Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Liebeserklärung: „Lindenstraße“ – letzte Folge 2020
> Nach fast 34 Jahren stellt die ARD die „Lindenstraße“ ein. Die Kultserie
> bildet eine Gesellschaft ab, die noch miteinander reden mochte.
Bild: Was?! Letzte Folge 2020?!
Die „Lindenstraße“, sie war das alte Deutschland: eines, in dem man das
Wort Problemthemen noch ohne dreifache Anführungszeichen verwenden konnte;
eines, in dem der Alltag aus einem scheinbar unendlichen, notwendig zähen
Hin- und Herfließen dieser Problemthemen durch eine Figurenkonstellation
bestand, deren Komplexität an das Spiel „Tetris“ heranreicht; eines, in dem
sich die Bürger noch mindestens so schlecht selbst geschauspielert haben
wie Klaus Beimer, Tanja Schildknecht und Co.
Fernsehen ist, wenn man es genau nimmt, [1][recht selten schön]. Das
Sterben einer Serie ist es noch weniger, zumal wenn es sich derart dem
Tempo der Demenzgesellschaft anpasst wie die „Lindenstraße“ in ihrem
ständigen Senden und Sterben: einem Senden, das immer flacher wurde, immer
weniger mit einer Umgebung klarkam, die das Prinzip der Repräsentation
nahezu vollständig durch das der Selbstrepräsentation ersetzt hat, und in
der das unumwendbar Agonistische sich nicht mehr über die vergessenen
Verstrickungen perennierender Familienbünde moderieren ließ, auch im
Fernsehen nicht.
Einem Sterben, das einst so lächerlich war wie die Wirklichkeit selbst –
siehe den „Bratpfannenmord“ an Pfarrer Steinbrück, 17. August 1995 –, und
nun sogar immer mehr Hauptpersonen verschwinden ließ, ohne auch nur
annähernd genug glaubwürdig-mediokren Nachwuchs zu züchten für einen
neuerlichen Generationenwechsel.
Ich hielt die „Lindenstraße“ in all ihrer Gnade (schwule, lesbische,
transsexuelle, Aids-kranke, drogensüchtige, alleinerziehende,
sektengläubige, geschundene, aber glückliche Charaktere) und zugleich
wahnsinnig machenden Ödnis lange für einen Garanten gegen den, zumindest
offenen, Faschismus.
Im Rückblick scheint es mir kein Zufall, dass ich ziemlich genau [2][nach
der letzten Bundestagswahl] aufhörte, sie zu schauen, nach 21 Jahren meines
Lebens. Die „großen Erzählungen“ seien vorüber, schrieb der Philosoph
Jean-François Lyotard 1982: drei Jahre, bevor die „Lindenstraße“ erstmals
auf Sendung ging. Auf lange Sicht behielt er recht.
Deutschland hat die „Lindenstraße“ überlebt. In schlechten Kulissen
entlarvte sie, dass unser Leben in schlechten Kulissen abläuft. Die
Bindekraft des Rituals ist dahin. Wir sind dem Untergang geweiht.
16 Nov 2018
## LINKS
[1] /Kolumne-Fernsehen/!5109437
[2] /Kommentar-Bundestagswahl-2017/!5449951
## AUTOREN
Adrian Schulz
## TAGS
Lindenstraße
Soap
öffentlich-rechtliches Fernsehen
Fernsehen
öffentlich-rechtliches Fernsehen
Lindenstraße
Gelbwesten
Schwerpunkt AfD
Soap
Soap
ARD
Kuba
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Lindenstraßen“-Demo in Köln: The Show Must Go On
Am Samstag demonstrierten 300 Menschen gegen die Absetzung der ARD-Serie.
Ein Landtagsabgeordneter der SPD kam auch vorbei.
Initiator über „Lindenstraße“-Demo: „Wir sind verärgert und verzweifel…
Jörg Flöttl ist Mitorganisator einer Demo gegen die Absetzung der
„Lindenstraße“. Er rechnet am Samstag in Köln mit hunderten Teilnehmern.
Kolumne Jung und dumm: Die Farbe Gelb
Mit Rechten reden? Aber immer! Nur wenn sie gelbe Westen tragen und fremd
reden – dann sind sie dem deutschen Mainstream zu schmuddelig.
Anti-AfD-Aufkleber im „Polizeiruf 110“: Wirbellose ARD
AfD und Junge Union machen Stress, weil sie Realität und Fiktion offenbar
nicht länger unterscheiden können – und was macht die ARD?
taz-Autorin in der „Lindenstraße“: Von obercool bis voll peinlich
Über 30 Jahre wälzt die „Lindenstraße“ Alltagsprobleme als
sozialdemokratisches Erziehungstheater. Die Autorin spielte dort 17 Jahre
lang mit.
Leipziger Arztserie „In aller Freundschaft“: Kein Sächsisch in der Sachsen…
Die TV-Serie „In aller Freundschaft“ geht bereits in die 21. Staffel. Dabei
vergisst man schnell, dass die beliebte Weißkittelserie in Leipzig spielt.
Neue ARD-Miniserie „Das Verschwinden“: Autorenfilmer auf Abwegen
Die ARD versucht sich an eigenen Miniserien. Heraus kommt mit „Das
Verschwinden“ das Beste, was es im Ersten zu sehen gibt.
50. Todestag von Ernesto Rafael Guevara: Che, sexy wie Christian Lindner
Der Mann, der mit Fidel Castro den Sozialismus in die Karibik brachte, ist
seit fünfzig Jahren tot. Was ist mit ihm noch anzufangen? Ziemlich viel.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.