# taz.de -- Motorsport im Film war schon mal besser: In Richtung Erkenntnis bra… | |
> Hübsche Boliden machen noch keinen guten Film. „Le Mans 66 – Gegen jede | |
> Chance“ von James Mangold strotzt vor anachronistischen Bildern. | |
Bild: Männer müssen so gucken: Carroll Shelby (Matt Damon) und Ken Miles (Chr… | |
Angeblich „verblasst bei 7.000 Umdrehungen alles“. Umgebung, Start und Ziel | |
wischen vorbei und werden zu einem einzigen Geschwindigkeitsrausch. Das | |
ist, so behauptet die Off-Stimme, während die Augen fest auf die Strecke | |
gerichtet sind, auch der Punkt, an dem „sich eine Frage stellt: Wer bist | |
du?“ | |
Bist du Mann oder Maus, könnte man ebenso gut fragen. Denn das Auto, im | |
Besonderen das Rennauto, musste schon für viel Symbolik herhalten. Als | |
Zeichen der florierenden Wirtschaft im Kapitalismus steht es für | |
Individualität, Sportlichkeit, Mut und Nonchalance. Und es versinnbildlicht | |
Männlichkeit, die sich an den Kriterien Status und Schwanzlänge misst. | |
Im von [1][Matt Damon] gesprochenen Prolog zu „Le Mans 66“ schiebt | |
[2][Regisseur James Mangold] die Frage „Wer bist du?“ seiner Handlung | |
voraus und verknüpft die Geschichte um die Konkurrenz zwischen der US-Marke | |
Ford und dem italienischen Konkurrenten Ferrari beim 24-Stunden-Rennen von | |
Le Mans so mit einer Identitätssuche. | |
Zwei real existierende Charaktere brausen in Mangolds PS-Preisung in | |
Richtung Erkenntnis: Matt Damon spielt den Mechaniker und ehemaligen | |
Rennfahrer Carroll Shelby (der das komplizierte und renommierte Rennen im | |
wirklichen Leben acht Jahre zuvor in einem Aston Martin DBR1 gewonnen | |
hatte). Und Christian Bale den britischen Teufelskerl Ken Miles (!), einen | |
tollkühnen Mann in einer fliegenden Kiste, der das Innenleben von Motoren | |
besser analysiert als die Launen seiner ansonsten sehr verständnisvollen | |
Frau Mollie (Caitriona Balfe) und der „spürt“, ob man „noch mehr aus der | |
Kiste herausholen“ kann. | |
## Den Italienern eins auswischen | |
Die Story ist zumindest so ähnlich passiert: Weil Henry Ford II sich 1966 | |
nach Beratung mit der Marketingabteilung entschließt, das Image seiner als | |
onkeliges Familienmodell abgewatschten Firma zu verbessern, versucht er ein | |
Rennauto zu bauen – auch um den Italienern, die einen eingefädelten Deal | |
mit Ford platzen ließen, eins auszuwischen. Shelby und Miles arbeiten | |
zusammen, der aufmüpfige Miles gerät wieder und wieder mit Fords aalglattem | |
Motorsportchef Leo Beebee (Josh Lucas) aneinander und soll das | |
Le-Mans-Rennen schließlich nicht fahren … | |
Die symbiotische Verbindung, die Mangolds altmodische Helden zu ihren | |
Maschinen aufbauen, ist der Kern des Films. Sie lieben die Autos nicht nur, | |
sie empfinden sie als Teil von sich – Shelby schneidet im behäbigen | |
Wohnviertel sämtliche Kurven mit spritzenden Reifen. Und Miles springt in | |
jedes Rennauto, das nicht schnell genug auf dem Baum ist, und schält sich | |
nach kilometerlangem wilden Geratter postorgiastisch heraus. | |
„Le Mans 66“ ist damit ein Anachronismus, der sich gern in die Reihe jener | |
Hubraumhistorien einordnen würde, auf deren Poleposition Steve McQueens | |
bild- und musikstarkes, dramaturgisch ungeübtes, halbdokumentarisches „Le | |
Mans“-Drama braust. Auch Mangolds Männerbilder an sich sind anachronistisch | |
– nicht weil es sie so nicht gegeben hätte. | |
Sondern weil Mangold und seine Co-Autoren Jez Butterworth, John-Henry | |
Butterworth und Jason Keller diese Bilder nie hinterfragen, ihre Helden | |
kommentarlos unterarmdicke Schraubschlüssel verschenken lassen. Und den | |
Autobauer Ford angesichts des Umstands, dass die Amis in Italien fahren | |
sollen, sagen lassen: „Es ist nicht das erste Mal, das amerikanische | |
Maschinen in Europa Krieg führen.“ | |
## Wenn ein Mann weint | |
Damit spielt der ehemalige Kriegslieferant auf den Zweiten Weltkrieg an, in | |
dem in den USA produzierte Ford-Bomber die Deutschen (und ihre in | |
Ford-Werken hergestellten Maschinen) bekämpften – und lädt das Rennen mit | |
Bedeutung auf: Selbstredend geht es um nichts weniger, als den Europäern zu | |
zeigen, wer den dicksten Motor hat. Dass jener Henry Ford II später von | |
Miles bei einer Spritztour angesichts Miles’ selbstmörderischer Fahrkunst | |
zum verpönten Schwächezeigen gebracht wird, meint Mangold tatsächlich so: | |
Wenn ein Mann weint, dann ist das Weichei erpressbar. Miles darf somit doch | |
fahren. | |
Ein Autorennfilm ist eben kein Autorenfilm. Aber auch in der Ausführung | |
schwächelt „Le Mans 66“: Trotz der schönsten Rennautos der Welt entsteht | |
nur selten die Ästhetik, die man an den Originalbildern genießen kann, | |
Kostüme und Maske passen nicht zu den Figuren. Der Score bewegt sich | |
irgendwo zwischen Best of 60s und gruseligen Soundalikes. | |
Dass man für einen Film über schicke Karren „Have Love, Will Travel“ von | |
The Sonics lizenziert, obwohl es mit „Boss Hoss“ einen in gleicher Tonlage | |
swingenden Song der Band gibt, der explizit schicke Karren thematisiert, | |
liegt womöglich am fehlenden Mut – „Have Love“ ist ein größerer Hit. �… | |
Mans 66“ bleibt trotz interessanter Fakten, trotz fleißig agierendem Bale | |
und den hübschen Boliden darum auf einem hinteren Platz, was Filme über | |
Motorsport angeht. Die Identitätsfrage wird durch einen Unfall gecrasht. | |
Denn auch die Schnellsten sind nicht immer die Sieger. | |
14 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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