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# taz.de -- Krieg in der Ukraine und Russland: Verheizt im Kampf für die Heimat
> Die russische Armee schickt bewusst junge, unerfahrene
> Wehrdienstleistende ins Kampfgebiet bei Kursk. Mütter der Rekruten
> schlagen Alarm.
Bild: Russische Gefangene werden in einem Militärfahrzeug von Ukrainischen Sol…
Moskau taz | Im Juli erst seien sie eingezogen worden, Anfang August hätten
sie den Eid zur Verteidigung der Heimat geleistet. Und jetzt? Jetzt sollen
sie bereits [1][ins Kampfgebiet? Nach Kursk?] „Rettet unsere Jungen!“,
schreiben Mütter von Wehrdienstleistenden aus der Region Murmansk, weit im
Norden Russlands. Sie klingen verzweifelt.
Seit dem überraschenden wie überraschend erfolgreichen Vorstoß der
ukrainischen Armee auf russisches Territorium bei Kursk verschleiert die
russische Führung nicht mehr, auch Rekruten im Kampf einzusetzen. Diese
hätten sich schließlich „verpflichtet, das Vaterland zu verteidigen“, hei…
es im russischen Verteidigungsministerium.
Das Verheizen von Rekruten im Krieg ist für viele in Russland ein
traumatisches Thema. Seit den Kriegen in Afghanistan und Tschetschenien,
die unter hohen Verlusten von kaum ausgebildeten Wehrpflichtigen geführt
worden waren, wühlt das Verschicken von jungen Männern an die Front viele
in der Gesellschaft auf.
Allerdings hat sich das Land seit dem Einmarsch der russischen Armee in der
Ukraine stark verändert. Konnten Mütter damals nach Tschetschenien reisen
und ihre Söhne buchstäblich vom Kampffeld weg herausholen, gibt es heute,
in Zeiten von Militärzensur und Versammlungsverboten, kaum mehr
Möglichkeiten, auf die Staatsführung legal einzuwirken.
## Viele vermisste Rekruten
Zumal die wenigsten Angehörigen den Sinn von Wladimir Putins „militärischer
Spezialoperation“ infrage stellen. „Wir sind Patrioten, Wladimir
Wladimirowitsch!“, schreiben sie. „Wir stehen auf Ihrer Seite! Lassen Sie
unsere Kinder nicht sterben!“
Die „Kinder“ aber sterben. Oder sie geraten in Gefangenschaft. Mehrere
Hundert Rekruten gelten derzeit als vermisst. Die ukrainische Armee
veröffentlicht immer wieder Bilder von russischen Gefangenen. Angehörige
finden darauf ihre gerade erst eingezogenen Söhne, Brüder, Enkel.
Hilfsorganisationen melden eine verstärkte Nachfrage von Familien, wie sie
ihre Söhne von der Verschickung an die Front retten können.
Eltern berichten, dass ihre Söhne – kaum in der Militäreinheit angekommen �…
unter Druck gesetzt würden, Verträge mit dem Verteidigungsministerium
abzuschließen. Dadurch gelten sie als reguläre Soldaten und nicht mehr als
Rekruten. Egal, wie viel sie bereits gedient und ob sie überhaupt eine
militärische Spezialisierung erworben haben.
„Im Kursker Gebiet finden Kampfhandlungen statt. Es besteht Lebensgefahr
für unsere Söhne“, heißt es im Aufruf der Mütter aus der Region Murmansk.
In einer weiteren Petition, mit der sich Mütter von Rekruten eines
Motorschützenregiments im Gebiet Brjansk, einer Nachbarregion von Kursk,
direkt an den russischen Präsidenten wenden, fordern sie, die Rekruten
nicht an der Front einzusetzen.
## Die Schaufel schwingen
Die „gestrigen Schüler“ würden als „Kanonenfutter aufs Schlachtfeld“
geschickt, schreiben sie. „Schwerbewaffnete Elite-Soldaten stehen unseren
Kindern gegenüber, die sich in den wenigen Monaten ihrer Ausbildung nur
eine Fähigkeit erworben haben: die Schaufel zu schwingen.“ Die Mütter
klagen, nicht über den Standort ihrer Söhne informiert worden zu sein – und
[2][klingen so überrascht, als wüssten sie nicht, was seit zweieinhalb
Jahren nur unweit von ihnen geschieht].
Krieg, das lehrt sie der Kreml in all den Monaten der versuchten
Vernichtung der Ukraine mit allen Mitteln der Propaganda und der Agitation,
sei Romantik und Heldentum. Viele Russ*innen leben in dem Glauben, als
würde sie der Krieg in der Ukraine nicht betreffen. Selbst wenn er ihnen
Hab und Gut und die Angehörigen nimmt, lassen sie kaum etwas auf ihren
Präsidenten kommen.
Über die Klagen der Mütter macht sich einer der führenden Kommandeure
schlicht lustig. „Macht aus Männern keine Kinder, die mit einem Schnuller
ins Bett gebracht werden“, sagt Apti Alaudinow von der tschetschenischen
Spezialeinheit „Achmat“ in einer Videobotschaft. Alle, ob klein oder groß,
müssten zusammenstehen. Und: „Es gibt nichts Besseres, als im Kampf für
seine Heimat zu sterben.“
21 Aug 2024
## LINKS
[1] /Ukrainischer-Vorstoss-in-Russland/!6028238
[2] /Russischer-Angriffskrieg-gegen-Ukraine/!6029458
## AUTOREN
Inna Hartwich
## TAGS
Russland
Kursk
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Militär
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Internationaler Strafgerichtshof
Krim
Lesestück Recherche und Reportage
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