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# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Entscheidende Schlacht um Mariupol
> Erobert Russland die Stadt und den Donbass, kann es den ersten Sieg über
> die Ukraine verkünden. Sonst wäre es ein moralischer Sieg der Ukraine.
Bild: Unsichere Sitze: Bislang sind knapp 10.000 russische Soldaten gefallen
Berlin taz | Es war ein kurzer, aber wichtiger Moment der Wahrheit: Die
Moskauer Zeitung Komsomolskaja Prawda veröffentlichte am Montagabend im
Internet eine offizielle Bilanz des russischen Verteidigungsministeriums
über die eigenen Verluste in der Ukraine. 9.861 Tote und 16.150 Verwundete
nannte der kurze Bericht, der schnell von der Webseite entfernt wurde. Es
sind zwar weniger Opfer als von der Ukraine bisher behauptet, aber dennoch
viel mehr, als Russland selbst jemals zugegeben hat.
„Wow“, kommentierte auf Twitter der US-Militärexperte Charles Lister. „D…
sind ungefähr 1.000 Verluste pro Tag. Dies sind atemberaubende, absolut
beispiellose Zahlen, und sie zeigen, wie unhaltbar Putins Invasion geworden
ist, zumindest in ihrer aktuellen Form.“ Manche Gründe sind bekannt:
Russische Panzerkolonnen wurden ohne Nachschub und Absicherung losgeschickt
und dezimiert; es gab keine Koordination zwischen russischen Boden- und
Luftstreitkräften und keine Vorbereitung darauf, dass der Gegner sich
wehren würde.
US-Offiziersveteran Mark Hertling deutet auch auf die Beschaffenheit
russischer Panzer, die er „Streichholzschachteln“ nennt: Drinnen sitzen die
Soldaten auf engem Raum direkt neben ihrer Munition. Bei Beschuss von außen
explodiert drinnen alles und die Besatzung verbrennt. Die vielen
panzerbrechenden Waffen aus den USA und Großbritannien waren offensichtlich
sehr effektiv, und die Lieferungen werden ausgeweitet.
Der Krieg ist jetzt fast vier Wochen alt, aber seit der ersten Woche
verzeichnet Russlands Armee kaum noch Geländegewinn. Am weitesten kamen sie
im Süden, wo Kampfverbände aus der Krim wichtige Küstenstädte einnahmen und
nun gemeinsam mit den Donezk-Separatisten Mariupol belagern und zerstören.
Der Ausgang der [1][Schlacht um Mariupol] dürfte diese erste Kriegsphase
entscheiden, schätzen westliche Militärexperten.
## Der Fall Mariupols böte Russland eine Donbass-Einkesselung
Fällt die einst 400.000 Einwohner zählende Stadt, kann Russland seine dort
engagierten Kräfte einsetzen, um die ukrainischen Soldaten an der
Donbassfront einzukesseln und den gesamten Donbass zu erobern, von dem die
beiden Separatistenrepubliken Donezk und Luhansk bislang nur den kleineren
Teil kontrollieren. Das wäre dann eine gute Ausgangsposition für Russland,
um die Ukraine bei Friedensgesprächen zu einem Gebietsverzicht zu nötigen,
schätzt der ukrainischstämmige US-Militärexperte Michael Kofman.
Doch scheitert die Einnahme von Mariupol, kann die [2][Ukraine einen
moralischen Sieg] geltend machen. Und solange Mariupol umkämpft bleibt,
bindet die Belagerung viel russische Offensivkraft. An mehreren anderen
Stellen des Landes weichen die russischen Truppen seit ein paar Tagen
zurück.
Versuche, von der Krim aus Richtung Odessa vorzustoßen, hat die Ukraine
zurückgeschlagen. Bei Kiew, wo seit Wochen von einer bevorstehenden
Umzingelung die Rede ist, konzentrieren sich die Kämpfe weiterhin auf
entfernte Vorstädte. Nach Berichten vom Dienstag sollen dort wichtige
russische Verbände mittlerweile umzingelt sein.
Sollte Russland tatsächlich deutlich zurückweichen müssen, rechnen
US-Militärexperten damit, dass Moskau in eine Feuerpause einwilligt,
vorgeblich um Fortschritte in den stockenden Friedensgesprächen mit der
Ukraine zu ermöglichen. Dann würde der internationale Druck auf Kiew
steigen, politische Zugeständnisse zu machen, die Moskau auf militärischem
Weg nicht erzwingen konnte.
Zugleich aber würde Russland die Atempause nutzen, um seine Streitkräfte zu
reorganisieren. Seine ausbleibenden Geländegewinne kompensiert Russland
jetzt schon mit einer Verstärkung der Angriffe aus der Luft. Deswegen enden
die meisten Kriegsprognosen in Sorge vor einer zweiten, blutigeren
Kriegsphase. Mariupol könnte dann bald überall sein.
22 Mar 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Dominic Johnson
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