# taz.de -- Kommunalwahlen in Brasilien: Doch kein Sozialist für São Paulo | |
> Bei der zweiten Runde der Kommunalwahlen in Brasilien haben Präsident | |
> Bolsonaro nahestehende Parteien verloren – und Konservative gewonnen. | |
Bild: In São Paulo setzte sich in der Bürgermeister-Stichwahl Amtsinhaber Bru… | |
BERLIN taz | Der Traum vieler Linker platzte um kurz nach 19 Uhr als die | |
Wahlergebnisse aus São Paulo im Fernsehen übertragen wurden. Es war der | |
Traum, dass die größte Stadt Lateinamerikas [1][zukünftig von einem | |
Sozialisten regiert wird]. | |
Der Wohnungslosenaktivist und Politiker der sozialistischen PSOL, Guilherme | |
Boulos, war bei der Stichwahl für das höchste Amt der Megametropole gegen | |
den amtierenden Bürgermeister der rechten PSDB, Bruno Covas, ins Rennen | |
zog. Die beiden, und das ist im Brasilien des Jahres 2020 wichtig zu | |
betonen, hatten sich ein hartes aber zivilisiertes Wahlduell geliefert. Am | |
Ende fiel das Ergebnis deutlich aus und Covas gewann mit fast 60 Prozent | |
der Stimmen. | |
Covas, der in seiner Partei als moderat gilt, versprach bei seiner | |
Siegesrede eine Regierung des Ausgleiches und der Mäßigung. Per | |
Videobotschaft meldet sich der unterlegene Boulos noch am Abend aus seinem | |
kleinen Haus im Randgebiet von São Paulo zu Wort. | |
Seine Kampagne, erklärte der an Covid-19 erkrankte Politiker, habe einen | |
Weg in die Zukunft gewiesen und gesiegt, obwohl die Wahl verloren ging. Und | |
in der Tat: Alleine, dass der Sozialist die Stichwahl erreichte, war ein | |
Erfolg. | |
Seine Kampagne begeisterte viele junge Wähler*innen, er gelang ihm ein | |
breites Bündnis zu schmieden, viele prominente Künstler*innen hatten ihn | |
unterstützt. Und Boulos holte in vielen [2][armen Stadtteilen] die Mehrheit | |
– dort, wo die Linke zuletzt Schwierigkeiten hatte zu punkten. Nicht wenige | |
handeln den charismatischen 38-Jährigen als Präsidentschaftskandidat für | |
die Wahl 2022. | |
## Rekord-Umfragewerte für Bolsonaro | |
Am Sonntag waren Brasilianer*innen in 57 Städten zur Stichwahl für die | |
Bürgermeister*innenposten aufgerufen. Am Ende eines langen Tages bestätigte | |
sich die Tendenz der ersten Runde und insbesondere die traditionellen | |
Mitte-Rechts-Parteien konnten Siege verbuchen – also jene Kräfte, die bei | |
der Präsidentschaftswahl 2018 abgestürzt waren. | |
In der südbrasilianischen Hafenstadt Porto Alegre setzte sich der | |
Mitte-Rechts-Politiker Sebastião Melo gegen Manuela d'Ávila, Kandidatin | |
sozialdemokratisch ausgerichteten Kommunistischen Partei von Brasilien | |
(PCdoB), durch. In Rio de Janeiro gewann der konservative Ex-Bürgermeister | |
Eduardo Paes mit riesigem Vorsprung vor dem amtierenden Amtsinhaber Marcelo | |
Crivella. Der ultrarechte Pastor hatte im Wahlkampf die Unterstützung von | |
[3][Präsident Jair Bolsonaro] genossen. | |
Auch in vielen anderen Städten stürzten Bolsonaro-nahe Kandidat*innen ab. | |
So blieb es am Sonntag auffällig ruhig auf dem sonst so geschäftigen | |
Twitter-Profil des Rechtsradikalen. Allerdings: Die Kommunalwahlen sind | |
kein Gradmesser für die Präsidentschaftswahl 2022. Dafür ist das | |
Parteiensystem in Brasilien zu komplex, Wahlentscheidungen zu sehr | |
personalisiert, Lokalpolitik zu weit weg von der Hauptstadt Brasília. Es | |
ist kein Widerspruch, dass Präsident Bolsonaro derzeit | |
[4][Rekord-Umfragewerte verzeichnet]. | |
In der nordbrasilianischen Stadt Belém feierte der PSOL-Kandidat Edmilson | |
Rodrigues mit seinem Wahlsieg einen Achtungserfolg. Die sozialistische | |
Partei, die 2004 von abtrünnigen Politiker*innen der Arbeiterpartei PT | |
gegründet wurde, läuft der PT aber immer mehr den Rang ab. Bis auf einzelne | |
Ausnahmen im Industriegürtel von São Paulo setzte diese ihren Abwärtstrend | |
fort. Der Partei des [5][populären Ex-Präsidenten Lula] gewann zum ersten | |
Mal seit der Re-Demokratisierung 1985 keine der 26 Landeshauptstädte. Ein | |
Desaster für die Partei. | |
Und die Wahl hatte noch mehr Verlierer: Frauen. In nur einer der 26 | |
Landeshauptstädte konnte sich eine Frau durchsetzen. Im brasilianischen | |
Parlament sitzen derweil nur 15 Prozent weibliche Abgeordnete – der | |
niedrigste Wert in Lateinamerika. | |
30 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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