# taz.de -- Krimikomödie „Knives Out“: Lügen schlagen auf den Magen | |
> Die schwarze Komödie „Knives Out“ mit Daniel Craig ist eine | |
> Krimi-Frischzellenkur. Zugleich zeichnet sie ein Sittenbild der heutigen | |
> USA. | |
Bild: Die Pflegerin Marta (Ana de Armas) drängt es zur Wahrheit | |
Manchmal muss man scharfe Schnitte setzen. Um Fakten zu schaffen. Oder um | |
die Fakten überhaupt erst ins rechte Verhältnis zu setzen. Ersteres | |
geschieht im Film „Knives Out“ gleich zu Beginn. Da entdeckt die | |
Haushälterin eines prächtig-morbiden Anwesens, als sie gerade dem Hausherrn | |
das Frühstück bringen will, dass dieser mit aufgeschlitzter Kehle in seinem | |
Zimmer liegt. „My house my rules my coffee“ steht auf dem Becher, den sie | |
im letzten Augenblick noch festhalten kann, als ihr das Tablett vor Schreck | |
wegrutscht. | |
Um das, was geschehen ist, ins rechte Verhältnis zu setzen, sorgt [1][der | |
Regisseur Rian Johnson] wiederum mit Schnitten im Filmmaterial. Denn der | |
gewaltsame Tod von Harlan Thrombey (Christopher Plummer), einem berühmten | |
Krimiautor, ereignete sich in der Nacht nach der Feier seines 85. | |
Geburtstags, den der Jubilar im Kreis der Familie beging. | |
Die Polizei taucht auf, um die Angehörigen, die am Abend zugegen waren, der | |
Reihe nach zu verhören. Und diese Einzelverhöre schneidet Johnson so | |
zusammen, dass die Lügen des einen Verwandten im nächsten Moment von der | |
anderen direkt entlarvt werden. Rückblenden geben weiteren Aufschluss | |
darüber, dass nicht jede Aussage gegenüber der Polizei die Geschehnisse | |
vollständig wahrheitsgemäß schildert. | |
„Knives Out“ ist ein fast klassischer Kriminalfilm in | |
Agatha-Christie-Tradition, bloß entwickelt er im Verhältnis zu seinen | |
Vorbildern schon in der Exposition ein irrwitziges Tempo. Und schafft es | |
sogar, diesen rasanten Kurs für volle zwei Stunden zu halten, ohne dass man | |
darüber ermüden müsste. Was zunächst am Drehbuch liegt, das – dem bewähr… | |
„Whodunit“-Prinzip folgend – die Wahrheit in kleinen Portionen zutage | |
befördert und dabei alle Register von Situationskomik bis zur Klamotte | |
zieht, um den Witz des Geschehens maximal auszukosten. | |
Hinzu kommen die bestens aufgelegten Schauspielstars, die sich zu dieser | |
Detektivgeschichte versammelt haben. Einen Privatdetektiv, der die Arbeit | |
der Polizei unterstützt, braucht es selbstverständlich auch – und den | |
spielt kein Geringerer als der amtierende James-Bond-Mime Daniel Craig. In | |
der Rolle des stets elegant gewandeten Ermittlers Benoit Blanc spricht er | |
mit einem absurden Akzent, den einer der Familienangehörigen verächtlich | |
als „Kentucky-Gemurmel“ charakterisiert. | |
## Familientreffen inklusive Testamentseröffnung | |
Überhaupt beschimpft man einander in diesem heillosen Familientreffen | |
inklusive Testamentseröffnung aufs Giftigste. Und das so schön böse, dass | |
am Ende kaum Sympathieträger im Hause Thrombey bleiben. Weder Tochter Linda | |
(dominant-verbittert: Jamie Lee Curtis) noch ihr Gatte Richard | |
(toxisch-herb: Don Johnson) oder Sohn Walt (gebrochen-arrogant: Michael | |
Shannon) haben als Figuren irgendwelche Eigenschaften vorzuweisen, die sie | |
dem Publikum sonderlich nahebrächten. | |
Stattdessen lacht man mit ihnen und über sie, wenn sie ihre | |
Freundlichkeiten austauschen. Geistig stehen die meisten von ihnen eher dem | |
rechten Milieu nahe, was in ihren Ansichten zu Einwanderung mehr als | |
deutlich wird. Trump könnte sich keine dankbareren Wähler wünschen. | |
Einzig die Pflegerin Harlan Thrombeys, Marta (ängstlich-verstört: Ana de | |
Armas), die selbst Tochter illegaler lateinamerikanischer Einwanderer ist, | |
scheint nicht zum Kreis der Unsympathieträger zu zählen. Dafür stellt sich | |
heraus, dass sie bemerkenswert viel über die Vorgänge der Todesnacht weiß. | |
Ob es ein Mord oder Suizid ist, hängt am Ende von ihr ab. Und, so viel sei | |
verraten, sie ist eine sehr schlechte Lügnerin. | |
5 Jan 2020 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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