# taz.de -- Kommentar Brexit-Strategien: Ohne Plan A kein Plan B | |
> Theresa Mays Strategie für einen geordneten Brexit war von Anfang an | |
> nicht schlüssig. So schnell kann sie ihren selbstgeknüpften Knoten nicht | |
> lösen. | |
Bild: Deal or no deal? Das ist die Frage, die sich die britische Premierministe… | |
DUBLIN taz | Die britischen Tories haben sich geweigert, ihre | |
Premierministerin zu erlösen. Am Dienstag haben sie Theresa Mays Plan für | |
einen geordneten Brexit [1][eine drastische Abfuhr erteilt]. Aber am Tag | |
darauf sprachen sie ihr [2][das Vertrauen aus]. Aus Angst und aus Kalkül. | |
Die glühenden Brexit-Anhänger warten lieber, bis May endgültig scheitert. | |
Die moderateren Tories befürchteten, dass nach einem erfolgreichen | |
Misstrauensvotum Labour an die Macht gekommen wäre. | |
Der Brexit ist ein englisches nationalistisches Projekt. Nur 8 Prozent der | |
Schotten und 7 Prozent der Waliser finden, dass die EU großen Einfluss auf | |
ihr Leben habe. Ähnlich sieht es in den anderen EU-Ländern aus. Doch in | |
England waren es 31 Prozent – Folge eines langen Propagandakriegs, der | |
besonders [3][von Medienmogul Rupert Murdoch geführt] wird. | |
Dieser soll auf die Frage, warum er die EU so vehement ablehne, einst | |
gesagt haben, die Londoner Regierung kusche vor ihm, in Brüssel hingegen | |
werde er ignoriert. Später bestritt er diese Äußerung. Murdochs englische | |
Blätter waren allerdings nicht zimperlich im Erfinden von Storys, die | |
belegen sollen, dass sich Brüssel ins Leben eines jeden Engländers | |
einmische. | |
Die Reporter überboten sich gegenseitig [4][mit den absurdesten Märchen] – | |
von der angeblichen Standardisierung von Kondomgrößen („zu klein für | |
Briten“) über die Einschmelzung von Leichen (um sie in der Kanalisation zu | |
entsorgen), bis hin zu Ruhepausen, um Stress für Muscheln und Austern bei | |
Transporten von mehr als 50 Kilometern zu verhindern. Nicht nur die | |
Boulevardblätter, auch die früher einmal angesehene Times mischte dabei | |
kräftig mit. Solche Märchen waren einer der Gründe für die Brexit-Mehrheit. | |
## Von Anfang an verkorkst | |
Eine Mitschuld an dem jetzigen Dilemma weisen die Murdoch-Medien von sich, | |
ebenso wie die Brexit-Befürworter bei den Tories und in der nordirischen | |
Democratic Unionist Party (DUP), deren zehn Angeordnete Mays Regierung | |
stützen. Für sie ist die irische Regierung schuld. | |
Aber der [5][Auffangplan für die irische Grenze], der sogenannte Backstop, | |
ist nicht in Dublin ausgeheckt worden. May sagte mehrfach, sie wolle die | |
Wiedereinführung einer Grenze verhindern. Etwa im September 2017 in | |
Florenz: „Wir und die EU haben ausdrücklich erklärt, dass wir keine | |
physische Infrastruktur an der Grenze akzeptieren werden. Wir schulden es | |
den Menschen in Nordirland, ja allen Menschen auf der irischen Insel, dass | |
wir dieses Versprechen umsetzen.“ | |
Seitdem hat die britische Regierung keinen einzigen Vorschlag vorgelegt, | |
wie man die Zollunion verlassen und gleichzeitig eine harte Grenze in | |
Irland vermeiden könne. Die Regierung versuchte nicht einmal, einen | |
praktikablen Vorschlag zu machen. Karen Wheeler, Chefin des Gremiums, das | |
sich mit der Planung der britischen Grenzen nach dem Brexit befassen | |
sollte, sagte mit Blick auf die irische Frage, dass falle nicht in ihren | |
Aufgabenbereich. | |
Mays Brexit-Strategie, wenn man sie als solche bezeichnen will, war von | |
Anfang an verkorkst. Sie weiß seit zwei Jahren, dass die Grenzfrage auf der | |
Nachbarinsel eine der größten Hürden vor einem einvernehmlichen Ausstieg | |
aus der EU ist. Doch sie akzeptierte einerseits den Backstop, die Zollunion | |
Nordirlands mit der EU, falls keine andere Lösung gefunden würde, und | |
versprach andererseits dem Bündnispartner DUP, dass es keine Sonderregelung | |
für Nordirland geben werde. | |
Die logische Konsequenz wäre, das gesamte Vereinigte Königreich in der | |
Zollunion zu belassen. Das lehnt May jedoch kategorisch ab, der Brexit-Fans | |
in der eigenen Partei wegen. Aus dieser von ihr verschuldeten verfahrenen | |
Situation gab es kein Entkommen. Das Ergebnis war ein Deal mit der EU, der | |
einer EU-Mitgliedschaft zweiten Grades entspricht. Dem konnten weder die | |
Befürworter noch die Gegner des Brexit zustimmen. Wie soll May nun einen | |
Plan B hervorzaubern, wenn sie nicht mal einen vernünftigen Plan A hatte? | |
20 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Kommentar-Brexit-Abstimmung/!5566101 | |
[2] /Kommentar-Brexit/!5566273 | |
[3] /Kolumne-Flimmern-und-Rauschen/!5521428 | |
[4] https://www.theguardian.com/politics/2016/jun/23/10-best-euro-myths-from-cu… | |
[5] /Kommentar-Brexit-Vertrag-und-Irland/!5558644 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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