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# taz.de -- Kommentar Proteste in Hongkong: Macht, Ohnmacht & Gewalt
> Die verzweifelten Aktionen der DemonstrantInnen in Hongkong spielen der
> Regierung in Peking in die Hände. Und die sitzt leider am längeren Hebel.
Bild: Demonstranten demolierten, um ins Parlamentsgebäude in Hongkong zu gelan…
Am Montag, [1][dem 22. Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an China],
demonstrierten laut Veranstalterangaben 550.000 Menschen friedlich gegen
das geplante Auslieferungsgesetz. Dieses dürfte Kritiker Pekings künftig
der Gefahr aussetzen, nach China ausgeliefert und dort vor Gericht gestellt
und womöglich gefoltert zu werden.
Doch gleichzeitig drangen in den Abendstunden auch einige hundert
DemonstrantInnen gewaltsam in das Gebäude des Legistlativrates ein. Zuvor
hatten sie über Stunden gegen Polizisten gekämpft und Panzerglastüren
gerammt. Als die Polizei, die zuletzt wegen unverhältnismäßiger Gewalt in
der Kritik stand, sich schließlich zurückzog, war der Weg in das Gebäude
frei.
Dort randalierten die DemonstrantInnen, sprühten Parolen und hissten eine
britische Kolonialflagge (!). Es machte nicht den Eindruck, als wüssten
sie, was sie mit ihrer Besetzung anfangen sollten. Sie flohen denn auch
schnell, als die Polizei in den Morgenstunden zur Räumung anrückte.
Der Frust der DemonstrantInnen über die eigene Ohnmacht und die Empörung
über die Arroganz der prochinesischen Regierung und deren Pekinger
Hintermänner sind allzu verständlich. Denn diese glauben, mehrere
Großdemonstrationen mit bis zu zwei Millionen TeilnehmerInnen letztlich
einfach aussitzen zu können. [2][Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hat
taktiert], als sie das Auslieferungsgesetz suspendierte, aber nicht
offiziell zurückzog. Ähnlich taktisch klebt sie selbst an ihrem Stuhl,
obwohl sie gescheitert ist und jedes Vertrauen verloren hat.
## Gewalt zeigt Spaltung und Dummheit
Doch die Parlamentsbesetzung war ein Pyrrhussieg. Achteten früher Hongkongs
DemonstrantInnen nicht nur auf Gewaltfreiheit, sondern ließen nicht einmal
Müll auf der Straße zurück, dürften die aktuellen Bilder von Chaos und
Gewalt viele abschrecken. Dies war schon bei den [3][Protesten der
Gelbwesten in Frankreich] zu beobachten. Die weckten zunächst große
Sympathie, wirkten aber letztlich wegen der immer häufiger ausgeübten
Gewalt abstoßend, obwohl auch hier die Polizei oft unverhältnismäßig
reagierte.
Die Verantwortung für die Gewalt trägt letztlich die Regierung in Hongkong,
weil sie meint, an der Bevölkerung vorbei regieren zu können. Aber auch sie
dürfte jetzt von der Gewalt profitieren. Denn sie setzt Demokratie stets
mit Chaos gleich und unterstellt den Chinesen, für Demokratie ungeeignet zu
sein. Für Peking kam die Randale so gelegen, dass die Regierung sogar die
Berichtsblockade in den kontrollierten Medien aufhob und nun genüsslich
Bilder der Gewalt zeigte. Und Hongkongs Polizei, deren taktischer Rückzug
sich fast schon als Falle deuten lässt, kann jetzt darauf verweisen, dass
die Gewalt von den DemonstrantInnen ausging.
In den Bildern der Gewalt einiger weniger geht vor allem das Anliegen der
friedlichen 550.000 unter. Sie dürften künftig darunter leiden, wenn
Polizei und Regierung mit dem Verweis auf mögliche Gewalttätigkeiten
versucht Proteste einzuschränken. Die gewalttätigen DemonstrantInnen ließen
sich auch nicht von Abgeordneten aus der Demokratiebewegung abhalten.
Peking gewaltsam herauszufordern, kann nicht funktionieren, weil die
Regierung dort und ihre Statthalter in Hongkong am längeren Hebel sitzen.
Chinas Regierung kann nur auf smarte Weise ausgetrickst werden. Die Gewalt
zeigt jetzt leider nicht nur eine Spaltung der DemonstrantInnen, sondern
auch die Dummheit einiger.
2 Jul 2019
## LINKS
[1] /22-Jahrestag-der-Rueckgabe-an-China/!5604043
[2] /Hongkongs-Massenproteste/!5600614
[3] /Gewalt-bei-Gelbwesten-Protest/!5578448
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Hongkong
Massenproteste
Carrie Lam
China
Auslieferungsgesetz
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Auslieferungsgesetz
Hongkong
Joshua Wong
Carrie Lam
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