| # taz.de -- Antisemitismus-Resolution ist zu vage: Eine Zensur kommt vielleicht… | |
| > Der Bundestag will Antisemitismus bekämpfen. Seine Resolution ist gut | |
| > gemeint, aber schlecht gemacht. | |
| Bild: Pro-Palästina-Demonstration in Berlin im November 2023 | |
| Narrativ ist ein Modewort, das gleichermaßen bedeutsam und vage klingt. Zum | |
| Narrativ gehört immer etwas Unscharfes. Das deutsche Wort – Erzählung – | |
| meint Fiktionales. Um nachzuweisen, dass ein Text oder eine Parole | |
| hasserfüllt, rassistisch oder judenfeindlich ist, muss man konkrete Beweise | |
| vorlegen. Beim Narrativ mit seinen flirrenden Bedeutungshorizonten mag das | |
| leichter gehen. | |
| Es ist kein Zufall, dass das Wort Narrativ im Kern der geplanten | |
| [1][Resolution des Bundestages „Nie wieder ist jetzt“] steht. Union und | |
| SPD, Grüne und FDP fordern, dass „antisemitische Narrative“ dingfest | |
| gemacht werden sollen. Wer überführt wird, soll nicht mehr vom Staat | |
| gefördert werden. Das betrifft KünstlerInnen und NGOs. | |
| Das ist wahrscheinlich gut gemeint, aber nicht gut gemacht, ja schädlich. | |
| Gerade die Mixtur aus Vagheit und konkreten Aufforderungen, Verdächtiges | |
| wenn nicht zu verbieten, so doch faktisch aus dem Kulturbetrieb zu | |
| verbannen, öffnet die Tür für eine zensurartige Praxis. Denn wer | |
| entscheidet, was ein antisemitisches Narrativ ist? Der Resolutionsentwurf | |
| schweigt dazu. Schon jetzt gilt bei Antisemitismusvorwürfen oft „Schuldig | |
| bei Verdacht“. Das wird, wenn diese Resolution kommt, zunehmen. Auf die | |
| Ängstlichkeit deutscher Kulturbürokratie ist immer Verlass. | |
| Die Berliner Justizsenatorin fordert, dass der Verfassungsschutz künftig | |
| antisemitische Narrative amtlich entschlüsseln soll. Das wäre der direkte | |
| Weg zum Gesinnungs-TÜV für KünstlerInnen. Dieser TÜV soll auch noch | |
| mithilfe der luftigen Antisemitismusdefinition der [2][International | |
| Holocaust Remembrance Alliance (IHRA)] vorgenommen werden, die scharfe | |
| Kritik an Israel in die Nähe von Antisemitismus rückt. Eine Zensur findet | |
| vielleicht doch statt. | |
| Kurzum: Diese Resolution dient nicht dem Schutz jüdischen Lebens. Sie | |
| zwängt eine schwierige, affektgeladene Debatte in ein viel zu enges | |
| Korsett. Wo aber, wenn nicht in der Kultur, soll offener Diskurs | |
| stattfinden? | |
| Eine Resolution ist kein Gesetz. Aber sie ist auch viel mehr als eine | |
| folgenlose Willensbekundung. Die [3][Erklärung des Parlaments 2019 gegen | |
| die Israel-Boykott-Bewegung BDS] beflügelte eine fragwürdige Verbotspraxis. | |
| Gerade das Diffuse, in dem Erlaubtes und Verbotenes verschwimmt, ist | |
| problematisch. So entsteht ein Klima von Denunziation. Das passt nicht in | |
| eine liberale Demokratie. Linke JüdInnen warnen nun in einem offenen Brief, | |
| dass diese forsche Einschränkung der Meinungsfreiheit „die Vielfalt | |
| jüdischen Lebens ausschließt, die sie zu bewahren vorgibt“. Es gibt | |
| kritische Stimmen. Sie sollten gehört werden. | |
| 27 Aug 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw15-de-antisemitismus-9… | |
| [2] /Meinungsfreiheit-in-Deutschland/!6008173 | |
| [3] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw20-de-bds-642892 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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