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# taz.de -- Krebs durch Genmais: Monsanto unter Druck
> Die Kritiker hätten die Studie wohl nicht gelesen: Der Molekularbiologe
> Séralini verteidigt seine Untersuchungen, bei denen er Ratten mit Genmais
> fütterte.
Bild: Das Leben als Laborratte: etwas eng, aber es wird nicht kalt.
BERLIN taz | Tumore, kaputte Nieren und Lebern bei Laborratten – die
Ergebnisse einer neuen Langzeitstudie zu gentechnisch verändertem Mais
klingen alarmierend. Binnen Stunden nach Veröffentlichung der Untersuchung
aus Frankreich warfen Wissenschaftler den Verfassern fehlerhafte Methoden
vor. Hauptautor Gilles-Eric Séralini von der Universität Caen weist die
Kritik im taz-Gespräch zurück.
Die Untersuchung könnte für die Industrie gefährlich werden, weil die
Autoren so lange und detailliert wie kaum eine andere Forschergruppe eine
Gentechpflanze an Versuchstieren getestet haben. Sie verfütterten den Mais
NK603 des US-Herstellers Monsanto an Ratten während deren gesamten
Lebensdauer von etwa zwei Jahren. Einige Tiere bekamen mit dem Mais auch
das Monsanto-Pestizid RoundUp, gegen das die Pflanze durch Genveränderung
widerstandsfähig gemacht wurde.
Frühere, meist nur 90 Tage dauernde Studien hatten entweder keine Gefahren
nachgewiesen oder werden selbst von Kritikern der Technologie skeptisch
gesehen. Nun erklärte die französische Regierung, sie erwäge, den für den
Import in die EU zugelassenen Gentechmais zu verbieten. In Russland
verhängte die staatliche Verbraucherschutzagentur einen Importstopp des
Genmaises, bis die Vorwürfe der Studie geklärt seien.
Gentech-Befürworter bemängeln, dass Séralini nur zehn Ratten in der
Kontrollgruppe gehalten habe, die konventionell gefüttert wurde. Diese Zahl
sei zu niedrig, um zufällige Ergebnisse auszuschließen. „Der NK603-Mais
wurde mit 10 Ratten genehmigt“, entgegnet Séralini, „das ist zu wenig für
eine Krebsstudie. Aber eine Krebsstudie mit 50 Ratten kostet 20 Millionen
Euro. Niemand hat das bisher gemacht mit Gentech-Pflanzen und RoundUp.“
## Krebsanfälliger Rattenstamm
Allerdings habe er seine Tumorergebnisse kombiniert, etwa mit biochemischen
Analysen, für die zehn Tiere ausreichten. Demnach litten die mit Genmais
gefütterten Ratten besonders häufig auch an Nierenkrankheiten. Kritiker
werfen Séralini auch vor, dass er den Rattenstamm „Sprague-Dawley“ benutzt
hat, der natürlicherweise sehr anfällig für Krebserkrankungen ist.
„Sie haben den gleichen Stamm benutzt, um den NK603-Mais zu genehmigen“,
antwortet der Molekularbiologe. Außerdem gehörten Séralini zufolge
sämtliche Tiere in seinem Versuch diesem Stamm an. Alle entwickelten
Tumoren, aber die Ratten mit Genmais und/oder RoundUp im Futter „hatten
zwei- bis dreimal mehr – und sogar fünfmal mehr in einigen Gruppen“, sagt
Séralini.
Monsanto wehrt sich unter anderem mithilfe von David Spiegelhalter,
Statistiker an der Universität Cambridge. „Die Nur-Mais-Ernährung der
Ratten ist zweifelhaft und unrealistisch“, kommentierte er die Studie laut
einer Pressemitteilung des Unternehmens.
## Ausgewogenes Standardfutter
Séralini kontert: „Wir haben ein ausgewogenes Standardfutter für
Laborratten benutzt.“ Geliefert von dem Hersteller Safe, tauschten die
Forscher den enthaltenen konventionellen Mais teilweise oder komplett gegen
den transgenen Mais aus.
Monsanto kritisierte in einer Stellungnahme zudem: „Es ist unklar, ob alle
Testfuttermittel die gleiche Menge Mais enthielten“. Falls die Ratten
unterschiedlich viel Mais bekommen hätten, könnte das der Grund für die
unterschiedlichen Symptome der Tiere sein.
„Jede Ratte hat die gleiche Menge Mais gefressen, und das reguläre Futter
einer Ratte darf maximal 33 Prozent Mais enthalten“, stellt Séralini fest.
In der Studie selbst heißt es, dass die Futtermittel „substantiell
gleichwertig seien – mit Ausnahme des veränderten Gens“ in dem
Monsanto-Mais. „Wer uns nun kritisiert, ist mit der Biotechnologie-Lobby
verbunden. In Frankreich sind es auch die Leute, die den transgenen Mais
NK603 genehmigt haben“, so Séralini.
25 Sep 2012
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Schwerpunkt Monsanto
Schwerpunkt Gentechnik
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