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# taz.de -- Neue Krimikomödie „Logan Lucky“: Ulkiger Thriller im John-Denv…
> Tresorraub beim Autorennen: Im Thriller und Land-und-Leute-Porträt „Logan
> Lucky“ knüpft Steven Soderbergh an den Erfolg der „Ocean“-Reihe an.
Bild: Tresorknacker aus dem White-Trash-Milieu: Jack Quaid, Brian Gleeson und D…
„Country roads, take me home / to the place I belong / West Virginia,
mountain momma / take me home, country roads“, besang der Countryfolksänger
John Denver (1943–1997) einst die abgelegenen Smoky Mountains im
ländlich-armen Bundesstaat West Virginia. Wo die Landstraße endet, dort
liegt ein kleines Kaff, in dem sich alle kennen. Alle kennen sie auch das
Schicksal von Jimmy Logan (Channing Tatum), dem eine Knieverletzung einst
die große Karriere als Footballprofi torpedierte. Seitdem ist er um die
Mitte herum ein bisschen gewachsen. Und wenn er an einem Sonntagnachmittag
gemeinsam mit seiner kleinen Tochter (die sonst bei der Ex lebt) an dicken,
landstraßentauglichen SUVs schraubt, fällt sein Humpeln gar nicht auf.
Allerdings fällt es seinem Vorgesetzten auf der Baustelle auf, der Jimmy
daraufhin feuert. Und weil auch Jimmys Bruder Clyde (Adam Driver) seit dem
Verlust seines linken Arms im Irakkrieg Kummer gewöhnt ist und beiden von
jeher ohnehin das Geld zwischen den schwieligen Fingern zerrinnt, spricht
man im Dorf mal wieder vom typischen Logan-Fluch: Der Clan der Logans hat
halt einfach kein Glück.
Aber das soll jetzt anders werden. Jimmy plant einen Coup, der mit dem
spektakulären „Charlotte Speedway“-Autorennen zu tun hat, bei dem
Abertausende Dollars in einem unterirdischen Bunker unterhalb der
Rennstrecke gelagert werden. Für den zünftigen Caper-Plan rekrutieren die
Brüder neben ihrer fluchtautoaffinen Schwester Melly (Riley Keough) zwei
angebliche Computerexperten sowie den Tresorknacker ihres Vertrauens, Joe
Bang (Daniel Craig). Ein kleines Problem gibt es mit seinem Engagement
jedoch: Bang brummt noch ein paar Monate im Knast.
Soderbergh, der mit diesem Film seine angekündigte Schaffenspause mit
Pauken und Trompeten unterbricht, erweist sich wieder als Meister des
Genres: Als ob er einige Charaktere aus seinen vorangegangenen
Caper-Filmen, der „Ocean“-Reihe, herausgenommen und noch mal verfeinert
hat, malt er in „Logan Lucky“ viel mehr ein ulkig-scharfes
Land-und-Leute-Porträt, als dass es ihm tatsächlich um die Frage geht, ob
die Moneten nun erfolgreich geklaut werden oder nicht. Nach dem liebevollen
Drehbuch von Rebecca Blunt inszeniert Soderbergh die mit sichtlicher Freude
spielenden Logan-Loser als lakonisch-deprimiertes Comedypärchen, das so
leicht nichts aus der Ruhe bringen kann.
## Vergnügliche Stunden
Auch nicht, wenn eine kleine alte Lady in Mellys Friseursalon Jimmy während
des Ondulierens nicht ganz im Scherz fragt, ob er vielleicht „einer von
diesen Unabomber-Typen“ sei, weil er seine Handyrechnung nicht bezahle.
Oder wenn Clyde, der auch als Einarmiger immer noch der beeindruckendste
Barkeeper in der lokalen Alkoholanlaufstelle ist, mal wieder von ein paar
frechen Gästen gepiesackt wird.
So scheint sich die Ruhe dieser von John Denver im Soundtrack hinreichend
besungenen Berge und Landstraßen auf die Menschen der Gegend zu übertragen,
deren Temperament sich nur dann ein wenig erhitzt, wenn sie auf dem lokalen
Dorffest Klobrillenweitwurf machen. Oder eben, wenn sie beim
Charlotte-Autorennen mitfiebern, dessen Tempo Soderbergh als reizvollen
Gegensatz zur Behäbigkeit der bärigen Rednecks aufzieht.
Doch so herzlich Soderberghs Umarmung der lokalen Eigenarten auch ist und
so genau Blunts Drehbuch auch die vielen enttäuschten oder
vielversprechenden Beziehungen zwischen den Charakteren abbildet:
Irgendwann schleicht sich dennoch ein wenig Müdigkeit ein. Die Maßstäbe,
die Soderbergh selbst mit „Ocean’s Eleven“ (und auch mit den schwächeren
Nachfolgern) gesetzt hat, kann „Logan Lucky“ nicht ganz erfüllen – dazu
passiert zu wenig, vor allem zu wenig Unvorhersehbares, und dafür hält sich
der Film zu brav an die Regeln.
Doch zwei größtenteils vergnügliche Stunden, in denen Frauen mit
meterlangen Pornofingernägeln besser Autofahren als ihre Schwäger und in
denen ein Bob-Seeger-T-Shirt die angemessene vestimentäre Entsprechung zur
Atmosphäre bildet, liefert er allemal.
13 Sep 2017
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Steven Soderbergh
Kino
Komödie
Film
Schwerpunkt Berlinale
Cannes Cannes
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