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# taz.de -- Kolumne Jung und dumm: Die Farbe Gelb
> Mit Rechten reden? Aber immer! Nur wenn sie gelbe Westen tragen und fremd
> reden – dann sind sie dem deutschen Mainstream zu schmuddelig.
Bild: Gelb ist doch ganz schön nah an braun. Oder wie?
Nach dem Fahrplanwechsel muss man sich von den neuen Stationsansagen in der
Frankfurter U-Bahn nun regelrecht anschreien lassen. Zusätzlich zu dem
gewohnten Phantomvibrieren im linken, handyseitigen Oberschenkel vibriert
jetzt manchmal auch der rechte. Man ahnt vage, welche Blüten das noch
treiben soll.
Apropos Blüten: Was man [1][dem Zentrum für Politische Schönheit] wirklich
anrechnen muss, ist es, kluge Metaphern unters ohnehin von
Informatikängsten geplagte Volk zu streuen. Der Verdacht, man könnte
unbemerkterweise [2][einem Honigtopf erliegen], ist indes nicht neu.
Und damit möchte ich überleiten zu einem Thema, dessen Farbzuordnung sich
eher auf der Gefühlsebene vollzieht; für mich ist es gelb. Weiß jemand mehr
über Mathilde Seelbach? Das ist eine ernst gemeinte Frage. [3][Mathilde
Seelbach] (aka Ingeborg Schnabel) ist eine der faszinierendsten Figuren des
Internets, obwohl es nur drei Videos gibt, die sie zeigen.
Sogar Gerüchte über sie sind rar, und seitdem ich die drei Videos – ein
Zusammenschnitt, ein Remix namens „Katze in der Fensterbank“, eine Szene,
in der ein vermummter Mann ihr ohne Absprache aus dem Off eine Topfpflanze
bringt – vor ein paar Jahren entdeckt habe, die eine lebensfrohe, aber
leicht zu verwirrende Dame beim Moderieren im Offenen Kanal Berlin zeigen,
frage ich mich, was es auf sich hat mit ihr und ihrer rätselhaften
Unauffindbarkeit.
## Überall Diskursbrücken
Die Farbe Gelb entfaltet aber auch im Politischen ihre Signalwirkung, die
da besagt: „Achtung! Vorsicht! Farbe Gelb in Sicht!“ Weil man in Frankreich
seine emanzipativen wie faschistischen Anteile nicht wie hier nach innen,
sondern auf die Straße nach außen enthemmt und damit gelegentlich die
Ordnung des Ganzen etwas ernsthafter bedroht, sind Rassismus und Homophobie
auf einmal nicht mehr berechtigte „Sorgen“ und Ausdruck verfehlter „linker
Identitätspolitik“.
Plötzlich soll nun nicht mehr mit Rechten [4][geredet] werden und einfach
schlechthin gar nicht mehr um Begriffe und Symbole gekämpft werden. Es sind
da verschiedenerlei Verfügungsmassen im Spiel: gute und schlechte
Arbeiterressentiments, aber auch gute und schlechte Homosexuelle.
Schlecht, das ist jener Schriftsteller [5][Édouard Louis], der sich mit den
schlechten Arbeitern solidarisiert und, wenn es sein muss, auch mal von
einem Araber [6][vergewaltigen] lässt, nur um danach naiv-verständnisvoll
mit seinen eingewanderten Mitbürgern Diskursbrücken bilden zu können. So
will es jedenfalls der alternative Elfenbeinturm seit mehr als einem Jahr
und hat wieder einen neuen Feind gefunden.
Dabei könnte die Welt so schön sein. Die neue CDU-Vorsitzende sieht in
Homosexuellen zwar immer noch eine Gefahr für die Gesellschaft, will ihnen
jedoch womöglich das Adoptionsrecht einräumen. Wie viele Homosexuelle
Annegret Kramp-Karrenbauer genau adoptieren möchte: Darüber erfährt man
aber mal wieder nichts.
16 Dec 2018
## LINKS
[1] /Zentrum-fuer-Politische-Schoenheit/!t5011656
[2] /Antifa-Kunstaktion-Soko-Chemnitz/!5557196
[3] /Kolumne-Jung-und-dumm/!5297439
[4] /Soll-man-mit-Rechten-reden/!5546809/
[5] http://www.spiegel.de/kultur/literatur/edouard-louis-im-herzen-der-gewalt-d…
[6] http://www.spiegel.de/kultur/literatur/edouard-louis-im-herzen-der-gewalt-d…
## AUTOREN
Adrian Schulz
## TAGS
Gelbwesten
Homophobie
Schwerpunkt Frankreich
Auto-Lobby
Jung und dumm
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Jung und dumm
Lindenstraße
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