# taz.de -- Pressefreiheit im Frontgebiet: Russland gegen italienischen Sender | |
> In zwei recht unterschiedlichen Fällen passt dem Moskauer | |
> Außenministerium nicht, wie italienische Reporter:innen aus Kursk | |
> berichten. | |
Russlands Truppen kämpfen nicht nur auf den Schlachtfeldern der Region | |
Donezk in der Ukraine sowie vor Kursk im eigenen Land. Das Putin-Regime | |
macht jetzt einen neuen Nebenkriegsschauplatz auf und zieht gegen Italiens | |
staatlichen Fernsehsender RAI zu Felde. | |
Das erste Verbrechen der RAI: Am 14. August hatte die Kriegsreporterin | |
[1][Stefania Battistini] gemeinsam mit ihrem Kameramann Simone Traini | |
ukrainische Truppen bei deren Vorstoß auf russisches Gebiet begleitet, als | |
erstes ausländisches TV-Team überhaupt, und von dort einige Liveberichte | |
abgesetzt. Die wutentbrannte russische Reaktion folgte auf dem Fuß. | |
Umgehend wurde Italiens Botschafterin in Moskau vom dortigen | |
Außenministerium einbestellt. Sie bekam „entschiedenen Protest“ zu hören, | |
gegen das Wirken „eines italienischen Fernsehteams der RAI, das sich in | |
russisches Territorium infiltriert hat, um einen terroristischen | |
kriminellen Akt ukrainischer Militanter in der Region Kursk journalistisch | |
zu begleiten“, hieß es auf der Website des Außenministeriums. | |
Damit waren die beiden RAI-Beschäftigten als Mittäter ausgemacht. Dies | |
wurde endgültig klar, als aus Moskau die weitere Mitteilung erfolgte, gegen | |
sie werde wegen Verstoßes gegen Paragraph 322 des Strafgesetzbuches | |
(illegaler Grenzübertritt) ermittelt und sie hätten wegen des von ihnen | |
begangenen Verbrechens mit „angemessenen Maßnahmen“ zu rechnen. | |
## Verweis auf Genfer Konvention | |
Die RAI-Reporterin Battistini verwies ihrerseits auf den Artikel 79 der | |
Genfer Konvention, wonach Journalisten in Kriegsgebieten als Zivilisten zu | |
behandeln und zu schützen seien, unter der Bedingung, dass sie sich an | |
Kampfhandlungen nicht beteiligen. | |
Nur wenige Tage später fand sich die RAI erneut im Moskauer Visier, diesmal | |
wegen eines von dem Kriegsreporter [2][Ilario Piagnerelli] mit einem | |
ukrainischen Soldaten [3][geführten Interviews]. Das Interview selbst | |
liefert mit den einsilbigen Antworten des Soldaten eher bescheidene | |
Erkenntnisse: „Sind die Truppen bei Kursk 10 oder 30 Kilometer | |
vorgedrungen?“ „30.“ Dennoch wird eines sofort klar: Vor der Kamera steht | |
ein waschechter Nazi. Auf seiner Basecap jedenfalls prangen vorn auf der | |
Stirn die SS-Runen, ein Adlerkopf und das Eiserne Kreuz. | |
Maria Zakharova, Sprecherin des russischen Außenministeriums, ließ sich | |
diese Steilvorlage nicht entgehen. „Ein gravierenderes Verbrechen“ als der | |
angeblich illegale Grenzübertritt der beiden anderen RAI-Beschäftigten | |
liege hier vor, dekretierte sie in einem Telegram-Post und setzte nach, | |
„die westlichen Medien setzen sich weiter für die gezielte Rehabilitierung | |
der ukrainischen Neonazis und für die Revision der Beschlüsse des | |
Nürnberger Tribunals ein“. Ja mehr noch, „die italienischen Medien erinnern | |
immer stärker an den Völkischen Beobachter“. Moskau warte jetzt auf „die | |
offizielle Reaktion Roms“. | |
Die blieb zwar aus, dafür aber lieferte Piagnerelli seine ganz persönliche | |
Reaktion. „Ich bedaure zutiefst, dass ich, wenn auch nur für wenige | |
Sekunden, einen ukrainischen Soldaten zu Wort kommen ließ, der, wie ich | |
erst nach Ausstrahlung der Reportage bemerkte, ein Nazisymbol trug“, ließ | |
er wissen. „Ich bin mit einem Opa aufgewachsen, der Partisan war, einer | |
jener echten Partisanen, die heute keinerlei Zweifel bei der Unterscheidung | |
zwischen Invasoren und von der Invasion Betroffenen, zwischen den | |
Widerstand Leistenden und den Besatzern hätten“, fügte er hinzu. | |
In der italienischen Politik mehren sich jetzt die Stimmen, die Regierung | |
in Rom solle ihrerseits den russischen Botschafter einbestellen, um | |
formalen Protest gegen Moskaus Kampagne gegen die RAI einzulegen. Vorerst | |
aber hat nur die Senderspitze reagiert. Sie beorderte Stefania Battistini | |
und Simone Traini aus der Ukraine zurück nach Rom, „zu ihrer Sicherheit und | |
ihrem persönlichen Schutz“, wie der [4][Senderchef Roberto Sergio] wissen | |
ließ. | |
21 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.deutschlandfunk.de/italienischer-sender-rai-holt-nach-russische… | |
[2] https://www.adnkronos.com/internazionale/esteri/russia-nuovo-attacco-a-gior… | |
[3] https://roma.corriere.it/notizie/politica/24_agosto_20/piagnerelli-rai-ucra… | |
[4] /Streik-bei-OeRR-in-Italien/!6005930 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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