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# taz.de -- Folgen des Agrar-Putsches in Paraguay: Der umgegrabene Staat
> Vor einem Monat wurde Paraguays Präsident Lugo gewaltlos abgesetzt. Der
> Kampf für eine nachhaltigere Landwirtschaft ist jetzt erst einmal vorbei.
Bild: Asunción vernebelt.
PORTO ALEGRE taz | Der Putsch hat Walter Lezcano arbeitslos gemacht. Vor
wenigen Tagen verlor der linke Agraringenieur seinen Posten als Inspektor
der paraguayischen Behörde für Pflanzenqualitätskontrolle und
Saatgutschutz. Unter Präsident Fernando Lugo sollte er den Einsatz für eine
nachhaltigere Landwirtschaft gegen die Agrarlobby umsetzen.
Er versuchte, auf dem Land für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen, etwa
bei der Besprühung von Gensojaplantagen mit dem Unkrautbekämpfungsmittel
des Agrarkonzerns Monsanto. Der Inspektor ließ illegale Genmaisfelder
zerstören und beschlagnahmte geschmuggeltes Saatgut.
Doch dann wurde Präsident Lugo am 22. Juni in einem gewaltlosen Putsch von
der konservativen Senatsmehrheit abgesetzt. Vorwand war eine blutige
Schießerei bei einer Räumung von Landlosen in der nordöstlichen Gemeinde
Curuguaty, bei der elf Kleinbauern und sechs Polizisten starben. Vieles
deutet allerdings darauf hin, dass eher Lugos Gegner für den Vorfall
verantwortlich sein könnten.
Zwei Monate lang hatten 60 Landlose die weitläufige Farm des Unternehmers
und Politikers Blas Riquelme besetzt gehalten – ursprünglich ein Geschenk
des Exdiktators Alfredo Stroessner. Für das Blutbad machten die
Parlamentarier Präsident Lugo verantwortlich – ausgerechnet jenen
fortschrittlichen Exbischof, der 2008 auch wegen des großen Rückhalts auf
dem Lande gewählt worden war und damit die 61-jährige Herrschaft von
Riquelmes und Stroessners Colorado-Partei beendet hatte.
## Sechs tote Soldaten
Es ist davon auszugehen, dass die sechs toten Soldaten wahrscheinlich auf
das Konto von Scharfschützen gehen, doch die genauen Umstände wurden ebenso
wie die Hintermänner bislang nicht aufgedeckt. „Es war eine vorbereitete
Aktion“, sagte Senator Sixto Pereira, ein Vertrauter Lugos, der taz,
„vielleicht stecken die örtlichen Großgrundbesitzer dahinter, oder
Drogenhändler“.
José Mujica, uruguayischer Präsident, behauptete gar, mafiöse Verbindungen
zwischen Drogenhändlern und konservativer Partei seien für den Putsch
verantwortlich. Bis heute blockiert die Regierung von Lugos rechtsliberalem
Exvize und Nachfolger Federico Franco eine unabhängige Untersuchung der
blutigen Schießerei.
Vor Tagen wartete der von sämtlichen Regierungen Südamerikas geächtete
De-facto-Staatschef mit einer abenteuerlichen Theorie auf: Er schrieb den
Vorfall der Phantom-Guerilla „Paraguayisches Volksheer“ zu, die er als
„ausführenden Arm“ der kolumbianischen Guerilla-Bewegung Farc bezeichnete.
So nebulös die Hintergründe des Massakers und so abenteuerlich die
Begründung des unblutigen Parlamentsputsches ist, so wenig Zweifel bestehen
über den neuen Regierungskurs. Francos Getreue entfernten über 2.000
Lugo-Sympathisanten aus dem Staatsdienst.
## 170 Funktionäre entlassen
Allein in der Pflanzenschutzbehörde Senave wurden in den letzten Wochen 170
Funktionäre entlassen, über zwei Drittel der Belegschaft. „Zuvor hatte man
uns unsere Pick-ups und das Motorrad abgenommen, damit waren wir praktisch
handlungsunfähig“, sagt Lezcano.
Als neuen Chef der Behörde setzte Franco Tage nach dem Putsch Jaime Ayala
ein, zuvor Direktor und bis heute Aktionär der Firma Pacific Agroscience,
die Pestizide verkauft. Als erste Maßnahme gab Ayala grünes Licht für die
Monsanto-Gentech-Baumwolle vom Typ MON531-Bollgard, gegen deren Zulassung
sich sein Vorgänger erfolgreich gewehrt hatte.
Das hatte dem Lugo-Mann eine monatelange Medienkampagne unter Führung der
größten Tageszeitung ABC Color eingebracht. Die wiederum gehört der
Zuccolillo-Gruppe, einem Partner des US-Agrarmultis Cargill.
„Das neue Saatgut richtet sich gegen uns Kleinbauern“, meint Jorge Galeano
von der Volksagrarbewegung MAP. „Es wird zusammen mit speziellen Herbiziden
verkauft, das widerspricht unserem Konzept der Agrarsouveränität.“ Außerdem
sei dieser Ansatz nur für große, mechanisierte Plantagen geeignet.
## Keine Gesundheitsrisiken durch Gen-Baumwolle
„Arbeitslosigkeit und Umweltverschmutzung werden zunehmen“, sagt er voraus.
Da die Gen-Baumwolle nicht von Menschen verzehrt werde, gäbe es keine
Gesundheitsrisiken, erklärte hingegen Senave-Chef Ayala.
Unter der Putschistenregierung hat die Agrarlobby also freie Bahn. Unter
Fernando Lugo hatten die großen Landbesitzer, darunter zehntausende
brasilianische Sojafarmer, eine Agrarreform blockiert – zusammen mit ihren
Verbündeten in Parlament, Justiz und Medien.
Doch immerhin wollte der linke Staatschef die Steuern auf Sojaexporte von 3
auf 12 Prozent erhöhen – die Exporte machen ein Zehntel des
Bruttoinlandsprodukts aus. Davon ist nun keine Rede mehr. Das könnte sich
ändern: Der abgesetzte Präsident will bei den Wahlen im April 2013 wieder
antreten.
27 Jul 2012
## AUTOREN
Gerhard Dilger
## TAGS
Paraguay
Schwerpunkt Monsanto
Paraguay
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