# taz.de -- Kolumne Russia Today: Fans ins Freilandhaltung | |
> Die Fifa lockt Fußballfans auf einen Hügel in Moskau. Viele, die | |
> hingehen, kommen nicht zum Fußballgucken. Konsum ist ihnen wichtiger. | |
Bild: Fußballfans fotografieren sich in Moskau | |
Die einstmals als Leninberge bekannte Erhebung in Moskau ist schon zu einer | |
der Pilgerstätten dieser Weltmeisterschaft geworden. Dieser, sagen wir: | |
Berg westlich des Moskwa-Ufers ist mit einem Höhenunterschied von 70 Metern | |
auch für ein breites Publikum leicht besteigbar. Dominanz und Größe gewinnt | |
die erhöhte Parkanlage allein durch das monumentale Hauptgebäude der | |
staatlichen Universität im stalinschen Zuckerbäckerstil. Der mächtige Turm | |
des Klotzes ragt 240 Meter in den Himmel. | |
Es ist aber weniger das akademische oder architektonische Interesse, das | |
die vielen Menschen hierher treibt. Zum Leidwesen der prüfungsgestressten | |
Studenten werden sie von etwas anderem angezogen. Die Fifa hat das Gelände | |
nämlich für ihren großen Fußballrummel gebucht. Das Fifa-Fan-Fest, eine | |
Erfindung der WM 2006, findet bei diesem Turnier ausgerechnet hier statt. | |
So eine Weltmeisterschaft bietet ja viele schöne bunte Bilder von | |
Begegnungen. In der Innenstadt von Moskau rund um den Roten Platz etwa | |
hüpfen und singen an allen Ecken und Enden diverse Fangruppen – die | |
Südamerikaner sind besonders stark vertreten. Und man kommt untereinander | |
spielend leicht ins Gespräch. | |
Diesem eher anarchischen Treiben hat die Fifa mit ihrem Fanfest eine | |
organisierte Plattform gegeben. Und es funktioniert. Wie Lämmer folgen die | |
Fußballanhänger westlich des Moskwa-Ufers den Hinweisschildern, um dann auf | |
einem eingezäuntem Gelände ausschließlich die Produkte der | |
Fifa-Hauptsponsoren zu konsumieren und auf den drei Großbildleinwänden die | |
Übertragung von Fußballspielen zu schauen. Wenn man so will, kann man das | |
als profitable Freilandhaltung von Fans bezeichnen. Und nebenbei werden | |
eben auch noch diese schönen Begegnungsbilder generiert, die so anrührend | |
sein sollen. | |
Umgekehrt scheint wiederum das Bedürfnis nach einem gemeinsamen Stall groß | |
zu sein. Das Erstaunliche ist, dass viele, die auf das Moskauer Fanfest | |
gehen, nicht zum Fußballgucken gekommen sind. | |
Am Freitag beim Spiel der Gruppe B [1][zwischen Marokko und dem Iran] | |
beispielsweise saßen vielleicht 3.000 Menschen vor den Großleinwänden, fast | |
genau so viele tummelten sich an den Sponsorenständen. Was der | |
Fußballverband vorgibt, wird konsumiert. | |
Das Selbstbewusstsein der Interessenvertreter des Fußballs, wirklich jede | |
und jeden für sich vereinnahmen zu können, auch die Journalisten, ist | |
grenzenlos geworden. Der DFB hat mir beispielsweise dieser Tage mit einer | |
automatisch erstellten Mail wieder einmal zum Geburtstag gratuliert. Auf | |
einem Bild ist Thomas Müller von hinten zu sehen mit der Rückennummer 47, | |
meinem Lebensalter. Dazu der Text: „Der Deutsche Fußball-Bund feiert Dich … | |
Wir wünschen Dir für die Zukunft alles erdenklich Gute und dass Du noch | |
viele Erfolge mit den Teams des DFB feiern kannst.“ | |
17 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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