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# taz.de -- Krieg in der Ukraine: „Wir helfen dem Staat, nicht er uns“
> Tausende Menschen in der südukrainischen Stadt Saporischja sind auf das
> Rote Kreuz angewiesen. Denn dessen Mitarbeiter reparieren selbst
> Wasserleitungen.
Bild: Brotlieferung am 13. Februar 2024 während des Kriegs
Saporischscha taz Andrej Chodakowski ist eigentlich kein Mann der leisen
Worte. Seit einigen Jahren gehört er in Saporischschja zu den Großen in der
Medizinbranche. Er kauft für das Krankenhaus Nr. 9 alles ein, vom
Toilettenpapier bis zum Röntgengerät. Doch dieses Mal beginnt er das
Gespräch in seinem Lieblingscafé mit einem langen Schweigen.
Dann sagt er leise und kaum hörbar, während er auf seinen Espresso schaut:
„Wir haben 700 Betten in unserem Krankenhaus. 500 davon gehören verletzten
Soldaten. Jeden Tag werden weitere 100 verletzte Soldaten in unsere
Notaufnahme gebracht.“
In anderen Krankenhäusern der Stadt dürfte es anders aussehen. „Wir haben
uns auf Chirurgie spezialisiert. Deswegen kommen die meisten Verletzten zu
uns.“ [1][Die Mehrheit der Verletzungen stamme vom feindlichen
Artilleriebeschuss]. „Auch Phosphor setzen die Russen ein“, berichtet
Chodakowski. „Das sehen wir an den Wunden.“ Die Artillerie trifft nicht nur
Soldaten. Laut der Nachrichtenagentur AP wurden am Wochenende durch
russischen Beschuss in den Regionen Saporischschja und Cherson mindestens
zwei Zivilisten getötet und acht weitere verletzt.
Chodakowski könnte ausreisen, den Krieg hinter sich lassen. Aber er denkt
nicht daran. „Ich habe da meine Mission“, sagt der geübte Organisator,
„meine Verantwortung, meine Geschäftspartner bei der Arbeit. [2][Ich kann
doch nicht einfach abhauen.“]
## Nicht genügend Psychologen
Durch Saporischschja verläuft der Sobornyj-Prospekt, mit 10,8 Kilometern
eine der längsten innerstädtischen Straßen Europas. In einer seiner
Seitenstraßen liegt das Büro des Roten Kreuzes. Es kümmert sich um alle,
die unter dem Krieg leiden, aber in keiner Klinik oder Reha-Maßnahme sind.
Oxana Beketowa, die örtliche Direktorin, berichtet: „So viele Menschen
leiden in unserer Stadt an einer Posttraumatischen Belastungsstörung.“ Sie
alle bräuchten dringend psychologische Betreuung. Doch man habe nicht
annähernd genug Psychologen.
Das Rote Kreuz betreut zudem 300 Alleinstehende, teilweise Bürger mit
Behinderung in deren Zuhause. Angesichts der schieren Menge
hilfsbedürftiger Menschen in Saporischschja und Umgebung fühle man sich
überfordert.
„Ungefähr 6.000 Menschen sind zu hundert Prozent von unseren
Hilfstransporten abhängig“, erklärt Beketowa. Sie meint die Bewohner der
zwei Autostunden von Saporischschja entfernten Orte Orichiw und Gulajpole,
die noch dort geblieben sind. 30.000 Menschen lebten dort vor dem Krieg.
## Zu wenig zum Leben
Heute gibt es in diesen Orten keine Geschäfte, keinen Strom und keine
Heizung. Warum die Menschen dort bleiben? „Wer dort lebt“, erklärt
Beketowa, „hat meistens ohne Vertrag gearbeitet, bekommt also eine sehr
niedrige Rente. Und die liegt bei umgerechnet 70 Euro. Hinzu kommen noch
einmal 70 Euro staatliche Unterstützung für die Bewohner dieser Städte.
Doch bei den derzeitigen Preisen reicht das nicht zum Leben“, meint
Beketowa. „Und schon gar nicht für einen Umzug in eine andere Stadt, wo die
Wohnungspreise 120 Euro und mehr betragen.“
Bei der Frage, wie der Staat das Rote Kreuz unterstütze, lacht Beketowa
kurz auf. „Wir unterstützen den Staat, nicht umgekehrt“, antwortet sie. Das
Rote Kreuz repariere auch Luftschutzräume oder kaputte Wasserleitungen und
suche Vermisste.
Eines haben Chodakowski und Beketowa gemeinsam: Sie sind Deutschland sehr
dankbar für die Unterstützung. 80 Prozent der materiellen Mittel, so
Beketowa, erhielte man vom Deutschen Roten Kreuz.
26 Feb 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Rotes Kreuz
Medizin
GNS
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Olaf Scholz
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