schlossen sich dieser Kritik an]: Sie sehen Grundrechte in Gefahr.
Schon jetzt erhielten viele humanitäre Projekte und
Entwicklungs-Hilfsorganisationen aufgrund ihrer Kritik an
völkerrechtswidrigen Handlungen Israels keine Fördermittel des Auswärtigen
Amtes oder des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (BMZ) mehr. Dafür sorgen fragwürdige „Antisemitismus“-Klausel…
die eine staatliche Förderung aus Deutschland schon jetzt einschränken.
Renommierte [7][Juristinnen und Juristen warnen] schon lange vor
Gesinnungsprüfungen und Rechtsunsicherheit, sollte die umstrittene
Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance
(IHRA) in deutsches Recht einfließen und zur Grundlage von Gesetzen gemacht
werden. Die israelischen Juristen [8][Itamar Mann und Lihi Yona]
kritisieren jüngst zudem im Fachmedium Verfassungsblog, dass sich die
Verfasser der Resolution anmaßen zu entscheiden, welche Juden schutzwürdig
seien und welche nicht. Jüdinnen und Juden, die Israels Politik kritisch
sähen, wären durch diese Resolution genau so gefährdet wie alle anderen,
die der deutschen „Staatsräson“ einer bedingungslosen Solidarität mit dem
jüdischen Staat kritisch gegenüber stehen.
Ein weiterer Kritikpunkt: Die Resolution konzentriere sich auf Bereiche,
die von staatlicher Förderung abhängig sind – insbesondere auf Bildung,
Wissenschaft und Kultur. Nicht, weil Antisemitismus dort virulenter sei als
anderswo. Sondern, weil die staatlichen Sanktionsmöglichkeiten dort am
größten sind.
2 Nov 2024
## LINKS
[1] /Resolution-gegen-Antisemitismus/!6046467
[2] https://www.faz.net/einspruch/nachrichten/vorschlag-zur-bundestagsresolutio…
[3] https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLScyErqrcDRrzrZ1EPuk6iX9x10g8Jrwish…
[4] /Dokumentation-Protestbrief/!6032239
[5] https://www.deutschlandfunk.de/antisemitismus-resolution-bundestag-israel-1…
[6] https://www.amnesty.de/aktuell/deutschland-antisemitismus-resolution-gefaeh…
[7] https://verfassungsblog.de/wp-content/uploads/2024/01/Verfassungsblatt_Deze…
[8] https://verfassungsblog.de/who-gets-to-define-jewish-identity-in-germany/
## AUTOREN
Daniel Bax
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