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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Widerstand gegen Grüne und Kinder
> Warum definieren sich die FDP und alle anderen Parteien über ihre
> Differenz zu Annalena Baerbock und Robert Habeck?
Bild: Verzwergt sich gerade: Die FDP-Parteispitze rund um Wolfgang Kubicki (2. …
Ein Land wächst mit seinen Menschen, das ist doch ein schöner Gedanke. Mit
diesem Parteitagsclaim im Rücken bewirbt sich Wolfgang Kubicki in der
„Station“ zu Berlin-Kreuzberg für die Wiederwahl als stellvertretender
Vorsitzender der FDP. Es wird eine lieblos heruntergeratterte 08/15-Tirade
gegen die Grünen und ihren Bundesvorsitzenden Robert Habeck.
Als deren Klimax verzwergt sich Kubicki vollends selbst, als er mit
routiniert erhobener Stimme ruft: „Weder der Staat noch meine Frau werden
mir jemals verbieten, ein Steak zu essen.“ Witzig. Man denkt automatisch:
Och, der Arme, von wem droht ihm das Verbot denn? Vom Staat ja nun
definitiv nicht.
Das ist ein subjektiver Eindruck, aber die FDP wirkte auf mich spannungslos
und manchmal fast hilflos in ihrer Fixierung auf die kleinste
Oppositionspartei im Deutschen Bundestag als größten Gegner – knapp vor
oder nach den für ihre Zukunft demonstrierenden Kindern.
Christian Lindners Projekt Wiederaufbau ist dahingehend nachhaltig
geworden, dass man stabil bei 8 bis 9 Prozent steht. Das ist aller Ehren
wert. Aber was jetzt?
Gerade war der FDP-Vorsitzende noch der interessanteste Politiker für die
bereits angebrochene Zeit nach dem Ende des Volksparteien-Dualismus. Robert
Habeck war ein unbekannter Energiewende-Minister in Schleswig-Holstein.
Jetzt kennt die eine Hälfte der Leute Habeck immer noch nicht, aber die
andere kann ihn sich als Bundeskanzler vorstellen.
Ob sie das nun herbeisehnen oder beim Gedanken abkotzen: Das Neue besteht
darin, dass ein grüner Kanzler Habeck als realistisches Zukunftsszenario
erscheint. Kanzler Lindner? Stand jetzt: Never. Wie kommt das?
Interessanterweise war es klassischen Linken und Grünen stets fremd, sich
als Teil einer Mehrheit der Verschiedenen sehen zu können. Sie sehen sich
im aufrechten Empörungszustand gegen die stets stulle Mehrheit oder träumen
von einer (von ihnen) patriarchalisch geführten Gesellschaft.
Diese Kultur haben die Grünen in den Ländern durch Verantwortungspolitiker
wie Kretschmann, Palmer, Al-Wazir, Fegebank oder Heinold überwunden. Weil
sie eben keine Klientelpolitik machen, sondern normale Leute sich
repräsentiert sehen.
## Erratisches Rufen
Das ist die Kraft, die auch Annalena Baerbock und Habeck Richtung 20
Prozent schiebt: Dass sich Leute aus dem demokratischen Mainstream gemeint
fühlen, die eben nicht Minderheiten-Grüne im alten Sinne sind. Wenn sie
sich so umschauen, was im politischen Angebot ist, bleiben sie bei
Kretschmann, Baerbock und Habeck hängen, dem
Wohlstands-Fortsetzungsversprechen einer sozialökologisch transformierten
Marktwirtschaft und ihrem Vorschlag, das gemeinsam anzugehen.
Liberal sind derzeit weder Grüne noch FDP, aber während die Grünen mit
ihrem neuen Verständnis auf das Ganze zielen, hat sich der Fokus der FDP
darauf reduziert, ökosoziale Zukunftstastbewegungen anzugreifen. „Wer die
Welt retten will, muss nicht grün wählen, sondern ganz im Gegenteil“, rief
EU-Wahl-Spitzenkandidatin Nicola Beer etwas erratisch in der „Station“.
So geht es ständig. Die Freien Demokraten definieren sich wie auch Union,
SPD, Linkspartei und AfD über ihre Differenz zu Baerbock und Habeck. Die
frühere Verantwortungspartei FDP repräsentiert zu oft auf Pennälerniveau
eine kleine Empörungsklientel, die sich mit einem larmoyanten Klage-Kanon
(Grüne, Kinder, Chinesen, Ehefrauen, Altmaier) gegen den Aufbruch von
Mainstream-Gesellschaft und Wirtschaft stemmt.
Das kann nicht ihr letztes Wort sein.
4 May 2019
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Annalena Baerbock
FDP
Christian Lindner
Robert Habeck
Bündnis 90/Die Grünen
Autobiografie
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Robert Habeck
Anton Hofreiter
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