# taz.de -- Kommentar US-Datenspionage: Die saure Milch der Dienste | |
> Mit geklauten Informationen hat der US-Geheimdienst möglicherweise | |
> Attentate verhindert. Doch der Zweck heiligt nicht die Mittel. | |
Heute machen wir eine Gedankenübung. Wir stellen uns einmal vor, wir hätten | |
einen netten Nachbarn, mit dem wir oft spazieren gehen. Wenn uns etwas | |
Milch fehlt, dann können wir bei ihm klingeln. Und wenn wir zu viele Gäste | |
haben, hilft er mit Stühlen aus, damit alle Platz finden. | |
Man kann das ja gar nicht genügend loben, so ein freundschaftliches | |
Verhältnis. Nun fragen wir mal: Wollen wir seine Milch auch dann noch | |
haben, wenn wir wissen, dass er sie immer bei anderen klaut? Und wem dürfte | |
der Nachbar sie denn gerade noch so klauen, damit wir sie unseren Gästen | |
anbieten? Was also sind die moralischen Maßstäbe, die wir anlegen müssen, | |
um ein freundschaftliches Verhältnis mit Leben zu füllen? | |
Staatentechnisch ist das ja nicht einfach. Wenn es um die harten Sachen | |
ging, etwa um konkrete Hinweise auf mögliche Terrorgefahren, dann haben | |
deutsche Behörden nach allem was man weiß in der Vergangenheit immer wieder | |
von der Kenntnis US-amerikanischer Sicherheitsbehörden wie der NSA | |
profitiert. Die „befreundeten Dienste“ schickten Hinweise und auch | |
deshalb konnte das ein oder andere geplante Attentat wie das der | |
sogenannten Sauerland-Gruppe vermieden werden. Sagen zumindest Politiker. | |
Das war doch ganz nett, eigentlich. | |
Eines war aber auch immer klar: Die Geschenke waren geklaut. Das ist das | |
Wesen nachrichtendienstlicher Arbeit. Für diese Arbeit gelten gesetzliche | |
und moralische Abwägungsgebote. Wie stark darf der Eingriff sein, im | |
Verhältnis zum Nutzen? Das Ausmaß der nun bekannt gewordenen globalen | |
Kommunikationsausforschung wirft diese Frage neu auf. Denn die | |
Datensammlung der USA berührt unmittelbar auch die Grundrechte anderer | |
Bürger weltweit. | |
Wenn der deutsche Verfassungsschutz von diesen Programmen keinen Schimmer | |
hatte, dann ist er seiner Aufgabe, wieder einmal, nicht gerecht geworden. | |
Denn verfassungsmäßig soll er ja geschützte Rechte deutscher Bürger zu | |
wahren. Der Grund dieser Blindheit ist ein etwas zu freundschaftliches | |
Verhältnis, das keine eigenen Maßstäbe kennt. In einem solchen Verhältnis, | |
ist man immer der Dumme. Denn wissen Sie: Die Milch ist doch nicht nur | |
geklaut, sie ist auch sauer. Und wir sollen sie trinken? | |
13 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
## TAGS | |
NSA | |
Barack Obama | |
BND | |
USA | |
NSA | |
Datenkrake | |
USA | |
US-Regierung | |
Prism | |
USA | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Überwachung im Netz: Freiwillig Infos an US-Geheimdienste | |
Einem neuen Medienbericht zufolge liefern Tausende amerikanische | |
Unternehmen freiwillig Informationen an die Geheimdienste. | |
Überwachung im Netz: Die Furcht vor Kontrollverlust | |
Kaum passiert etwas Negatives wie der „Prism“-Skandal in den USA, und schon | |
wird das Internet an sich verunglimpft. Das ist ziemlich kurzsichtig. | |
Whistleblower Edward Snowden: „Ich bin kein Held“ | |
Er sei kein Verräter, verteidigt sich Snowden in einem neuen Interview. Er | |
wirft den USA Cyberattacken auf China vor. Der Geheimdienstchef bleibt | |
uneinsichtig. | |
Skandal um NSA-Überwachung: Die „Green Badges“ im Visier | |
Seit 9/11 arbeitet eine Vielzahl externer Dienstleister wie Edward Snowden | |
für US-Geheimdienste. Dessen Enthüllung halten viele für „mangelnden | |
Berufsethos“. | |
Suche nach Whistleblower Snowden: Aufenthaltsort unbekannt | |
Edward Snowden, der das Netz-Überwachungsprogramm der US-Regierung | |
offenbarte, ist untergetaucht. Die politische Debatte läuft. | |
Netzspionage durch die USA: Doch nicht besser als die Chinesen | |
Regelmäßig werfen die USA China Netzspionage vor. Nach dem | |
Überwachungsskandal wird nun eine NSA-Einheit bekannt, die sich jahrelang | |
in chinesische Netze hackte. |